![]() |
In Modena wird in der Kunstgalerie der BPER Banca die Ausstellung "Psiche allo specchio. Omnia vincit amor" (Psyche im Spiegel. Die Liebe besiegt alles) gezeigt. Sie läuft seit dem 13. September 2024 noch bis zum 9. Februar 2025 und wurde im Rahmen des "Festivals Philosophie" eröffnet, das zu Beginn der Ausstellung in Modena, Carpi und Sassuolo stattgefunden hat und der „Seele“ gewidmet war.
Einen guten Überblick über die Ausstellungsräume und die ausgestellten Bilder findet man hier, wenn man auf dem ersten Bild der Website auf den Button "Alle Fotos anzeigen" klickt. Es gibt auch einen ausführlichen Führer durch die Ausstellung, allerdings auf Italienisch.
Wir haben mit dem Eingangsbild der Ausstellung angefangen, nämlich dem Spiegel. In einer kleinen Kulturgeschichte des Spiegels kann man lesen, dass erst im Empire - also in der Zeit zwischen 1800 und 1815 - figurhohe, bewegliche Standspiegel angefertigt wurden. Sie wurden "Psyché" genannt und machten es erstmals möglich, dass Adelige und sehr reiche Bürgerinnen den Sitz ihrer Kleidung und ihr Aussehen vollständig im Spiegel überprüfen konnten. Solche Spiegel waren damals ein Luxusgut, ein guter Ganzkörperspiegel kostete genauso viel wie eine Kutsche, heißt es auf der oben genannten Website. Wir haben uns eine solche Psyché in einer historischen Aufnahme angeschaut
- Fotografie eines Empire-Toilettespiegels aus Schloss Fontainebleau.
Man konnte den Spiegel vertikal drehen und auch schräg stellen. Berühmt ist das Bild von
- Berthe Morisot, La Psyché, 1876,
das aus einer Zeit stammt, als diese großen Spiegel schon billiger hergestellt werden konnten und auch in bürgerlichen Wohnungen aufgestellt wurden. In der Ausstellung ist ein anderes Bild mit einer solchen Psyché zu sehen
- Federico Zandomeneghi, Die Locke (La Toilette), 1894 - 1905 (wenn man herunterscrollt oder das Bild mit dem Minuszeichen rechts im Bild verkleinert, sieht man das ganze Bild).
Wir haben beide Bilder verglichen: Die junge Frau bei Berthe Morisot prüft offenbar im Spiegel, wie es aussieht, wenn sie ihr weißes Kleid auf ihrer rechten Seite leicht rafft und ihre linke Hüfte dabei ein wenig vorschiebt. Und doch erschien sie zugleich ganz versunken in ihren eigenen Anblick und in sich selbst, so dass in dem Spiegel zugleich ihr Abbild und das ihrer "Seele", ihres inneren und eigentlichen Seins vor ihr selbst und vor uns erscheint. Auch bei dem italienischen Maler ist die Frau vor dem Spiegel mit sich selbst beschäftigt, allerdings verrät er uns nichts über ihr Spiegelbild, ihre "Psyché". So ermöglichen "Spiegelbilder" auch Spekulationen über die Natur der Gefühle und es kann sich, wie es im Katalog heißt, ein Spiel „mit Worten und ihren vielfältigen Bedeutungen, wie Spiegel, Seele, Atem und mit den Symbolen der klassischen Ikonographie, wie dem Schmetterling“ ergeben. Dabei kann der Spiegel metaphorisch auch als eine Schwelle angesehen werden, die überschritten werden muss. In diesem Sinne wird Jean Cocteau mit dem Satz zitiert: "Spiegel sollten besser etwas mehr nachdenken, bevor sie die Bilder zurückwerfen."
