Sonntag, 2. April 2017

MAGRITTE - DER VERRAT DER BILDER

Die Kunsthalle Schirn in Frankfurt zeigt noch bis zum 5. Juni 2017 eine Ausstellung über René Magritte, die vorher im Centre Pompidou in Paris zu sehen war.

Ich habe es mir dabei diesmal beim Kunstsurfen ganz einfach gemacht. Der Schirn hat nämlich ein großartiges Digitorial zur Vorbereitung des Ausstellungsbesuches online gestellt und wir haben uns eine Stunde lang darin von Bild zu Bild "gehangelt".

Trotzdem kommen hier erst einmal noch die Informationen zu dem Maler René Magritte auf Wikipedia, wo man mehr über seinen Lebenslauf erfährt.



Und nun auf zum Digitorial! Man sieht erstmal einen roten Vorhang. Wenn man mit der Maus dorthin geht und runterscrollt, öffnet er sich und man kann immer weiter runterscrollen.

Gleich beim ersten Bild

- Der glückliche Stifter, 1966

sind wir stecken geblieben. Es hat uns durchaus irritiert. Da ist diese Mauer, die wie eine Brüstung aussieht. Aber über sie hinweg geht der Blick ins nirgendwo, bzw. auf eine Fläche voller brauner Farbe. Dabei ist die Brüstung perspektivisch, also ganz echt, gemalt und es balanciert darauf eine Kugel im totalen Gleichgewicht mit einem waagerechten Einschnitt, deren Bedeutung wir nicht verstehen... Und zugleich wird der Blick freigegeben in eine nächtliche Landschaft. Wir sehen durch eine Art Durchbruch durch die Mauer und die braune Fläche und dieser Durchbruch hat die Silhouette eines Mannes mit Hut. Er erscheint uns damit wie ein Mensch gefüllt mit einer Landschaft. Aber natürlich ist es sozusagen nur der Überrest, der "Widerschein" eines Menschen...

Weiter ging`s zum Rätsel von Huhn und Ei - und gekochtem Ei im Eierbecher!

- Variante der Traurigkeit, 1957

Wir haben über die im zugehörigen Text aufgeworfene Frage gesprochen, die dieses Bild enthält: "Ist die für uns erfahrbare Welt der Ausgangspunkt unserer Ideen und Erkenntnisse oder verhält es sich umgekehrt? Steht eine abstrakte Idee am Anfang aller Dinge?" Aber wir haben auch festgestellt, dass der Vorhang hier wiederum den Blick auf eine Brüstung freigibt, auf der etwas (Eier und Huhn) angeordnet ist, und auch hier findet sich der Blick in eine bläuliche Landschaft. Sogar die Villa des ersten Bildes ist zu sehen.

Bei dem Bild

- Der Palast aus Vorhängen III, 1928/29

widerspricht dann endgültig der Titel dem, was wir sehen können, nämlich keine Vorhänge sondern eine Vertäfelung vor der zwei vieleckige Bilderrahmen stehen und nicht hängen - man sieht sogar ihre Schatten! Und dann auch noch dieses Verwirrspiel mit dem Wort "ciel" Himmel und dem Bild in der Farbe des Himmels. Ganz offenbar geht es ihm um die Frage, ob ein Wort ein Bild ersetzen kann. Kann es das? Assoziiert unser Gehirn automatisch beim Lesen die dazugehörigen Gegenstände und sieht sie vor sich? Widerspricht nicht die Form der Bilderrahmen schon unserem gewohnten Sehen?

Das hat übergeleitet zu dem Artikel, in dem Magritte seine theoretischen Überlegungen zum Verhältnis von Bild und Sprache 1929 in der Zeitschrift „La Révolution Surréaliste“ vorgestellt hat. Er enthält 18 illustrierte Thesen. Die ersten drei sind im Digitorial übersetzt. Unter dem Satz: „Ein Gegenstand hängt nicht so sehr an seinem Namen, daß man für ihn nicht einen anderen finden könnte, der besser zu ihm paßte“, malt Magritte

- ein Blatt und das Wort "canon" (Kanone)

- das Wort "soleil" (Sonne)

schreibt er in unterschiedliche Umrahmungen und Formen und behauptet: "Eine beliebige Form kann das Bild eines Gegenstandes ersetzen".

Zu den aufgereihten Bildern

- einer Faust und eines Kastens fügt er eine amorphe Form mit dem Wort canon (Kanone) hinzu

steht zu lesen: "Manchmal vertritt der Name eines Gegenstandes ein Bild".

Stimmt das alles, haben wir uns gefragt und sind gleich zu dem berühmten Bild

- Das ist keine Pfeife, 1935

übergegangen. Warum das nun wieder? Die Antwort kam promt, weil ein Bild eben kein Objekt ist, das man in die Hand nehmen und rauchen kann. Was ist ein Bild aber dann, wenn wir doch darauf eine Pfeile sehen?

Das nächste Bild haben wir nur kurz angeschaut und sind gleich zu

Die schöne Gefangene, 1931

übergegangen. Auch wieder so ein Titel, der mit dem Bild so gar nicht in Verbindung zu bringen ist! Aber noch viel weniger wissen wir, ob das Gemälde im Bild wirklich die Landschaft dahinter wiedergibt. Es könnte sich doch dahinter etwas ganz anderes verbergen.

Das wird noch deutlicher bei dem folgenden Bild,

La Condition humaine, 1935

in dem sich Magritte mit dem Höhlengleichnis Platons auseinanderzusetzen scheint. Das Gleichnis kann man übrigens hier nachlesen. (Es steht aber auch im Digitorial direkt unter dem Bild -auf das Kreuz klicken!) Magritte hat diesen Titel übrigens mehrfach benutzt.

Langsam wurde die Zeit eng. So überflogen wir die folgenden Bilder mehr oder weniger und schauten als letztes nur noch auf

Die gigantischen Tage, 1928

Es dauerte ein wenig, bis wir verstanden haben, warum im Text daneben steht: "Dieses Gemälde visualisiert auf eindrückliche Weise eine Vergewaltigung, ohne sie tatsächlich darzustellen."

Dann aber sahen wir den Mann, der die Frau umgreift und seine andere Hand zum Oberschenkel nahe der Scham der nackten Frau schiebt. Erst dann verstanden wir auch die abwehrende Geste und verwinkelte Haltung der Frau, für die der gewalttätige Mann zu einem Teil ihres eigenen Körpers geworden ist.