Sonntag, 7. Februar 2021

Femme Fatale - Die verhängisvolle Frau

Mata Hari, Schleiertanz (Quelle s.u.)
  
Auf die erste Frage, an welche gefährlichen Frauen KunstsurferInnen sich spontan erinnern, fiel sofort der Name "Mata Hari" und auch "Rosemarie Nitribit", über die gerade ein Film im Fernsehen lief, wurde genannt. Assoziationen tauchten auf wie: verführerisch und aufregend, aber auch Spionage und Prostituion. 

Das Motiv der schönen Verführin ist alt. Im Digitorial des Städel-Museums in Frankfurt zum Thema "Geschlechterkampf" heißt es dazu, dass seit Jahrtausenden von der männlichen Angst vor der Macht der Frauen erzählt wird. Pandora, Medusa oder die Sirenen, Eva, Judith oder Delila werden dort genannt. Alles Frauen, die Männern Tod, Verderben und Schmerz gebracht haben. Der Text des Digitorials fährt fort: "Diese Furcht ist im 19. Jahrhundert besonders aktuell: Die bis dahin gültigen Identitätsmuster von Mann und Frau werden infrage gestellt und jahrhundertealte Rollenfestlegungen und Geschlechterverhältnisse in ihren Grundfesten erschüttert. Diese Sorgen vor den Folgen der weiblichen Emanzipation werden auch künstlerisch aufgegriffen."

Einige Beispiele solcher dämonischen Verführerinnen sind also im Text schon genannt, weitere sollen hier kurz folgen: In der Bibel spielen Herodias, Potifars Weib, und Delila eine grausame Rolle, aus der Antike kennt man neben den schon genannten Frauen auch Helena, Circe oder aus lateinischer Zeit die Pharaonin Kleopatra. Im Mittelalter entstanden die Lieder von der Nixe Melusine. In der Literatur der frühen Neuzeit erscheint Semiramis, die Königin von Babylon, die ihren Gatten ermordet und an seiner Statt regiert. Im 18. Jahrhunderts erzählt Friedrich Laun von der "Totenbraut" und später dichtet Heinrich Heine das Lied von der gefährlichen Loreley.

Wie werden diese Frauen am Ende des 19. Jahrhunderts dargestellt? Wir haben uns als erstes Kleopatra gewidmet. Literarisch begann die Kleopatra-Rezeption schon 1360 mit Giovanni Boccaccios "De claris mulieribus", 1606/07 folgte dann Shakespeares Drama "Antonius und Kleopatra", im 18. Jahrhundert entwarf Sarah Fielding mit "Lives of Cleopatra and Octavia" (1757) sogar schon eine Doppelbiographie mit dem Gegensatz zwischen der „Femme Fatale“ und der unterwürfigen Ehefrau. Gemalt wurde besonders häufig der Suizid Kleopatras.

Wie stellt nun Hans Makart den Tod der Kleopatra dar?

- Hans Makart, Tod der Kleopatra (1874/75)  

Als erstes fiel uns die Üppigkeit der Darstellung mit ihrer an Rembrand erinnernden Lichtführung und dem auffälligen Hell-Dunkel-Gegensatz auf, der das Bild diagonal durchläuft und sich im rechten unteren Bereich noch einmal mit einem anderen "Lichtstreifen" kreuzt. Dann war der elfenbeinfarbene nackte Körper der auf die Kissen "hingegossenen" Frau Thema, wobei der Gegensatz zu den dunkleren Beinen und zu den beiden dunklen Körpern ihrer Begleitfiguren hervorgehoben wurde. Und ja, was ist eigentlich mit diesen beiden Frauen? Eine liegt im Vordergrund wie tot am Boden (die Tätowierung auf Brust und Arm muss sie um 1900 sehr exotisch gemacht haben!). Die andere hockt zusammengesunken, das Gesicht in den Händen verborgen, hinter der Liege, während Kleoptra die Schlange an ihre Brust hält und pathetisch zum Himmel aufblickt.

