Freitag, 4. Dezember 2020

Kulata Tjuta (viele Speere) - Kunst von australischen Ureinwohnern

 Im Museum der schönen Künste in Rennes (Bretagne) ist bis zum 3. Januar 2021 die Ausstellung "Kulata tjuta" zu sehen, in der Werke australischer Ureinwohner gezeigt werden, die man sonst in Europa kaum findet. Der Name leitet sich von einer Initiative ab, die das kulturelle Erbe dadurch erhalten will, dass Aṉangu-Älteste jungen Männern beibringen Speere zu machen. 34 zeitgnössische Künstlerinnen und Künstler sind in der Ausstellung vertreten.

Eigentlich sollte eine Installation von Speeren mit demselben Namen das Zentrum der Ausstellung bilden, aber die Pandemie änderte die Pläne der australischen Galerie, so dass in Rennes jetzt hauptsächlich Bilder zu sehen sind. Wir aber konnten uns natürlich diese Installation im Internet ansehen:

- Kulata Tjuta /Speerinstallation (Holz, Spinifexhars, Kängeruh-Sehne und DVD mit Geräuschen) (Wenn man auf das Bild klickt, bekommt man eine vergrößerbare Ansicht!)

Wir haben über die Größe der Installation gerätselt und sie an den Fußbodenfliesen festgemacht. Natürlich waren wir fasziniert von dem Schattenspiel der Speere, die wir auch einzeln noch mal näher betrachtet haben, wobei klar wurde, dass jeder Speer auf seine eigene Art gearbeitet worden ist. Gerätselt haben wir über die Schalen am Boden: Holz oder Rinde? Was hat die weiße Farbe für eine Bedeutung? Wofür sind sie gut? Wir haben keine Antworten gefunden.

 Als nächstes Bild kam:

- Maringka Baker, Kuru Ala, 2007 (Vergrößerung mit Klick auf das Bild)

Kuru Ala , ist eine Darstellung einer heiligen Frauenstätte in der Nähe von Tjuntjuntjara , die mit der Schöpfungsgeschichte der sieben Schwestern ( in Pitjantjatjara Kungkarrakalpa genannt ) in Verbindung gebracht wird. Maringka Baker - https://de.qaz.wiki/wiki/Maringka_Baker

Im Wikipedia ist zu lesen, dass Kuru Ala die Darstellung einer heiligen Frauenstätte in der Nähe von Tjuntjuntjara ist, die mit der Schöpfungsgeschichte der sieben Schwestern in Verbindung gebracht wird. Auf der Website des Bildes heißt es: "Dies ist Kuru Ala. Dies sind überall Bäche und Felslöcher und viele Bäume. Es gibt Puli (Felsen) und Apu (felsige Hügel). Dies ist Minyma Tjuta Tjukurrpa (Schöpfungsgeschichte der sieben Schwestern)." 

Diese Schöpfungsgeschichte bezieht sich auf die Sternbilder der Plejaden (Frauen) und des Orion (Alter Mann). Sie erzählt von sieben jungen Frauen, die von einem alten Mann namens Wati Nyiru über den Himmel verfolgt werden. Wati Nyiru sucht eine Frau und versucht, die Schwestern zu betrügen, indem er mehrere Verkleidungen annimmt. Die Schwestern verstecken sich in einer Höhle und Wati Nyiru versucht, ihren Ausgang zu blockieren, aber ohne Erfolg - sie fliehen durch einen Tunnel. Wati Nyiru ist verärgert über sein erfolgloses Streben nach den Schwestern und "singt" oder macht eine der Schwestern durch Zauberei krank. Die Schwestern tragen die Tote zum Himmel, wo sie alle zu Sternen werden, die die Sternbilder der Plejaden bilden. Wati Nyiru verwandelt sich in Orion, einen einsamen Stern, der den Schwestern ständig folgt.

Diese Geschichte in dem Bild zu sehen, fiel uns schwer. Bäche und Felslöcher konnten wir schon eher in die Linien und Kreise hinein interpretieren. 

Von Nyunmiti Burton haben wir zwei Bilder angesehen, zum einen ein einzelnes Gemälde:

 - Nyunmiti Burton, Bild ohne Namen

zum anderen ein Foto, dass die Künstlerin mit zwei Werken in der australischen Landschaft zeigt:

- Nyunmiti Burton mit zwei Gemälden,

wobei uns die Größe der Bilder und ihre farbliche Nähe zu der Landschaft frappierte. 

Eine kleine Hilfe für die Interpretation der Bilder gibt übrigens das Museum in Rennes mit einem PDF, das für Kinder gedacht ist. Striche zwischen Kreisen können danach als Etappen oder Haltepunkte auf einem Weg gesehen werden, Pfeile von oben nach unten als Emu-Spuren, geschlängelte Linien als Abdruck von Schlangen, ein U als Zeichen für Mann oder Frau, ein Kreis in zwei größeren Kreisen als Wassertropfen, zwei solche Kreise mit geschlängelten Linien dazwischen als fließendes Wasser, vier U-Formen um einen Mittelpunkt als sitzende Frauen.

- Wawiriya Burton, Ngayuku Mamaku Ngura, 2011

Zu diesem Bild heißt es, dass Burton hier die Geschichte des Landes ihres Vaters in der Nähe von Pipalyatjara, westlich von Amata, erzählt. Es zeigt Minima Mingkiri Tjuta - was viele kleine weibliche Säugetiere bedeutet. Diese Mingkiri sind schwanger und bringen viele Babys zur Welt. Dann reisen sie zu den umliegenden Felslöchern auf der Suche nach Nahrung und Wasser, um ihre Jungen zu ernähren. Die gepunkteten Linien sind Mingkiri-Spuren. Wir waren fasziniert von der Farbigkeit dieses Bildes und haben auch die Wasserlöcher identifiziert, mehr aber nicht....

