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John Singer Sargent, Portrait of Madame X (Madame Pierre Gautreau), 1884,Metropolitan Museum of Art, Quelle |
Wir haben uns zuerst mit dem Maler bekannt gemacht: John Singer Sargent (12. Januar 1856 in Florenz - 14. April 1925 in London) galt als der bedeutendste US-amerikanische Porträt-Maler seiner Zeit. Zu seinen Kunden gehörten Angehörige der Oberschicht, überwiegend in Europa, auch in den Vereinigten Staaten von Amerika. Berühmtheit erlangten auch seine Genreszenen, die Wandmalereien für drei Institutionen in Boston und Umgebung sowie das Kriegsgemälde "Gassed" aus dem Jahre 1919. Er zog 1874 nach Paris, wo er sechszehn Jahre lang lebte und in dem berühmtem Pariser Salon ausstellte.
Beim Vergleich seines
- fotografischen Porträts (1903)
mit seinem wenig späteren
- Selbstbildnis, 1906
fiel uns auf, wie selbstbewusst der Maler sich inszeniert hat, indem er mit ernstem und unbewegten Gesicht leicht auf uns als Betrachterinnen herunterblickt.
Eines seiner ersten großen Bilder, das er auch im Salon ausstellte, war das Werk
- En route pour la pêche, (Unterwegs zum Fisch) 1878Der Maler hat im Sommer 1877 mehr als zehn Wochen in Cancale an der Küste der Bretagne verbracht. Wir sahen Frauen und Kinder, die zum Meer gehen um dort Muscheln einzusammeln. Und es sieht aus, als ob Singer Sargent mit seiner Staffelei am Meer gesessen hat und mit schnellem Pinselstrich abbildete, was er sah. Aber der Maler hat das Bild zweimal gemalt:
- Fishing for Oysters at Cancale (Austerfischen in Canacale) 1878
Und beim näheren Betrachten wurden Unterschiede deutlich, z.B. der rechte Hintergrund mit dem Leuchtturm, wo in dem einen Bild eine Frau allein von oben herunter kommt, während in dem anderen eine Menschengruppe sich auf den Weg gemacht hat. Auch der linke Hintergrund mit dem Blick auf das Meer und in die Ferne ist verschieden akzentuiert.
An der Zeichnung
- Junge am Strand, 1877–78
wurde dann deutlich, dass der Maler seine beiden Bilder sehr bewusst komponiert und Vorstudien von den einzelnen Personen gemacht hat, die er dann in zwei etwas unterschiedlichen Fassungen zusammengestellt hat. Im Museumstext heißt es dazu, dass er lokale Modelle bezahlte um für ihn zu posieren und zahllose vorbereitende Zeichnungen und Sketche in Öl machte, bevor er die Komposition in seinem Studio in Paris konstruierte. Dabei verfeinerte er die Haltung des Kindes leicht, indem die Handposition und die Kleidung ein wenig veränderte, wobei er sich auf Licht und Schatten konzentrierte. Auch wir haben noch einmal genauer auf die Lichtführung geschaut und geprüft, von woher das Licht auf die Gestalten fällt und welche Schatten es wirft.
Ein weiteres frühes Werk des Künstlers ist
- In the Luxembourg Gardens, 1879
Es wirkte auf uns sehr impressionistisch mit seiner Unschärfe und seiner verschwommenen Stimmung. Wir erkannten ein Paar in modischer Kleidung, das sich gerade aus dem Mittelpunkt des Bildes entfernt. Eine weite leere helle Fläche bestimmt den Vordergrund. Nach hinten wird sie von einem Hang und einer geraden Balustrade abgeschlossen, die horinzontal das Bild in zwei Bereiche teilt. Auf ihr scheinen Lampen vor dem dunklen Hintergrund eines Waldes zu leuchten. Alles ist in ein dämmriges Licht getaucht, eine untergehende Sonne - oder ist es ein aufgehender Mond? - ist am blassen Himmel zu sehen. Ihr oder sein Licht spiegelt sich im kreisrunden Teich rechts im Mittelgrund, um den schemenhaft weitere Gestalten wahrzunehmen sind. Vergrößert man das Bild sieht man deutlich die Farbtupfer und Pinselstriche des Malers.