Welch ein Unterschied zu dem wesentlich früheren Bild von 

- Guido Cagnaci, Tod der Kleopatra (1661-2)  

Die halbnackte junge Frau, die - schon von der Schlange in den Arm gebissen - in ihrem Sessel zusammensinkt, wurde als schön angesehen und damit wurde im Grunde der Gegensatz zu der leicht schwülen Darstellung Makarts benannt. Die Dienerinnen um sie herum sind bewegt, besorgt und traurig. Der Maler hat das Bild genutzt um verschiedene Gefühlszustände darzustellen und weckt damit zugleich das Mitgefühl des Betrachters. Diese Kleoptra scheint nur für sich selbst eine Gefahr darzustellen, eine Femme Fatale ist sie nicht.

Noch einmal anders und für uns merkwürdig unproportioniert ist dann dann Bild eines anonymen Künstlers 

- Anonym, Tod der Kleopatra, Frankreich 16. Jh., 

Hier wurde angemerkt, dass der Künstler möglicherweise kein weibliches Modell für seine Darstellung hatte und deswegen auf den Akt eines männlichen Körpers zurückgriff, dem er einen Frauenkopf "aufsetzte". Nicht unwahrcheinlich oder?

Die Schlange spielt auch bei anderen Darstellungen von gefährlichen Frauen eine wichtige Rolle. Besonders eindrucksvoll hat sie der folgende Künstler gemalt:

- John Collier, Lilith (1892) 

Lilith ist weniger bekannt als Kleopatra, sie gilt als eine Dämonin und taucht z.B. in Goethes Faust in der Walpurgisnachtszene auf, wo Mephistopheles sie dem Faust als Adams erste Frau vorstellt, deren Haarpracht gefährlich ist. Auch auf John Colliers Gemälde ist sie durch üppige, lange - rote - Locken gekennzeichnet. Auffälliger aber noch ist die Schlange, die sich um ihr rechts Bein geringelt hat, dann ihre Scham verdeckt und an ihrer linken Seite von ihr gehalten hochsteigt, sich über ihre zum Haar erhobene linke Hand windet und den Kopf zutraulich auf ihrer rechten Schulter platziert, während sich Lilith geradezu zärtlich zu diesem hinunterneigt. 

Während bei Lilith der dunkle Hintergrund mit seinen Schlingpflanzen und der zärtliche Umgang mit der gefährlichen Würgeschlange eher verstreckt darauf hindeuten, wie gefährlich sie werden kann, wird dem - männlichen - Betrachter die Gefahr, die von der folgenden Frau ausgeht, ganz offen im Bild signalisiert. Dazu heißt das Bild nur "Sie" und macht mit diesem Titel im Grunde jede Frau zu einer Gefahr!

- Gustav Adolf Mossa, Sie, 1905,   

Diese Nackte sitzt auf einem Berg von nackten, blutigen Männerkörpern und ähnelt in ihrer Haltung sowohl einer Katze, wie einer Sphinx. Ihr Schmuck ist maritalisch: eine Halskette mit Dolch und Pistole, um den Kopf eine goldene Gloriole, die von zwei Raben gehalten wird, die Haare zu einem Nest für drei Totenköpfe aufgesteckt, eine Katze schaut zwischen ihren Beinen anstelle der Scham hervor und dabei blickt sie aus einem Kindergesicht rätselhaft unbewegt auf den Betrachter herab.

Und wie stellen die Künstler um 1900 Eva - den christlichen Prototyp der Frau als Verführerin des Mannes - dar?

- Franz von Stuck, Adam und Eva, um 1920

Wer hält da dem Mann den gefährlich roten Apfel hin? Die Schlange oder Eva? Wie steht Eva überhaupt? Sehr selbstwusst und aufreizend, wirkt ihre Haltung, fanden wir. Und Adam? Sieht er Eva an? Will er den Apfel greifen oder zeigt er auf seine Frau? Wieso kann man von seinem Gesicht fast nichts erkennen? Aber die Schlange ist sehr schööön! Das war auf jeden Fall einhellige Meinung.

