Neujahrsgruß (Quelle) |
Anscheinend gab es schon im alten Ägyten schriftliche Neujahrsgrüße. Aus römischer Zeit ist die Neujahrsgabe in Form einer kleinen, tönernen oder bronzenen
- Öllampe, mit der Beschriftung "Annum novum faustum felicem" (Gesegnetes und glückliches neues Jahr)
erhalten. Kommt nicht auch für uns Christen mit Weihnachten das Licht auf die Welt (bzw. auch wir erleben mit dem 21. Dezember die Wintersonnenwende, nach der das Licht wieder aufsteigt)? Die Verbindung zu einer kleinen Lampe ist also wirklich sinnfällig.
Den Wunsch, das neue Jahr möge gut werden, findet man dann im 15. Jahrhundert in Einblattdrucken mit meistens religiösen Motiven wieder. Angesehen haben wir uns diesen
- Einblattdruck mit einem Schiff,
bei dem der gekrönte Schwan ins Auge fiel, aber dann auch die Hansekogge mit Anker und geschwelltem Segel, die sozusagen direkt in das Neue Jahr segelt, was man an der schmalen Fahne oben am Mast und auf dem Segel dann auch lesen kann.
Ganz anders der
- Druck mit Jesuskind mit einem Vogel (dazu gibt es auch diesen Link aus der Pinakothek der Moderne in München)
Es sitzt auf einem Damastkissen in einem Blumengarten und hält einen Papagei in den Händen. Wirklich ein Papagei? Ich habe in dem einzigen Buch, das es über diese alten Neujahrsgrüße gibt, gelesen: "Der Vogel, den das Kind streichelt und der in vielen anderen Stichen dargestellt ist, ist ... kein Papagei, sondern ein Kuckuck. Ihm gab der Volksglaube große prophetische Kraft. Fast überall finden wir den Glauben, dass wir noch so viele Jahre zu leben haben, wie der erste Kuckuck, der im Frühling gehört wurde, seinen monotonen Schrei viele Male wiederholte." (Ich kenne den Brauch, dass man auf seine Tasche klopft, in der man Geld hat, weil er voraussagt, wieviel man davon besitzen wird.) Das passt eigentlich besser zum Bild oder? Und der Vogel auf dem Koffer mit den Inschriftbändern? Er trägt einen Heiligenschein wie das Jesuskind, könnte also der heilige Geist sein. In Form einer Taube ohne Heiligenschein fliegt er noch einmal über das Bild und könnte dort eher eine Friedenstaube symbolisieren, die den Neujahrswunsch durch die Luft zieht. Links vom Kind, dann noch eine Weltkugel und darunter Hasen, möglicherweise als Symbole der Fruchtbarkeit. Und das Kind selbst, der "holde Knabe im lockigen Haar", warum ist seine Brust so betont? Wir haben es nicht ergründet.
Übrigens heißt es dazu in einem Beitrag in der Gartenlaube (um den ganzen Artikel zu lesen, einfach im Link die Nummer 882 in 883 und 884 ändern), dass Klöster, Bruder- und Körperschaften bis in das 18. Jh. ihre teils kolorierten Neujahrsblättchen mit religiösen Motiven (meist das Christkind) in Holzschnitt oder Kupferstich verteilten und dazu wird ein Bericht aus 16. Jh. zitiert:
„Zum 1. Januar zur Zeit, wo das Jahr und alle unsere Zeitrechnung beginnt, besucht der Verwandte den Verwandten, der Freund den Freund; sie reichen sich die Hände und wünschen sich glückliches Nenjahr und feiern dann diesen Tag mit festlichen Glückwünschen und Trinkgelagen. Nach althergebrachter Gewohnheit macht man sich auch gegenseitig Geschenke.“
Ein großer Schritt hinüber ins 18. Jahrhundert folgte:
- Molitor, Gratulations-Gedicht für Neujahr 1755
Die Lateiner waren gefragt und übersetzten die Zeilen aus Ovid: "Wenn auch die Kräfte fehlen, so ist dennoch der Wille zu loben, ich denke die Götter werden damit zufrieden sein". Den Rest konnten wir leicht lesen, auch wenn er in zwei verschiedenen Schriftarten verfasst ist und wir uns fragten, ob die Großbuchstaben in Antiqua möglicherweise zusammengezogen noch eine weitere Botschaft enthalten. Wir konnten aber keinen Sinn finden.
Das führte zu dem Druck mit einem langen Neujahrsgedicht auf das Jahr 1719
- Johann Jakob Krawaten, Neu=Jahr=Wunsch, Nürnberg 1719,
dessen Bild sozusagen gelesen werden muss, denn es enthält eine ganze Menge Text, die man auf den ersten Blick kaum erkennt (Tipp: stark vergrößern mit Strg und + tasten). Die Männer mit Turbanen (Heilige drei Könige oder doch eher Türken?) tragen ein Buch mit dem Titel "Friede" und aus ihren Mündern kommt die Schrift "Friede". Über ihnen geht links oben der Mond auf und auf dem Schriftband wird nochmal der Friede gelobt "Mond geht schön durch Friede auf". In der Mitte steht eine männliche Figur mit Peitsche und Stecken, darüber die Drohung "Jeden wie ers verdient", rechts über dem Schiff, das möglicherweise am Ufer zerschellt (?) erscheint die Sonne im Torbogen mit dem nicht ganz zu entziffernden Text "Hier kommt die Rach den falschen ...". Der lange Text darunter enthält jede Menge Hinweise auf Frieden und Segenswünsche für alle möglichen Personengruppen.