Ganz anders mutete uns das folgende Bild an:
- Fumée d’Ambre Gris (Rauch von grauem Ambra) , 1880
Ambra oder Amber ist eine graue, wachsartige Substanz aus dem Verdauungstrakt von Pottwalen. Sie wurde früher bei der Parfümherstellung verwendet. Wir überlegten als erstes, in was für einem Raum die weiß gekleidete Frau zu sehen ist. Die hohe weiße Architektur mit dem Halbpfeiler auf der linken Bildseite weist mit dem Ansatz eines mehrfach eingeschnittenen Bogens auf die maurische Kultur hin. Tatsächlich ist das Bild nach einer Reise nach Tanger entstanden und zeigt eine reich gekleidete Araberin, die mit ausgebreitetem Schleier über einem Räuchergefäß steht. Wir haben uns eine ganze Weile darüber unterhalten, wie ihre Kleidung aussieht und was sie eigentlich trägt. Ob das Gemälde eine tiefgründige Zeremonie zeigt oder nur "eine sorgfältig ausgearbeitete Darstellung einer Inhalation gegen eine Erkältung" bleibt dabei offen (zitiert nach Wikipedia).
Das
- Porträt Madame X (Virginie Gautreau), 1884
sollte zeigen, was er als Porträtmaler konnte, aber es kam ganz anders. Als er es 1884 im Salon de Paris zeigte, entstand ein Skandal. Wir haben natürlich überlegt, was an diesem Bildnis einer eleganten Dame im engen Kleid so skandalös gewesen sein kann. Die Lösung findet man in einer zeitgenössischen
- Karikatur der Madame X als Pik-Dame, in: Journal amusant ... , Aubert et cie (Paris) vom 17.5.1884.
Dort ist die Frauengestalt so zu sehen, wie Sargent sie ursprünglich gemalt hat. Der Träger ihres schwarz-samtenen Oberteils ist von der Schulter gerutscht. Die Anspielung, dass die Dame gleich mit entblößter Brust dastehen könnte, wurde als skandalös empfunden. Dazu fehlt jeglicher Schmuck und auch die damals üblichen Handschuhe, wodurch sie in den Augen der Zeitgenossen schon fast nackt erschien. Auch ihre Haltung und das aufwendige Make-up, das ihren Teint fast weiß erscheinen lässt, verstieß gegen die Konventionen. Tatsächlich benutzte Virginie Amélie Avegno Gautreau (1859 – 1915), die dem Maler auf seinen Wunsch hin zu diesem Bildnis Modell stand, lavendelfarbenes Puder für ihre blasse Haut und färbte ihre Ohren mit Rouge und ihr Haar mit Henna. Sie galt zu ihrer Zeit eine der berühmtesten Schönheiten der Pariser Gesellschaft.
Uns fiehl besonders ihre gedrehte Haltung und ihre scharfe Profilansicht auf. Dass sie auf dem Kopf einen kleinen diamantenen Halbmond trägt, soll übrigens damit zusammen hängen, das "ihre geschmeidige Eleganz an Diana, die römische Göttin des Mondes und der Jagd" erinnerte. Man muss genau hinsehen um zu erkennen, dass der kleine Tisch, auf den sich die Porträtierte leicht aufstützt, von Sirenen mit schlangenartigen Schwänzen verziert getragen wird. Dabei laufen die dünnen Tischbeine am Ende in Löwentatzen aus. Die Sirene kann als Anspielung auf den Ruf der Porträtierten "als attraktive, aber gefährliche Verführerin" gelesen werden. Uns fiel zugleich aber auch auf, dass der Maler das schwarze Kleid so widergegeben hat, dass man sogar den Stoff unterscheiden kann: das Oberteil muss aus Samt gewesen sein, während die Stoff des langen Rocks wie Seide glänzt. Singer Sargent hat das Porträt übrigens sofort abgeändert und den Träger ordnungsgemäß am Oberteil befestigt, wie das folgende Foto beweist:
- John Singer Sargent in seinem Pariser Atelier neben seinem Gemälde Madame X, fotografiert von Adolphe Giraudon, um 1883/84.
Zum Schluss warfen wir nur noch einen kurzen Blick auf
- La Carmencita, um 1890.
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