Zu der Verbindung von Spiegel und Seele ist in der Ausstellung das Thema der Liebe, also von Amor und Psyche hinzugenommen worden. Der Mythos von Amor und Psyche ist in Metamorphosen des Apuleius überliefert. In Kurzfassung: Psyche ist die jüngste von drei Königstöchtern. Sie ist außerordentlich schön und wird deshalb als neue Venus verehrt. Die Göttin ist darüber verärgert und befielt ihrem Sohn Amor dafür zu sorgen, dass Psyche sich in einen häßlichen Mann verliebt. Der verliebt sich aber selbst in Psyche. Weil der Vater keinen Ehemann für Psyche findet, fragt er das Orakel des Apollo, was er tun soll, und erhält die Antwort, dass er seine Tochter zu einer Hochzeit mit einem Ungeheuer auf einem Berggipfel aussetzen soll. Dort angekommen, schläft Psyche ein und wacht auf einer Blumenwiese wieder auf, wo sie in der Nähe ein Schloss findet. Dort kommt nachts Amor zu ihr und entjungfert sie. Psyche gewinnt den Fremden lieb und wird von ihm schwanger. Allerdings schärft er ihr ein, dass sie ihn nie zu sehen bekommen darf. Als Psyches ältere Schwestern nach ihr rufen, erlaubt Amor ihr sie zu sich zu holen. Doch die Schwestern behaupten, dass Psyches Mann ein Drache sei und sie und ihr Kind verschlingen werde. Sie soll ihn nachts im Schlaf mit einem Messer töten. Psyche beugt sich mit einer Öllampe über ihn, erkennt seine Schönheit, sticht sich aber an einem seiner Pfeile und lässt dabei ein heißen Öltropfen auf Amors Schulters tropfen. Der erschrockene Amor verlässt sie und zieht sich in den Palast seiner Mutter zurück. Psyche sucht nach ihm und kommt schließlich zu Venus, die ihr vier unmögliche Aufgaben stellt, von denen sie drei erfüllen kann. Als letztes soll sie aus der Unterwelt eine Büchse mit Schönheitssalbe holen. Als sie die Büchse öffnet, fällt sie in einen Todesschlaf. Amor aber sucht sie und kann sie durch einen Stich mit seinem Pfeil erwecken. Auf seine Bitten wird Psyche von Jupiter zur Göttin erhoben, so dass sie zusammenleben können. Nach der Hochzeit bringt Psyche eine Tochter namens „Hedone“ (gr. Freude, Lust, Wollust) „zur Welt“.
![]() |
Amor und Psyche, Museo Torlonia, Rom Inv. Nr. 174 Quelle |
- Amor und Psyche, griechisch-römisch, 1-2. Jh. v. Chr.,
die uns durch die Zartheit überraschte, mit der sich das liebende Paar umarmt und einander dabei tief in die Augen blickt. (Leider habe ich von dieser Figurengruppe kein neueres Bild gefunden und selbst die Onlinesammlung des Museo Torlonia, das sie 1885 noch besaß, bietet keinen Hinweis auf sie.)
Ganz anders wird Amor im 17. Jahrhundert dargestellt, wenn er als unschuldig schlafendes Kleinkind auf roten Samtpolstern liegt:
- Guido Reni (1575 - 1642), Schlafender Amor.
Uns fielen die roten Haare, aber auch die merkwürdige Haltung auf, die in der Realität kaum zu finden sein dürfte. Denn der mit offenem Mund und geschlossenen Augen ganz offensichtlich schon tief schlafende Knabe stützt sich noch auf seinen rechten Arm auf.
Viel stärker beeindruckte uns dann das Bild von
- Giuseppe Maria Crespi, Amore e Psiche, 1707.