- Betty Chimney & Raylene Walatinna, Nganampa Ngura (Mein Land) 
 
Die Linien und Punkte dieses Bildes haben wir etwas ausführlicher verfolgt und sind dabei auf immer neue Linienführungen, Unterbrechungen, Neuansätze und Überschneidungen gekommen. Je länger und genauer wir hinsahen, desto interessanter wurde es, die Wege zu verfolgen, die die Pinsel mit ihren Punkten auf der Fläche genommen haben. Und zumindestens ich hatte das Gefühl diesem Land irgendwie näher zu kommen und es besser zu verstehen!

- Manyitjanu Lennon, Ngayuku ngura, 2017
 
Laut der Beschreibung malt Manyitjanu Lennon oft das Land ihrer Mutter westlich von Kaltjiti und südlich von Watarru in Südaustralien. Sie sagt dazu: Es „ist weit weg. Es ist über die andere Seite der Sanddünen vorbei an Tipilnga, einem Ort, an dem viele weiße Bäume wachsen. Dies ist der Ort, an den Frauen kamen, die in den weißen Marmor-Gummi auf der Sanddüne südlich von Watarru verwandelt wurden - dies ist eine Tjukurpa-Geschichte. Dies ist also Mamungari’nya, wo viele kleine Eukalyptussetzlinge und Emu-Büsche wachsen. Dies ist ein Ort mit Tonpfannen und ein Ort für Frauen." Was Marmor-Gummi ist, haben wir leider nicht verstanden. Aber Sanddünen mit Steinen, Löcher im Boden und fließende Linien glauben wir erkannt zu haben. Was seht Ihr, liebe Leserinnen und Leser in dem Bild?

- Peter Mungkuri, Ngayuku ngura, 2018
 
Auch Männer malen ihr Land, aber sie sehen es anscheinend anders. Wir haben in dem Bild Bäume gesehen und verstanden, dass es nicht darum geht, wie in der westlichen Kultur perspektivisch zu malen, sondern dass offenbar andere Abläufe die Darstellung bestimmen. Man könnte sie drehen und wenden und hätte dabei immer wieder ein richtiges Bild (unsere Bilder würden wir damit auf den Kopf stellen.) Und natürlich haben wir auch gesehen, dass dieses Bild nicht so kräftig ist in den Farben, wie die anderen.

Spaß gemacht hat uns dann

 - Lena Yarinkura, Ngalmudj (Regenbogenschlange), 2016

Es heißt, dass diese Schlange in den Billabongs, Bächen und Wasserlöchern des Arnhem-Landes, lebt. Sie ist mit Schöpfungs- und Zerstörungshandlungen verbunden, kann männlich oder weiblich sein und ihre Stimme ist das Geräusch des Wassers. Damit ist sie mit dem Kommen der Regenzeit verbunden. Zugleich aber mit Leben und Tod, denn sie kann ihre Haut abwerfen und wiedergeboren werden. Wenn Sturm kommt, dann kommt sie aus dem Boden und man kann sie als Regenbogen sehen. 

Diese Schlange ist mehr als zwei Meter hoch und hat eine Mähne aus weißen, grünen und orangefarbenen Federn. Die leuchtend grünen Federn an Kopf sind Algen, die sich in Wasserlöchern bilden. Aus ihrem Kopf ragt ein Satz gebündelter und gebundener Papierrindenhörner heraus, mit denen unterirdische Tunnel zwischen heiligen Stätten gegraben werden. 

Auf derselben Seite sind ganz unten noch weitere Plastiken von Lena Yarinkura zu sehen. Da hatte jeder von uns so seine Lieblinge...   

Als letztes haben wir das Bild von 

- Betty Muffler, Ngangkari Ngura (Heilungsplatz), 2020

angesehen. Die Künstlerin wurde im abgelegenen Buschgebiet nahe der Grenze zwischen Süd- und Westaustralien geboren. Sie stammt aus einer Heilerfamilie (Ngangkari = traditionelle Heiler) und reiste als Heilerin mit einem Esel durch die zentrale Wüste Australiens um andere Heiler zu unterstützen. Sie arbeitet noch immer für Kliniken auf dem Land, die ihrem Volk helfen. 

Ihre Bilder unterstreichen ihre Ehrfurcht vor dem Land und den heiligen Stätten. Zu dem Bild sagt sie: "Dies ist mein Land, Yalungu, südlich von Watarru, ... . Es ist ein Ort, an dem die Emus am Wasserloch trinken. Die Emus haben diesen Unterschlupf in Yalungu gemacht, ... Darüber befindet sich ein Felsschutz, und darunter befindet sich ein guter Boden für die Emus. Meine Bilder handeln von Ngangkari (traditionellen Heilern / Heilpraktiken) und Orten, die mit Heilung zusammenhängen. Ich habe Felslöcher gemalt und das Wasser fließt durch die Landschaft, genau wie die Energie, die durch Menschen und Orte fließt - es ist für die meisten Menschen unsichtbar, aber eine Ngangkari kann Geister sehen und viel unterschiedliche Energie fühlen.

Ein Werk der Künstlerin und Heilerin erschien in diesem Jahr der Pandemie übrigens als Titelbild der Vogue.