Sonntag, 21. Januar 2024

Caspar David Friedrich

 

Weißer Sand, dunkles Meer und schwarze Wolken  (Foto U.Krope)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Warum steht dieses Bild hier? Der Grund ist das Bild "Mönch am Meer" von Caspar David Friedrich, dessen 250. Geburtstag in diesem Jahr in der Kunstwelt groß gefeiert wird. Ganz unten komme ich noch darauf. 

Zum Jubiläumsjahr gibt es ein eigenes Internetportal, auf dem man eine Vielzahl von Friedrichs Bildern sowie Informationen zu den drei großen Ausstellungen in Hamburg, Berlin und Dresden findet. Weitere Ausstellungen finden z.B. im Pommerschen Landesmuseum in Greifswald statt, wo der Künstler am 5. September 1774 geboren wurde. Gestorben ist er am 7. Mai 1840 in Dresden. Laut Wikipedia gilt der Maler "als einer der bedeutendsten Künstler der deutschen Romantik", der "in revolutionärer Weise" mit den Traditionen der Landschaftsmalerei von Barock und Klassizismus gebrochen hat. Besonders angesprochen wird dort die "Sinnoffenheit" seiner Bilder, die viele verschiedene Interpretationen zulässst.

Bis vor Kurzem gab es auch eine (inzwischen nur noch hier aufzurufende) Wikipedia-Seite zur "Psychopathographie" des Künstlers. Dort heißt es, dass seine Zeitgenossen bei ihm einen melancholischen Charakter mit der Neigung zu depressiven Verstimmungen wahrnahmen. Sein Bekannter Gotthilf Heinrich von Schubert sah bei ihm „ein seltsames Zweigespann der Gemütsstimmungen, zum tiefsten Ernste wie zum heitersten Scherze, dergleichen sich nicht selten bei den ausgezeichnetsten Melancholikern wie Komikern beisammen findet. Denn, daß Friedrich im höchsten Grade von melancholischem Temperament sei, das wußten alle, die ihn und seine Geschichte, so wie den Grundton seiner künstlerischen Arbeiten kannten. Seitdem er als Jüngling seinen Bruder, den Knaben, den er wie sein eigenes Herze liebte, unter dem zusammenbrechenden Eise des Meeres mußte versinken sehen, dahin er ihn zum Schlittschuhlaufen verlockt hatte, war er lange Zeit in ein düsteres Grämen versunken, das ihm die Freude am Leben bis zum gefahrdrohenden Überdruß verleidete. Er wollte keinen tröstenden Zuspruch der Freunde, er floh die Gesellschaft der Bekannten und Verwandten. Die stille Wildnis der Kreidegebirge und der Eichenwaldungen seiner vaterländischen Insel Rügen waren im Sommer noch mehr aber in der stürmischen Zeit des Spätherbstes und im angehenden Frühling, wenn man auf dem Meer an der Küste das Eis brach, sein beständiger, sein liebster Aufenthalt.“ (zitiert nach Schubert, Gotthilf Heinrich von: Der Erwerb aus einem vergangenen und die Erwartungen von einem zukünftigen Leben. 2, München, Bayerische Staatsbibliothek, Biogr. 1071 d-2, S. 182f.) Friedrich hatte schon im Alter von sieben Jahren seine Mutter verloren, noch vor seinem Bruder starb 1782 eine Schwester, 1787 dann kam sein Bruder ums Leben und vier Jahre später eine zweite Schwester. Zu dem Unfall seines Bruders soll im Kirchenbuch von St. Nikolai in Greifswald stehen, dass dieser ertrank, als er seinen ins Wasser gefallenen Bruder retten wollte. Wer mehr über das Leben das Malers wissen will, findet auf der Greifswalder Website für das Jubiläumsjahr eine Kurzbiografie und kann noch viel mehr auf der Wikipediaseite des Künstlers nachlesen.

Wir haben uns als erstes eine frühe Federzeichnung des Künstlers angesehen

-  Caspar David Friedrich, Landschaft mit Pavillon, 1797 (wenn man auf das Bild klickt, erscheint es größer und man kann es mit Herunter-Scrollen vergrößern).