Schon das starke Hell-Dunkel erweckt Spannung beim Betrachten. Der untere Teil des Bildes wird ganz von einem weiß leuchtenden Laken mit aufgewühltem Faltenwurf eingenommen. Darauf fällt als erstes das nackte männliche Bein im Vordergrund links und der von der Seite gesehene nackte weibliche Oberkörper auf der rechten Seite ins Auge. Dann wird die Linie deutlich, die von dem Bein links zu dem weiblichen Unterschenkel rechts führt, während der weibliche Oberkörper ein Gegenüber in dem hell aufleuchtenden Flügel an der rechten Schulter Amors hat. Dieser schreckt gerade aus dem Schlaf auf und hat seinen Oberkörper erhoben, während er seinen rechten Arm abwehrend Psyche entgegenstreckt. Auf gleicher Höhe mit seiner warnend erhobenen Hand sieht man Psyches beleuchtete Finger, die das gefährliche Öllämpchen halten. Mit der anderen Hand lüftet sie einen goldgelben Vorhang, der sie von Amor trennt. Hinter Amor bilden Köcher und Bogen eine unterstützende Linie zu der Abwehrhaltung des Armes. Man kann die Überraschung Psyches über den Anblick Amors in ihrem halb vom Betrachter abgewendeten Gesicht erkennen. Amors Kopf dagegen wird fast vom dunklen Hintergrund verschluckt. Erst wenn man das Bild stark vergrößert, erkennt man, dass auch sein Gesichtsausdruck Schrecken und Überraschung erkennen lassen.
Ganz anders hat dagegen am Ende des 18. Jahrhunderts ein französicher Maler eine Szene aus dem Mythos dargestellt:
- Francois Gérard, Psyche und Amor, auch bekannt als Psyche erhält Amors ersten Kuss, 1798
Von dem Maler heißt es auf Wikipedia, dass er den neoklassizistischen Stil seines Lehrmeisters Jacques-Louis David übernahm, ihn aber um eine träumerische Note bereicherte. Wir fanden die Haltung des Paares zwar ähnlich wie bei der anfangs betrachteten antiken Gruppe, doch gleichzeitig wirkte sie auf uns von Seiten Amors viel besitzergreifender, während Psyche in ihrer fast ängstlichen Sitzhaltung zwar körperlich anwesend, zugleich aber seelisch ganz und gar abwesend auf uns wirkte.
In dem Bild von
- Antoon van Dyck, Amor und Psyche, 1638 - 1640
ist die Szene dargestellt, in der Amor Psyche tot am Boden liegend findet und auf sie zustürzt um sie zu retten. Deutlich wurde uns, dass hier mit der fast diagonalen Teilung des Bildes die Szene sozusagen gedoppelt wird. Auf der linken Seite stellt der Maler den Tod in Gestalt der auf den Felsen hingestreckten nackten Psyche und das Leben in Form des hinzu eilenden geflügelten Retters dar. Auf der rechten Seite wird der Tod in den beiden zum Himmel gestreckten Äste eines abgestorbenen Baumes wiederholt und ein großer belaubter Baum steht neben ihm in voller Lebenskraft.
Zum Schluss haben wir einige Bilder aus der Illustration des Mythos von Max Klinger aus dem Ende des 19. Jahrhundert betrachtet. Die ganze Folge findet man hier.
Wir haben angefangen mit dem Bild
- Max Klinger, Psyche verlassen, 1880 (ein größeres Bild findet man in diesem PDF, wenn man zu "Foglio 22" hinunterscrollt).
Psyche wird dort nackt in Rückenansicht dargestellt, wie sie unter einem hohen Baum am Ufer steht und mit aufgehobenen Armen in die Ferne über das Meer blickt. Auf der linken Seite steht neben dem Baum eine Bank und daneben eine Herme, ein Pfeiler, auf dem ein Kopf mit Schultern sitzt. Benannt ist sie nach dem Gott Hermes, dem Gott der Diebe und Kaufleute aber auch dem antiken Totengeleiter. Aufgestellt wurden Hermen in der Antike um Wege zu markieren.
Ganz kurz haben wir auch noch die folgenden Blätter des PDFs angeschaut, aber die Zeit reichte mal wieder nicht mehr für alles, was wir gern noch besprochen hätten...