In Lille, der Kulturhauptstadt des Jahres 2004, wird bis zum 1. September im Palais des Beaux-Arts die Ausstellung "Fetes et celebrations flamande, Brueghel, Rubens, Jordaens" (Flämische Feste des 16. und 17. Jahrhunderts, Brueghel, Rubens, Jordaens) gezeigt.
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Jacob Jordaens, Der König trinkt (Quelle ) |
Im Begleittext heißt es dazu, dass Feste mehreren Zwecken dienen: Sie schaffen ein Gefühl der Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft bzw. erhalten es aufrecht, sind also soziale Rituale, aber sie können auch ein Zeitpunkt sein, an dem Spannungen in der Gemeinschaft abgebaut werden und positive Erlebnisse das Leben leichter machen. Feste unterbrechen nicht nur die Monotonie der Arbeit, sondern helfen auch dabei, den Ansturm von Unglück und Krankheit zu ertragen, von dem die Menschen in dieser Zeit immer wieder schwer heimgesucht wurden.
In der Ausstellung geht es in vier Sektionen um die Themen: Krieg und Fest; städtische Feste und Zeremonien; Kirmes, Hochzeiten und Dorffeste, sowie zuletzt Hoffeste und königliche Feste. In der ersten Sektion wird die Perspektive darauf erweitert, dass die Feste des 16. und 17. Jahrhunderts in den Niederlanden nicht nur aus Ausschreitungen und folkloristischem Trubel bestehen, sondern eine vielfältige und sich wandelnde soziale Struktur besitzen und zugleich vor dem Hintergrund des Achtzigjährigen Krieges stattfanden; also in einer Zeit, in der es in Europa ständig religiöse Auseinandersetzungen und politische Rivalitäten gab, die immer wieder zu neuen Kämpfen und Überfällen führten. Die Ausstellung sieht das Fest als Antwort auf diese Situation: Es bildete als Zeit, in der gesellschaftliche Schranken übertreten werden konnten, sowohl ein Ventil als auch einen zeitweiligen Raum des des Friedens.
In der Ausstellung wird so zuerst an die Schandtaten des Achtzigjährigen Krieges und die Leiden der Bevölkerung erinnert: Städte wurden belagert, Dörfer zerstört, Plünderungen und Überfälle waren an der Tagesordnung, Soldaten überfielen ganze Landstriche. Die Darstellung eines Angriffs wurde dabei von den Künstlern manchmal mit der Darstellung eines Dorffestes verbunden. Das Fest bildete im Bild dann ein Symbol für Ruhe und sogar Frieden. Angesehen haben wir uns:
Die zweite und größte Abteilung der Ausstellung widmet sich den städtischen Festen und Zeremonien. Darunter fallen Fürstenempfänge und Einzüge; religiöse Feste wie der typisch niederländische Ommegang (Umzug) und das profane Vogelschießen. Bei den Einzügen und Empfängen geht es jeweils darum, fürstliche Autoritäten zu begrüßen. Dazu wurden Triumphbögen aufgestellt und es gab Theateraufführungen. Zwei Einzüge in Antwerpen waren besonders prunkvoll. Als 1599 der Erzherzog Albert mit seiner Gemahlin Isabella von Habsburg nach Antwerpen und in weitere Städte der damaligen Niederlande kam, wurde dieses Ereignis in einem eigenen gedruckten und illustriertem Buch festgehalten (Historica narratio profectionis et inaugurationis serenissimorum Belgii principum Alberti et Isabellae Austriae archiducum, Beschreibung der Einzüge des Paares in Brüssel, Antwerpen, Gent und Valenciennes, 1599). Auf einer Seite wird dargestellt, wie das Paar in der Stadt willkommen geheißen wurde:
- Pieter van der Borcht, Willkommen in der Stadt, 1599.
Ein großes Portal ist aufgebaut, auf dessen Treppen einheitlich gekleidete Ehrenjungfrauen das herzogliche Paar erwarten. Dieses reitet, reich gekleidet unter einem Baldachin und mit großer Begleitung von links heran. Im Hintergrund vor den Häusern stehen dicht gedrängt die Schaulustigen. Schon vorher haben Albrecht und Isabella ihren Eid als Markgrafen von Antwerpen unter einer Kuppel am Kaisertor außerhalb der Stadt geleistet:
- Pieter van der Borcht, Albrecht en Isabella legen den Eid ab, 1599.
Hier steht das hochherrschaftliche Paar unter einer offenen auf Säulen stehenden Kuppel vor dem Kaisertor außerhalb der Stadtmauern. Vor ihnen steht ein altarartiger Tisch, hinter dem zwei Bischöfe auf sie warten. Auch an dieser Zeremonie nimmt eine riesige Menschenmenge teil. Rechts hinten im Bild ist Militär mit Waffen und Fahnen aufgezogen. Links neben dem Pavillon fallen drei Herolde mit Trompeten auf schwarzen Rappen besonders ins Auge. In der Ausstellung sind übrigens auch mehrere Gemälde zu sehen, die von Peter Paul Rubens für Triumphbögen, die 1635 für den Einzug des Kardinal Infant Ferdinand in Antwerpen aufgestellt wurden.