Noch verhängnisvoller als die aufreizenden Frauen sind jene, die direkt einem Mann - oder den Männern? - den Tod bringen. Eine der bekanntesten ist Salome, die Tochter der Herodias. Wie war die Geschichte noch gleich? Herodes Antipas verstößt seine Frau, um Herodias - die Frau seines Halbbruders - zu heiraten. Johannes verurteilt das öffentlich. Herodes gefällt das nicht und er lässt Johannes einsperren. Herodias aber will Johannes Tod und dann betört der Schleiertanz von Herodias Tochter Salome betört den Mann ihrer Mutter so sehr, dass er ihr die Erfüllung eines jeden Wunsches verspricht. Angestachelt von der Mutter, verlangt sie das Haupt des Johannes. Im 19. Jahrhundert wird diese biblische Geschichte verändert. Salome erscheint nun als männermordende Femme fatale, die in Oscar Wildes Theaterstück von 1893 aus unerwiderter Liebe selbst den Tod des Johannes verlangt.

- Jean Benner, Salome, um 1899

 Diese Salome erschiene  als harmloses junges Mädchen, wenn da nicht das Tablett wäre, auf dem sie den Kopf des toten Johannes trägt und mit dem sie aus dem Dunkel des Hintergrundes an das Licht tritt.

Wie hintergründig sie hier dargestellt wird, wird vielleicht im Vergleich mit anderen Bildern sinnfällig. Wir haben angeschaut

- Fra Filippo Lippi (um 1406 – 1469), Das Gastmahl des Herodes, Dom von Prato. 

Das Bild erschloss sich uns als Bildergeschichte, die wie im Theater auf einer Bühne stattfindet: In der Mitte sitzt Herodes neben seiner Frau zu Tisch und vor diesem Tisch tanzt die junge Salome in einem weißen Kleid mit wehenden Schleiern; links davon erscheint sie dann - schattenhafter - neben der großen Gestalt des Herodes, der sich von dem Schauspiel links hinter ihm abwendet; dort wird der abgeschlagene Kopf des Johannes zu einem Tablett hingereicht, das Salome mit abgewandten Kopf hält; auf der rechten Seite reicht Salome dann das Tablett mit dem abgeschlagenen Kopf kniend ihrer Mutter, die hinter einem Tisch sitzt. Keine schöne Rolle für das junge Mädchen. Doch verhängnisvoll und männermordend wirkt sie nicht oder?

Stellt man ihr

- Franz von Stuck, Salome, 1906

gegenüber, wird der Wandel der Figur deutlich. Stuck malt eine Frau, die sich ihres Körpers sehr bewusst zu sein scheint und eine besonders aufreizende Haltung einnimmt. Sie ist nur mit einem dünnen Rock, der die Hüften freilässt, bekleidet und trägt kostbaren Schmuck. Hinter ihrem Rücken hebt sich ein gefährlich aussehender schwarzer Diener kaum vom sternenübersäten Hintergrund ab, der das bläulich leuchtende Haupt des Johannes auf einem Tablett präsentiert.

Natürlich gibt es von der Femme Fatale noch unendlich viele andere Bilder anzuschauen, doch dazu reichte die Stunde nicht. Hingewiesen sei aber neben dem oben genannten Digitorial des Städel noch auf die Ausstellung Perversidad, Femmes fatales in modern art / Perversity. Femmes Fatales in Modern Art (1880–1950) von 2019, die man noch im Netz besichtigen kann.

Bildquelle zu Mata Hari: Von Lucien Walery - http://www.bikiniscience.com/, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=1618548)

PS: Und hier kommt ein interessanter Nachtrag von Ute zum Thema "Tod der Kleopatra", es geht um die Plastik der fast vergessenen Amerikanischen Bildhauerin Edmonia Lewis, deren Vater ein freier afrikanischer Amerikaner und dern Mutte ein Mitglied der Ureinwohner vom Stamm der Chippewa/Ojibwa war. Sie schaffte es im 19. Jahrhundert Bildhauerin zu werden und lebte später in Rom. Auf Google Arts & Sculpture kann man mehr über sie erfahren und auch ihre Kleopatra sehen!