Freitag, 14. März 2025

Illusion: Traum – Identität – Wirklichkeit


Ausschnitt aus der Website der Hamburger Kunsthalle zu der Ausstellung: Illusion

In der Hamburger Kunsthalle läuft noch bis zum 06.04.2025 die im Titel genannte Ausstellung. Dazu gibt es auch eine empfehlenswerte Audioführung auf der App der Kunsthalle, die man aus den Appstores kostenlos herunterladen kann. 

Illusion wird als falsche Wahrnehmung der Wirklichkeit definiert. Aber der Ausstellung geht es um mehr als um "Augentäuschung". Sie offenbart sich, so heißt es auf der Website, in der (illusionistischen) Selbstliebe des Narziss genauso wie in architektonischen Raumillusionen, im Spiel des Verbergens und Enthüllens, in Spiegelungen, in der Bedeutung des Fensters zur Welt sowie in Darstellungen von Visionen und Träumen. Wobei die Ausstellungsmacherinnen die Frage geleitet hat, ob man seinen Augen immer trauen kann. 

Aus Mangel an Zeit haben wir allerdings für alle Arten der Illusionen Beispiele aufgerufen. Angefangen haben wir mit dem Thema der täuschend echten Imitation der Natur durch die Malerei und der schönen Geschichte von Zeuxis und Parrhasius, die wir schon vor längerer Zeit bei der Betrachtung des Vorhangmotivs in der Kunst in diesem Blog erwähnt haben. 

Wir haben dafür die Bild- und Textseite aus der "Historischen Chronika" von Joh. Ludov. Gottfridi aufgerufen:

-    Matthäus Merian d.Ä, Zeuxis und Parrhasius   Kupfer von Matthäus Merian d. Ä. (1593–1650) 

Zur Erinnerung: Es geht um den Wettstreit der zweier Maler, wer besser malen könne. Zeuxis malte Trauben so natürlich, dass die Vögel kamen um daran zu picken. Parrhasius aber malte einen Vorhang, so als ob ein Gemälde dahinter verborgen wäre. Zeuxis verlangte darauf mehrfach, er möge den Vorhang beiseite schieben, bis er den sich "betrogen" fand und "gab Parrhasio gewonen/diweil er Zeuxis nur die Voegel/Parrhasius aber einen Meister diser Kunst geaeffet haette", wie es in Text über dem Bild heißt. Und genau diese Szene hat Matthäus Merian dargestellt, wobei die beiden Maler zum einen an der Palette zum anderen an den Pinseln in ihren Händen zu erkennen sind. Zugleich erlaubt die Darstellung einen Blick in die Werkstatt, wo neben den Bildern auch Plastiken und Torsi als Modelle für die Maler zu sehen sind. 

Immer wieder haben Maler versucht, die Betrachter ihrer Bilder zu täuschen und die Natur so wiederzugeben, dass sie für echt gehalten werden konnte. Eine schöne weitere Legende handelt von einem frechen Schüler, nämlich dem später berühmten Giotto, der in ein Bild seines Meisters Cimabue eine Fliege so echt gemalt haben soll, dass sein Meister sie zu verscheuchen suchte.

 Wir haben uns dazu noch angesehen:
-    Juan Fernández el Labrador, Vier hängende Weintrauben, 1636 

 Faszinierend fanden wir, wie sich die Traubensorten im Bild unterschieden: Zum Abpflücken und reinbeißen oder?

Als Trompe-l’œil (fr. Augentäuschung) werden illusionistische Malereien bezeichnet, die mittels perspektivischer Darstellung Dreidimensionalität vortäuschen. So wie z.B.:

-    François-Xavier Vispré, Notenblatt und Drucke, 18. Jh. 

Hier erzeugen die umgeknickten Ecken mit ihren Schatten den Eindruck eines echten Notenblattes, das auf weiteren z.T. mit Bildern bedruckten Blättern liegt. Allerdings haben wir beim Besuch der Ausstellung gesehen, dass dort dieses bzw. ein ähnliches Bild dieses Malers hängt, das noch mehr täuscht wirkt, weil der Malgrund den Ecken des untersten Blattes folgt. Wir haben lange gerätselt, ob der Schatten darunter gemalt oder echt war!