Es war schon spannend, wie sich das kleine Bild uns langsam erschloß: Der Blick ging von dem quaderförmigen Gebäude mit seiner Dachterrasse und seinen vielen Fenstern nach links zu dem hohen Zaun mit den - jeden Zugang abwehrenden - seitlichen Streben. Dann wurde auch klar, dass das Gebäude sozusagen blickdicht durch Gebüsch abgeschottet ist und zudem ist der Zugang über eine Brücke mit einem Gatter verschlossen. Und dann kam die Frage auf, was ist denn rechts vorne zu sehen? Eine offene schiefhängende Tür fällt auf, dann offenbar eine gerade Holzwand, an die eine Schräge angelehnt ist, die mit Gras oder Reet bedeckt ist - eine schäbige Hütte mit einer kleinen Bank vor dem Eingang. Wird sie bewohnt? Immerhin liegt da ein hölzerner Bottich am Boden, auch wenn das Bild sonst menschenleer ist. "Krieg den Palästen, Friede den Hütten!", fiel uns ein. Der Aufruf stammt zwar erst aus späterer Zeit (siehe hier), doch den Gegensatz zwischen arm und reich hat Friedrich mit diesem kleinen Bild schon früh erfasst, fanden wir.

Es heißt in der Literatur, dass ein Landschaftsbild seines Lehrers ein Vorbild für diese Zeichnung sein könnte:

- Jens Juel, Landschaft mit Nordlicht. Im Hintergrund die Kirche von Middelfart, 1790er Jahre.

Auch wenn in diesem Bild das Nordlicht am Himmel eine beherrschende Rolle spielt, konnten wir doch Vergleichbares erkennen: Auch in Juels Bild, wird der Zugang zum Mittelgrund durch ein Gatter verschlossen und seitlich davon stehen Büsche, vor denen es eine niedrige Hütte gibt. Und auch hier ist im Hintergrund ein großes Gebäude zu sehen, allerdings wird es in der Bildbeschriftung als Kirche von Middelfart bezeichnet, ist also kein Palast, wie wir annahmen. 

Wie genau Caspar David Friedrich eine Landschaft wiedergeben konnte, haben wir bei der folgenden Radierung 

- Caspar David Friedrich, Der Regenstein im Harz, um 1800

feststellen können. Wir haben sie zuerst mit einem Stich von 

- Matthäus Merian, Das Alte Schloß Reinstin Oder Regenstein, um 1654

verglichen und festgestellt, dass Merian die von Friedrich stark hervorgehobene Felsenansicht durch seinen Blickwinkel nicht betont. Dagegen schien uns der

- sogenannte Merianblick auf den Regenstein, Fotografie, 2023

viele Vergleichsmöglichkeiten zu bieten. Auch wenn Friedrich einen noch etwas weiter nach links verschobenen Blickwinkel wiedergegeben haben muss, so erkennt man doch die Felsformation und Teile der Burgruine auf seinem Bild deutlich wieder. 

Natürlich kann man in einer "Surfstunde" nur einen kleinen Ausschnitt aus dem Werk des Malers anschauen und ich weise ausdrücklich darauf hin, dass ich diese Auswahl hier ganz aufgrund meines persönlichen Interesses getätigt habe. Als sozusagen zweiten Teil habe ich das Thema Selbstporträt ausgesucht. Praktisch dafür ist, dass auf der Website zum Jubiläum das Thema unter einem einzigen Link zusammengestellt ist. Es fängt mit einem frühen Bild an

- Selbstbildnis, 1800.

Der junge Maler mustert sich aufmerksam selbst - schräg von der Seite schauend - im Spiegel und zugleich bannt er uns, seine Betrachter, mit seinem Blick. Noch prüfender und fast etwas angewidert betrachtet er sich und uns in der Zeichnung

Selbstbildnis. Bildnis eines Herrn im Profil und flüchtige Figurenstudie, 1800

Bei dem

- Selbstbildnis mit Mütze und Visierklappe, 1802

dagegen sehen wir ihn mit einem eher in sich versunkenen Blick. Zur Mütze ist zu sagen, dass mit der Visierklappe ein Auge zugedeckt wird. Damit wird das beidäugige räumliche Sehen zu einer mehr flächenhaften Schau, die der Wiedergabe als Bild ähnlicher ist, einschränkt. Das mündete dann in eine kurze Diskussion zum räumlichen Sehen. Während das  

- Selbstbildnis mit aufgestütztem Arm, um 1802

noch einmal seine Melancholie - heute würde man vielleicht sagen seine depressive Seite - in Erinnerung rief. Parallel zu seinem

- Selbstbildnis, um 1810 

haben wir das Porträt aufgerufen, das eine Künstlerfreundin geschaffen hat:

- Caroline Bardua, Caspar David Friedrich mit Trauerbinde, 1810.

