Ambrogio Lorenzetti, Der Heilige Nikolaus (By Ambrogio Lorenzetti, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=30190396 |
Laut Wikipedia wurde Nikolaus von Myra zwischen 270 und 286 in Patara geboren und starb am 6. Dezember (man weiß es nicht genau, die möglichen Todesjahre liegen zwischen 326 bis 365 n. Chr.). Auf jeden Fall war er in der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts Bischof von Myra in Lykien (heute Demre in der Türkei), wo er auch beerdigt wurde und wo heute noch eine Nikolauskirche existiert - in der Türkei ist er als Noel Baba bekannt! Italiener brachten seine Gebeine im Jahr 1087 nach Bari - Streitfrage: haben sie die Reliquien geklaut oder vor dem Verderben bewahrt? Dort wurde für sie eine Basilika gebaut und es gibt jedes Jahr im Mai ein Nikolausfest, bei dem seine Statue zum Hafen getragen wird.
Wir haben uns am Anfang erstmal mit den mittelalterlichen Bildern des Heiligen beschäftigt:
- Ambrogio Lorenzetti, Geschichte des Hl. Nikolaus, Tafel mit der Gabe der Mitgift (s.oben), um 1330-40
Auch wenn der Heilige an die linke Bildseite "geklemmt" ist, so fiel uns doch der Goldgrund - also sozusagen die heilige Umgebung - auf, vor dem er sich reckt, um das Fenster zu erreichen, und natürlich seine schöne Kleidung - besonders die blaugoldenen Socken haben es mir angetan. Steckt er einen Goldbarren durch das Fenster? Wacht der Vater gerade auf? Wie schläft der überhaupt, einfach nur über die Truhe gelehnt? Fragen über Fragen, hier aber erst noch mal die Legende, um die es in dem Bild geht: Es heißt, dass ein Vater seinen drei Töchtern keine Mitgift geben konnte und er sie als Prostituierte arbeiten lassen wollte. Nikolaus warf heimlich ein Geldgeschenk - erzählt wird von drei goldenen Kugeln - durchs Fenster oder manchmal heißt es auch durch einen Kamin, so dass diese heiraten konnten.
Im folgenden Bild
- Fra Angelico, Leben des Heiligen Nicolas, um 1437
geht es dann um eine weitere Legende: im Raum auf der linken Seite liegt eine Frau im Bett und davor steht ein nacktes Kleinkind mit Heiligenschein vor einer anderen Frau in einer Waschwanne. Auch wenn man denkt, das Kind müsste schon mindesten ein bis zwei Jahre alt sein, nein! Es ist der neu-geborene Heilige, der das erste Mal gebadet werden soll und gleich aufrecht ohne fremde Hilfe in der Wanne stand! In der Mitte sieht man den jugendlichen Heiligen, der der Predigt eines Bischofs - seines Onkels Nikolaus? - lauscht, während rechts wieder die Mitgiftszene erscheint. Ja, und wir haben uns auch ein wenig um die Darstellung des Raumes, bzw. der Räume gekümmert. Wie war das noch mit der Perspektive?
Dann folgten noch einige andere Bilder der Legende von den drei Jungfrauen, die das Motiv des "Schlafzimmers" auf unterschiedliche Weise gelöst haben:
- Masaccio (1401–1428). Geschichten von St Julian und St. Nicolas
Bei diesem Maler, der die Frührenaissance in Italien begründet hat, ist das Verhältnis zwischen Vater und Töchtern plötzlich umgekehrt. Der Vater schläft auf einer Bettstelle, während die Töchter davor im Sitzen eingenickt sind. Auch der Heilige steht nicht mehr vor Goldgrund, sondern ist in die Realität gerückt.
Da der Heilige Nikolaus besonders von den Seefahrern verehrt wird, gibt es in den Handelsstädten der Hanse häufig Kirchen, die ihm geweiht sind. Als reich gekleideter Bischof ist er auf einem Altar in Brügge dargestellt, hinter ihm sieht man übrigens die Türme dieser Stadt:
- Meister der Legende der Heiligen Lucia (c. 1500), St. Nikolaus-Altar, Brügge
In den seitlichen Bildern erkannten wir oben links das Geschenk an die Jungfrauen - diesmal keine goldenen Kugeln oder Barren, sondern ein Geldregen, den der Heilige als junger Mann in zeitgenössischer Tracht durch das Fenster spendet. Im Bild darunter hilft er dann als prunkvoll gekleideter Bischof seiner Stadt während einer Hungersnot: Es kam nämlich ein Schiff mit Getreide dort an, das für Konstantinopel bestimmt war. Die Seeleute wollten deshalb den Hungernden kein Korn verkaufen. Nikolaus bat sie persönlich um Hilfe und versprach ihnen, dass sie keine Angst haben mussten. Daraufhin gaben sie das Korn her und, als sie an ihrem Bestimmungsort waren, fehlte trotzdem nichts von ihrer Ladung. Auf der rechten Seite befindet sich die Geschichte von der Auferweckung dreier Studenten: Sie wurden in Myra von einem Gastwirt/einem Metzger, bei dem sie übernachteten, getötet, zerstückelt und eingepökelt. Durch einen Engel erfuhr der heilige Nikolaus davon und erweckte die jungen Männer wieder zum Leben. Wir entdeckten im Bild auch die Reisetaschen der drei Jünglinge und das Pökelfass, das noch auf sie wartet.