Ein echter Hingucker waren dann die beiden Hühnervögel, die auch in der Ausstellung direkt nebeneinander angeordnet sind:

-    Jan Baptist Weenix, Totes Rebhuhn, um 1650 

Beim Bild des Rebhuhns, das kopfüber an einem Nagel an einer Wand hängt, waren wir zuerst mit dem Vogel, dessen einer Flügel zur Seite geöffnet ist, während der andere noch eng am Körper anliegt, beschäftigt. Auch hier verbreitet der Maler durch die Schattengebung und die Farben die Illusion der Körperlichkeit. Aber es gibt noch andere Täuschungen, so wurde unsere Aufmerksamkeit auf die Wand gelenkt und die Art, wie hier die Malerei eine noch dunkel durchschimmernde flüchtig gekalkte Wand wiedergibt, in der das Loch eines nicht mehr vorhandenen Nagels die Illusion fast greifbar macht. 

Dagegen spielt der folgende Künstler mit der Illusion 

-    Ron Mueck, Still life, 2009 (erste und zweite weitere Ansicht dieser Plastik)

Dieses weit überlebensgroße, geschlachtete Huhn wirkt auf den ersten Blick unheimlich lebensecht - wenn man das von einem toten Tier denn sagen kann, dass im nächsten Augenblick im Ofen landen soll. Gleichzeitig bekommt es durch seine schiere Größe einen ganz neuen Charakter, es hat sozusagen menschliches Maß angenommen. Und damit verbreitet sich dann auch ein unangenehmes Gefühl und man fragt sich: Wie ähnlich ist der Mensch dem Tier eigentlich? 

Das nächste Thema der Ausstellung geht von dem Bild der "Allegorie der Täuschung" aus. Von einer Allegorie spricht man, wenn eine Sache, eine Person oder ein Vorgang aufgrund von Ähnlichkeits- oder Verwandtschaftsbeziehungen als Zeichen von etwas anderem eingesetzt wird. In der Kunst handelt es sich bei Allegorien meistens um Personen, die durch ihre Attribute für einen bestimmten Begriff stehen. Die Vorbilder für solche Allegorien fand man in der Renaissance in dem Buch "Iconologia" des Italieneres Cesare Ripa:

-    Cesare Ripa, Fraude (Betrug), 1645

Auf den ersten Blick sieht man ein Frau mit zwei Köpfen, einer jung einer alt. Dann aber fielen uns die Füße auf: Vogelklauen! Und dazu der Schwanz eines Skorpion - diese Frau kann stechen und sich festkrallen. Und was trägt sie in den Händen: rechts zwei Herzen anstatt eines einzigen und links eine Maske. Sie weist sehr deutlich darauf hin, dass man ihr nicht trauen sollte.   

Die Maske trafen wir wieder auf dem Bild von 

-    Lorenzo Lippi, Allegorie der Täuschung - Die Gärtnerin mit der Maske, um 1640.

Ihr Gesicht ist auf der Ankündigung der Ausstellung abgebildet. Die Perspektive, aus der die Frau gemalt ist, - also von unten herauf gesehen, so dass sie auf uns als Betrachter leicht herabblickt - wird heute noch im Film angewendet, um die Dominanz der Dargestellen zu verstärken. So, also als leicht überheblich, empfanden wir sie auch und auch ihr Blick wirkte auf uns distanziert. Gerade hat sie ihre Maske abgenommen. Aber könnte ihr Gesichtsausdruck eine weitere Maske sein, hinter der sich ein ganz anderes Wesen verbirgt? In der anderen Hand hält sie einen aufgebrochenen Granatapfel. Im Audioguide zur Ausstellung heißt es dazu, dass er seine vielen Kerne unter einer glatten Schale verbirgt und so über sein wahres Inneres hinwegtäuscht. Zum Granatapfel als Attribut wurde bei uns rasch Wikipedia aufgerufen, wo es heißt, dass die Frucht ein Symbol "für Leben und Fruchtbarkeit, aber auch für Macht (Reichsapfel), Blut und Tod" ist und dazu noch weitere Bedeutungen genannt werden, die aber nicht in diesen Zusammenhang passen. Auf einer Website über Griechenland fand ich dann den Hinweis, dass sich mit ihm Erwartungen von Reichtum, Fülle, aber auch Macht verbinden und von der Insel Samos als böser Spruch überliefert ist: „So wie der Granatapfel zerplatzt, sollen auch unsere Feinde platzen“. Immerhin ist dieser Grantapfel aufgeplatzt! 

Die Verbindung mit dem Tod, die der Granatapfel auch symbolisiert, fanden wir dann in den Objetkten auf dem folgenden Bild wieder:

-    Antonie van Steenwinckel,  Porträt des Malers, 1650 (Achtung: links vom Bild gibt es ein Symbol zum vergrößern des Bildbetrachters!).