Natürlich fiel der lockige Backenbart auf beiden Bildern sofort ins Auge. Nach der Trauerbinde mussten wir allerdings suchen: Friedrich trägt sie um seinen linken Oberarm und ihre Korkarde fällt auf dem schwarzen Samt des Überrockes kaum auf. Auf beiden Bildern blickt uns der Maler ernst an. Doch die Intensität des Blickes ist auf dem Selbstbildnis viel stärker als auf dem Porträt der Malerin, die ihren Freund deutlich sanfter erscheinen lässt, als er sich selbst sieht.

Wir haben das Treffen nicht ausklingen lassen, ohne wenigstens das wahrscheinlich berühmteste Gemälde des Künstlers anzusehen: 

C.F. Friedrich, Mönch am Meer (Quelle)

- Mönch am Meer, 1808-1810. 

Dabei kam gleich die Frage auf, ob es solche Stimmungen gibt, bei denen das Meer schwarz in den dunklen Himmel übergeht. Die Antwort kam mit Utas Foto und das ist auch der Grund, warum es in diesem Post gleich am Anfang steht. Es hat schon eine ähnliche Stimmung wie bei Friedrich oder? 

Beim genaueren Hinschauen haben wir dann festgestellt, dass die männliche Gestalt in ihrem dunklen, langen Gewand leicht zurückgebeugt und schräg von der Seite gesehen am Ufer steht und mit nachdenklicher Haltung - die rechte Hand am Kinn? - auf das dunkle Meer schaut, das sich vor ihm und damit auch vor uns - sozusagen - unendlich ausbreitet. Dabei zeigen Gischtkronen an, dass es aufgewühlt wird. Der dunkle Himmel, unter dem einzelne weiße Möwen wie die Gischt über dem Meer schweben, wirkt äußerst bedrohlich. Entweder das Unwetter bricht im nächsten Moment los oder aber es zieht gerade ab. Wenn man genau hinsieht, erkennt man, dass links auf dem Meer ein Schiff mit gerefften Segeln schräg in den Wellen liegt. Hoch oben aber gibt es noch oder schon wieder blauen Himmel und helle Wolken, so dass ein Lichtschein in die Düsternis fällt. 

Friedrich selbst schrieb dazu: "Es ist nemlich ein Seestük, Vorne ein öder sandiger Strand, dann, das bewegte Meer, und so die Luft. Am Strandte geht Tiefsinnig ein Mann, in schwarzem Gewande; Möfen fliegen ängstlich schreient um ihn her, als wollten sie ihm warnen, sich nicht auf ungestümmen Meer zu wagen. – Dies war die Beschreibung, nun kommen die Gedanken: Und sännest du auch vom Morgen bis zum Abend, vom Abend bis zur sinkenden Mitternacht; dennoch würdest du nicht ersinnen, nicht ergründen, das unerforschliche Jenseits! Mit übermüthigen Dünkel, wennest du der Nachwelt ein Licht zu werden, zu enträzlen der Zukunft Dunkelheit! Was heilige Ahndung nur ist, nur im Glauben gesehen und erkannt; endlich klahr zu wissen und zu Verstehn! Tief zwar sind deine Fußstapfen am öden sandigen Strandte; doch ein leiser Wind weht darüber hin, und deine Spuhr wird nicht mehr gesehen: Thörigter Mensch voll eitlem Dünkel!" (zit. nach: H. Zschoche, Caspar David Friedrich. Die Briefe 2005, S. 45). 

In die Kunstgeschichte wird das Bild als ein radikaler Bruch mit der Bildtradition der Landschaftsmalerei eingeordnet. Das wird besonders damit begründet, das Friedrich hier ganz auf die übliche Rahmenschau verzichtet, die zum Beispiel der Romantiker Carl Blechen bei seiner Variante eines aufs Meer schauenden Mönchs praktizierte.