Vom Anfang des 16. Jahrhundert stammt dann das Bild des flämischen Malers
- Gerard David, Legende vom heiligen Nikolaus, circa 1500-1510
das uns in eine schlichte Schlafstube schauen lässt.
In dem nur in Teilen und an verschiedenen Stellen erhaltenen Altar von
- Gentile da Fabriano, Quaratesi Polyptych
erkannten wir noch einmal wieder die Szene mit dem stehenden Neugeborenen und (wenn man den Pfeil rechts klickt) als folgendes Bild, die Geschenkszene, die hier nicht mehr mitten in der Nacht, sondern sozusagen zur "Zubettgeh-Zeit" spielt und somit dem Maler ermöglicht seine Figuren in ganz unterschiedlichen Haltungen darzustellen. Der Heilige ist übrigens wohl auf einen Wandvorsprung gestiegen und hält sich am Fenstergitter fest, um nicht herunterzufallen! Als nächstes Bild (rechter Pfeil!) folgt dann die Legende der Rettung aus dem Sturm: Das Segel des Schiffes ist schon zerrissen, im Hintergrund dräuen schwarze Wolken und vom Himmel schwebt in einer goldenen Mandorla der heilige Bischof herab, der das Schiff errettet und sicher nach Myra bringen wird. Es folgt dann noch die Auferweckung der drei Jünglinge aus ihren Pökelfässern - wobei uns die Zeichen über dem Durchgang in der Mitte durchaus ins Grübeln brachten! - und ein Bild, dass zeigt, wie Kranke und Pilger zum Grab des Heiligen in die Kirche von Bari kommen.
Die Rettung aus Seenot spielt auch für den Hintergrund des Heiligenporträts von
- Jacopo Tintoretto, Der Heilige Nicolas
eine Rolle. Die Gestalt des Heiligen erscheint in barocker Bewegtheit mit allen seinen Attributen - den drei goldenen Kugeln, dem Bischofsornat und dem Bischofsstab. Er scheint sich direkt dem Sturm entgegen zu stellen und im düsteren Hintergrund kämpft ein Schiff mit den Elementen.
Von hier sind wir noch kurz in das 19. Jahrhundert gewechselt. Der slowenische Maler
- Jurij Šubic (1855–1890), Nikolo, 1890
zeigt eine alpenländische Bauernstube, in die Nikolaus von einem Engel begleitet eingetreten ist, während in der Tür der Krampus eine junge Frau umarmt. Das Bild spiegelt das Nikolaus-Brauchtum, bei dem der Heilige den "guten" Kindern Geschenke, den bösen aber die Rute bringt! Das Trauma, das der Krampus oder auch Knecht Ruprecht auslöste, war so auch eines unserer Gesprächsthemen. Denn noch vor diesem Bild spielt der Nikolaus im Struwwelpeter eine besondere Rolle:
- Heinrich Hoffmann, Struwwelpeter, 1844
Man muss zur Seite 6 herunterscrollen, um den nun gar nicht mehr heiligen und auch nicht als Bischof, sondern eher als Lehrer gekleideten, großen Nikolas zu sehen.
Wie der Nikolaus dann zum Weihnachtsmann wurde, zeigen die Holzstiche des Illustrators Thomas Nast (1840–1902), in dem Magazin
- Harper's Weekly, 3. Januar 1863 (1)
Mitten im amerikanischen Bürgerkrieg ist gerade Santa Clas auf seinem von Hirschen gezogenen Schlitten bei den Soldaten angekommen und verteilt seine Geschenke, während im Hintergrund gefeiert wird. Der "Heilige" trägt ein pelzverbrämtes Kostüm in dem Farben der amerikanischen Flagge und soll dem Belzenickel nachgebildet sein, den Nast aus seiner pfälzischen Heimat kannte.
Finden kann man den Nikolaus dann auch noch einmal in den oberen Ecken des folgenden Bildes, das das Weihnachtsfest im Bürgerkrieg zum Thema hat:
- Harper's Weekly, 3. Januar 1863 (2)
Und die Übernahme dieser Nikolaus-Figur als Weihnachtsmann durch die Firma Coca-Cola kann man hier noch weiter verfolgen.
Und damit wünsche ich allen meinen Lesern und natürlich besonders den Kunstsurfern ein besinnliches Weihnachtsfest und ein gutes Neues Jahr!