Die Sanduhr und der Totenschädel rechts und links unten sind eindeutige Symbolde der Vergänglichkeit. Schnell wurde uns klar, dass in dem Bilderrahmen eigentlich kein Gemälde sein kann. Die beiden Symbole und die Bücher in der Mitte - Zeichnen für Belesenheit und Bildung - verdoppeln sich darin. Es handelt sich also um einen Spiegel, den der Junge uns vorhält, der rechts hinter dem Rahmen so verschmitzt hervorlugt. Aber wenn wir direkt in einen Spiegel schauen, wie in diesem Bilden, dann würden wir uns selbst sehen. Irgendwie stimmt der Blickwinkel nicht, schließlich schaut uns aus dem Spiegel ein Mann mit Spitzbart und breitem Hut an. Nur nebenbei: Der Hut sah in unseren Augen so aus ehemals die Trockenhauben beim Friseur (😉).

Eine andere Art der Täuschung erwartete uns in den Fotografien von 

-    Cindy Sherman, Bus riders, 1976 (scrollt man hinunter sieht man die Foto in größerer Form)

Wir haben nur einzelne Bilder aus dieser Serie anschaut. Tatsächlich scheint jede Person in der Serie ihre eigene Körpersprache, Kleidung und Gesichtsausdruck, ja sogar Hautfarbe zu haben. Und es scheint so, als ob wir ganz verschiedene Persönlichkeiten betrachten. Nur wenn man genau hinschaut, kann man erkennen, dass die Fotografin mit dem Eindruck diejenigen, die ihre Bilder betrachten, hinters Licht führt. Man soll denken, dass viele verschiedene Menschen porträtiert sind; Menschen, die man in Amerika auf einer Busfahrt als Passagiere antreffen kann. Sie alle haben eigentlich nichts Richtiges zu tun, sitzen oder halten sich fest und warten darauf an ihrem Ziel anzukommen. Und doch ist da ein Indiz, dass es gar keine verschiedenen Personen gibt. Auf allen Bildern sieht man ein Kabel am Boden: Es ist immer die Fotografin selbst, die mit einem Selbstauslöser das jeweilige Bild aufgenommen hat. 

Wir haben zum Schlus noch einen Blick auf das Thema der Perspektive und der räumlichen Täuschung geworfen. In der Ausstellung wird dieses Bild gezeigt:

- unbekannter Künstler/in, Blick in den Himmel, um 1700.

Weil ich das aber zu dem Zeitpunkt noch nicht im Internet gefunden hatte, haben wir eine der berühmtesten optischen Täuschungen in diesem Bereich angeschaut:

-    Andrea Mantegna, Opaion in der Brautkammer des Herzogspalasts in Mantua, gemalt 1465-1474. 

Ein Opaion oder auch Okulus (Auge) bzw. Kuppelauge genannt, ist eine runde Öffnung am höchsten Punkt einer Kuppel. Auch in der Brautkammer öffnet sich der bewölkte blaue Himmel, aber wir sehen nicht nur hinauf, auf die Bewohner und die Besucher dieses Raumes wird auch herab geschaut. 

Einen Kontrapunkt setzte dazu das Bild von

-    Jens Lausen, Der künstliche Horizont, 1977.  

Auf den ersten Blick scheint es die Fassade eines modernen Hauses zu zeigen; fotografiert aus der Froschperspektive, so dass man gerade noch am oberen Rand ein Stück blauen Himmels sehen kann. Je länger man hinsieht, desto mehr Fragen wirft das Bild aber auf. Sind die geraden Linien am oberen Rand wirklich gerade abgeschnitten, oder gibt es da eine concave Biegung nach unten, oder ist das nur eine optische Täuschung? Sehen wir Lichter im Haus oder ist das die Spiegelung des gegenüberliegenden Hauses? Kann das gegenüberliegende Haus einen schrägen Schatten werfen? 

Täuschung, optische Täuschung oder die Perspektive, die die Welt angeblich genauso wiedergibt, wie wir sie sehen: Es gibt unendlich viele Möglichkeiten sich oder andere zu täuschen. Anders gedacht, wir können die Welt in vielen verschiedenen Facetten sehen und jede kann ein Stück Realität enthalten oder eine Täuschung sein. Die Ausstellung regt jedenfalls zu einer Menge Überlegungen an.