Weiter ging's zu den sogenannten Heischezetteln; Neujahrsblättern aus dem 17. bis 19. Jahrhundert mit Bildschmuck, die auch als Wandschmuck verwendet wurden. Darauf bitten die abgebildeten Dienstleute - "Nachtwächter, Zeitungsboten, Barbiere, Laternanzünder, Zettelträger, Theaterdiener und andere Dienstleistungsberufe" um Trinkgelder oder andere Unterstützungen. Diese Blätter wurden am Neujahrstag persönlich überreicht, wofür eine Gegengabe erwartet wurde:
- Christoph Weiss, Neujahrswunsch, 1771
Das Schöne an diesem Blatt war für uns, dass der Austräger selbst sowohl bildlich wie textlich dargestellt ist, als "Wohl-Erlich bekannter, kurz und dick gewachsener, ... klein doch groß bauchicher... um das Trinkgeld durstiger ... Zetteltrager..."
Anders dagegen die Neujahrblätter von Künstlern:
- J. Bergler, Neujahrswünsche für 1807,
Dass die beiden Knaben damit beschäftigt sind, die Jahreszahl 1806 auszulöschen und 1807 darüber zu schreiben, sieht man auf den ersten Blick, aber was soll der kleine Affe links oben mit dem auf dem Kopf stehenden Text, den er doch nicht lesen kann? Er führt den Neujahrsgedanken ad absurdum mit "Es gehet imer so Fort."
Weniger "hinterhältig" ist das Blatt von
- Johann Adam Klein, ZUM NEUEN JAHR 1820.
Der alte Baum (Olive?) trägt junge Zweige, das kleine Mädchen an seinem Stamm ruht sich aus, während es die Kiepe mit dem kleinen Kind an den Baum lehnt. Natürlich kann man hier Altes und Junges, Altes Jahr und Neues Jahr hineininterpretieren, wenn man will.
Eine andere Form der Glückwünsche zum Neuen Jahr sind die Neujahrslieder, die schön geschrieben mit Noten versehen und mit einem grafischem Deckblatt verbunden worden sind. Sie wurden von Max Friedländer gesammelt und kommentiert. Herausgesucht habe ich nur eines, dessen Bild wieder auf das Schiff und damit die Lebensfahrt Bezug nimmt:
- Die Schiffahrt des Lebens - ein musicalischer Neujahrswunsch
Wer Lust hat kann natürlich in dem schönen Buch von Max Friedländer weiterblättern und sich an den Melodien, Texten und Bildern erfreuen. Solche Neujahrslieder, die herzliche Wünsche in Verse kleiden, sind im 18. Jahrhundert in Mode gekommen.
Eine weitere inzwischen unbekannte Sitte waren die Neujahrsentschuldigungskarten. Sie befreiten von der lästigen Pflicht, allen Verwandten, Bekannten, Kollegen, Vorgesetzten usw. Neujahrsglückwünsche zu übermitteln - was lange persönlich durch einen Hausbesuch bzw. die Abgabe der Visitenkarte geschah. Die Neujahrsentschuldigungskarte verbreitete sich in der Österreichisch-Ungarischen Monarchie und in Bayern seit 1814. Der Brauch hielt sich bis in die 1930er Jahre.
- J. Führich, Die heilige Christnacht, Prag 1834.
Die Umschrift lautet: „Ehre sei Gott in der Höhe – Und Friede auf
Erden den Menschen, die eines guten Willens sind.“ Aber das ist doch eine Weihnachtsdarstellung, kam der Einwand, wieso also Neujahrsentschuldigung? Das wird so erklärt: Solche Bilder konnte man bei der Gemeinde kaufen. Üblich war nicht nur den Kartenpreis zu zahlen, sondern eine Spende für die Armen dazu zu geben. Die Namen derer, die gekauft hatten und die Höhe ihrer Spenden wurden veröffentlicht. Das war eine Prestigeangelegenheit! Die Gelder flossen in die Armenkasse, meist zum Holzankauf.
Und damit waren wir bei den Weihnachtskarten. Die gibt es nämlich noch gar nicht so lange. Als erste kommerziell produzierte gilt
- John Callcott Horsley, Weihnachtskarte 1843.
Würde man heute auch nicht unbedingt für eine Weihnachtskarte halten oder? Und was war das mit den toten Rotkehlchen aus der viktorianischen Epoche?
- Weihnachtskarten mit toten Rotkehlchen
Im englischen Text heißt es, dass die Karten möglicherweise Mitgefühl hervorrufen sollten und sich auf Geschichten von armen Kindern beziehen könnten, die zu Weihnachten erfrieren. So muss das Bild aber nicht unbedingt interpretiert werden. Anscheinend war das Töten eines Zaunkönigs oder Rotkehlchens einst ein Glücksritual, das Ende Dezember durchgeführt wurde. Auf Wikipedia kann man außerdem zum Lied "Who killed Cock Robin" lesen, dass nach keltischen Traditionen Lugh, der Sonnengott, der stirbt, wenn die Nächte nach der Sommersonnenwende länger werden, durch Pfeil und Bogen symbolisiert wird. Lugh war der Hauptgott der roten Sonne und wurde auf Walisisch auch als „Coch Rhi Ben“ bezeichnet, anglisiert auf „Cock Robin“ (Coch bedeutet rot und Ben bedeutet Anführer - eine Anspielung auf den Glauben, dass Seelen nach dem Tod Vögel wurden). Der Spatz, der ihn mit „meinem Pfeil und Bogen“ tötet, repräsentiert Brân den Seligen - den Gott des Winters in Form eines Raben. Das tote Rotkehlchen würde dann das Ende des alten Jahres symbolisieren.
Mit einer letzten Neujahrskarte wünsche ich allen Kunstsurfer*innen und den Freunden und Freundinnen dieses Blogs ein gutes neues Jahr und wünsche uns allen, dass wir bald wieder so feiern können, wie auf diesem Bild.