Wir sind dann zum "Ommegang" in Antwerpen übergegangen. Dieser "Umzug" fand eine Woche nach Maria Himmelfahrt (15. August) statt und war die zweite Veranstaltung, mit der dieses Fest gefeiert wurde. Für diese Prozession durch die Straßen der Stadt rüsteten die Zünfte, Handwerks- und Rhetorikkammern der Stadt jeweils einen eigenen Prunkwagen aus. Angesehen haben wir uns zwei Bilder dazu:
- Erasmus de Bie, Der Ommegang in Antwerpen, 1670
Vor der Kulisse der Bürgerhäuser steht im Zentrum ein riesiger Fisch, auf dem Neptun mit seinem Dreizack reitet. Aus dem Fischmaul spritzt eine Fontäne auf die Schaulustigen. Rechts davon wird ein kleinerer Fisch herangerollt, wobei bei allen Wagen die Räder mit Tüchern verhängt sind. Eindrucksvoll fanden wir das Segelschiff auf der rechten Bildseite, von dem der Klang von Trommel und Flöte zu hören ist. Von links kommt ein Elefant auf den Platz gefahren, dem ein Riese folgt.
Ganz ähnlich aufgebaut ist das Bild von
- Alexander van Bredael, The Ommegang in Antwerp, 1697,
auf dem auch die meisten Wagen des vorigen Bildes wieder auftauchen. Ausgestellt wird in der Ausstellung aber auch das Haupt des Riesen Druon Antigoon, der auf den beiden Bildern zu sehen ist.
- Pieter Coecke van Aelst, Kopf des Druon Antigoon (1534-1535)
Es ist aus Pappmache, Tau, Metall und Haaren verfertigt. Druoon Antigoon war der Legende nach ein Riese, der von jedem Geld verlangte, der auf der Schelde flussaufwärts fuhr. Wer nicht zahlte, dem wurden die Hände abgehackt. Schließlich schaffte es der römische Soldat, Silvius Brabo, ihn zu töten.
Kurz haben wir uns auch dem Vogelschießen gewidmet, an dem der Erzherzog Leopold Wilhelm im Jahr 1651 in Brüssel teilnahm:
- David Teniers d. J., Vogelschießen zu Brüssel, 1652.
In der Bildunterschrift löst sich das Rätsel auf, wo wohl der Erzherzog in dieser riesigen Menschenmenge zu finden ist: Der Mann mit Hut, der auf der Estrade in der Mitte steht, ist der Leopold Wilhelm. Er wird gerade vom Bürgermeister der Stadt in Gegenwart der Schützengilde zu seinem Schuß beglückwünscht.
Der dritte Abschnitt führt von der Stadt ins Dorf. In den Niederlanden hat sich das Thema "Fest im Dorf" aus der bruegelschen Tradition heraus zu einem eigenen Genre der Malerei entwickelt. Wir haben zuerst das Bild
- Jan Brueghel der Ältere, Dorfhochzeit, ca. 1612
betrachtet und nach dem Hochzeitspaar gesucht: Braut und Bräutigam gehen einzeln und jeweils von vielen Angehörigen, sowie von Musikern begleitet, zur Kirche. Hinter dem Trommler ganz vorn befindet sich der Bräutigam mit einer Blume in der Hand. Auffällig fanden wir seine Blickbeziehung zu der Frau am rechten unteren Rand. Sie hat ihr Kind auf die Kirchhofsmauer gesetzt und zeigt auf ihn. Ist das Kind vielleicht sein - unehelicher - Nachkomme? Der Gruppe der Männer folgen die Musiker und drei Brautjungfern mit einer hohen Kerze. Dann kommt die reich geschmückte Braut, die ebenfalls eine Blume trägt. Es ist eine reiche Hochzeit, die Brautleute sind städtisch gekleidet und es sind viele Schaulustige gekommen. Wie es weitergeht, scheint schon rechts hinten zu erkennen sein, wo sich Tanzende ausgelassen im Kreis um ein ebenfalls geschmücktes Paar drehen.
Ein ganz anderes Bild zeigt
- (nach) Sebastian Vrancx, Die Krüppel oder das Dreikönigsfest, 17. Jh.
Es ist Winter, genau gesagt der 6. Januar, an dem sich die Menschen hier draußen vergnügen. Rechts vor einem Wirtshaus sind im Vordergrund verstümmelte Menschen zu sehen. Sie haben ihre Unterschenkel verloren, laufen auf Krücken bzw. rutschen auf einem Schlitten. Auffällig sind ihre weißen Kittel, an denen Fuchsschwänze hängen. Schon im Mittelalter trugen Narren und Krüppel als Kennzeichen Fuchsschwänze, wobei der Fuchs als Sinnbild für Falschheit, Boshaftigkeit und Verschlagenheit galt. (Man findet diese Gestalten übrigens auch auf dem Bild von Pieter Brueghel I, Die Bettler oder die Zurückgebliebenen, 1568.) Links von den Bettlern laufen Kinder hinter einem Mann her, der bunt verkleidet ist und sein Gesicht geschwärzt hat. Neben ihm geht ein Mann in Pilgertracht. Wir haben gerätselt, auf was für einen niederländischen Brauch das hinweisen könnte. Auch der rückwärts auf einem Pferd reitende nackte Mann in der Mitte des Bildes hat uns Rätsel aufgegeben, die wir nicht lösen konnten. Deshalb haben wir zuletzt noch eine weitere Seite desselben Festes betrachtet, die im häuslichen Rahmen stattfindet:
- Jacques Jordaens, Der König trinkt, 1640
Am Dreikönigstag wird nämlich in der Familie ein üppiges Mahl veranstaltet. Dabei wird in einem Kuchen eine Bohne versteckt und, wer sie findet, wird gekrönt und ist der König des Festes. Er verteilt Hofämter an die anderen und ihm wird bei jedem Zug aus seinem Glas tüchtig zugeprostet. Auch bei Jordaens geht es hoch her, fanden wir. Die Becher und Gläser sind erhoben, der Mann links unten verliert das Gleichgewicht und lässt alles fallen, weil ihm alles wieder hochkommt. Die schon sehr angetrunkene Mutter rechts, wischt dem schreienden Kind den Hintern ab und dazu spielt der Dudelsack! Ein tolles Fest!