Caravaggio, Knabe von Eidechse gebissen Quelle, Caravaggio [Public domain] |
Was also hat Caravaggio gemalt? Wir haben eines seiner frühen Bilder angeschaut:
- Der Knabe, der von einer Eidechse gebissen wird (1594–1596)
Die erste Frage war, wo denn die Eidechse ist, die den Jungen beißt. Tatsächlich kann man sie auf dem Bild erkennen, wenn man es vergrößert, dann sieht man den nach unten gebogenen Mittelfinger der rechten Hand, an dem eine sehr dunkle Eidechse knabbert. Den Schreck des Knaben und seine Haltung fanden wir irgenwie übertrieben und überhaupt, wieso hat er eine Blume im Haar wie ein Mädchen, und dann diese nackte Schulter, die im Licht glänzt. Irgendwie aufreizend oder? Ein zweiter Blick galt dem Stillleben, das sich vor dem Jungen auf dem Tisch ausbreitet. Die verschiedenen Kirschsorten, das Glas, in dem sich das Fenster spiegelt, die Rose, die Oliven und Olivenzweige. Haben sie eine Bedeutung? Laut Wikipedia gibt es mit der Figur des Gottes Apollo, der mit einer Echse dargestellt wird, ein antikes Vorbild (Apollon Sauroktonos), während die Anordnung verschiedener Früchte auf die Vier Temperamente verweist, wobei der Salamander damals als Symbol des Feuers galt. Es heißt da aber auch, dass der Salamander auch eine phallische Konnotation hatte und dazu wird ein Epigramm von Martial (CLXXII Sauroctonos Corinthius) zitiert: "Verschone diese Eidechse, die auf dich zu kriecht, heimtückischer Knabe, sie will zwischen deinen Fingern sterben."
Nachdem uns immerhin schon das ungewöhnliche Hell-Dunkel in diesem Bild aufgefallen war, haben wir es natürlich auch in dem späteren Bild
- Abendmahl in Emmaus, (1601)
gefunden. Die Szene stellt den Augenblick dar, in dem zwei Jünger am Tag nach Christi Auferstehung nach Emmaus gehen, auf dem Weg Jesus begegnen und den Auferstandenen nicht erkennen. „Und es geschah, als er mit ihnen zu Tisch saß, nahm er das Brot, dankte, brach’s und gab’s ihnen. Da wurden ihre Augen geöffnet, und sie erkannten ihn. Und er verschwand vor ihnen“ (Lukas 24:30–31). Die Jakobsmuschel bei dem Mann mit den ausgebreiteten Armen auf der rechten Seite deutet auf Jakobus hin, die Muschel ist als Zeichen des Pilgers sein Symbol. Uns fiel besonders auf, dass seine rechte Hand im Verhältnis zur linken sehr groß geraten ist. Dass der Mann mit dem durchlöcherten Ärmel links sich gerade vor Erstaunen erheben will und uns fast mit dem Ellbogen anzustoßen scheint, erhöht die emotionale Wirkung des Bildes, während das Licht den bartlosen Jesus beleuchtet und den Wirt neben ihm im Schatten stehen lässt. Und ja ein besonderer Blick galt auch dem Tisch und dem Korb mit den Früchten, der im nächsten Moment herunterfallen dürfte.
Ein Vergleich mit einem Bild Hendrick ter Brugghen mit demselben Thema
- Abendmahl in Emmaus (1616)
zeigte uns, wie stark das Bild von Caravaggio gewirkt hat. Denn die Figuren sind in ganz ähnlichen Haltungen und ebenfalls in dem typischen Hell-Dunkel dargestellt. Und doch hatten wir den Eindruck, dass Ter Brugghen etwas anderes gemalt hat, nämlich nicht den Augenblick des Erkennens und Erschreckens, sondern einen kurzen Moment davor...
Ein weiteres Bild von Ter Brugghen zeigt, wie sich bei ihm die Farbpalette aufhellt und auch das Hell-Dunkel einen anderen Duktus annimmt:
- Ter Brugghen, Die Berufung des Hl. Matthäus (1621)
Die Geschichte dahinter ist, dass Jesus einen Mann namens Matthäus am Zoll sitzen sah und ihn auffordert ihm nachzufolgen, was Matthäus auch tat. Als Zöllner gehörte dieser Jünger zu einer verachteten Berufsgruppe, so dass ihn die Berufung zum Jünger sicher überrascht haben muss (Matthäusevangelium, Kap. 9, Vers 9). Die beiden Gruppen von Christus und einem Jünger und Matthäus und Umstehenden sind im Bild durch das Licht klar getrennt. Alles Licht scheint auf den Berufenen, auf den auch die Hände zeigen.
Auch Caravaggio hat ca. 20 Jahre früher das Thema auf die Leinwand gebracht:
- Caravaggio, Berufung des Hl. Matthäus (1599/1600)
Auch bei ihm ist die Überraschung im Bild zu spüren, nur sind es hier die Begleitfiguren, die mit dem Finger auf den Berufenen deuten und die überrascht sind. Matthäus selbst scheint ganz vertieft in seine Arbeit den Ruf noch gar nicht wahrgenommen zu haben.
Als letztes Werk von Caravaggio haben wir das Spätwerk
- Caravaggio, Salome mit dem Kopf des Heiligen Johannes des Täufers (1610)
angeschaut, dessen schreckliches Sujet nicht allen Beteiligten Freude machte. Auch hier war wieder das Hell-Dunkel des Bildes und die Lichtführung von links oben auf die eng zusammenstehende Gruppe ein Thema. Auch die unterschiedlichen Lebensalter der Beteiligten fallen ins Auge, sowie die Haltung der Salome, die sich von dem Schreckensbild des abgeschlagenen Hauptes auf dem Teller, den sie trägt, abwendet, während die alte Frau im Hintergrund ein stilles Gebet über dem toten Haupt zu sprechen scheint.
Damit aber das Schreckensbild nicht als letztes stehen blieb, folgten noch zwei Bilder mit einem ganz anderen Thema. In der niederländischen Malerei kamen nämlich in dieser Zeit Genrebilder aus dem täglichen Leben auf und so malte:
- Gerrit van Honthorst, Die Kupplerin (1625)
Dass er von Caravaggio gelernt hatte, wie man Figuren ins rechte Licht rückt, ist auch hier unbezweifelbar. Und wir erkannten leicht die junge Frau mit ihrem tiefen Dekolletee als die Gestalt, um die sich alles dreht. Die alte Kupplerin links deutet auf sie, oder vielleicht doch auf das Geld in der Hand des im Dunkeln bleibenden Freiers?
Dasselbe Sujet wird bei dem Maler Dirck van Barburen, dann noch sinnfälliger:
- Barburen, Die Kupplerin (1622).
Er taucht sein Bild vollständig in helles Licht und die Geste der Kupplerin, die auf ihre leere Hand zeigt und Geld verlangt, ist ebenso eindeutig, wie die Umarmung des jungen Paares und das Geldstück in der Hand das Mannes.
Wer mehr über die Ausstellung lesen will, sei hier noch auf einen aufschlussreichen Artikel in dem e-Kunstmagazin "Art in Words" verwiesen.