Montag, 4. März 2024

Holbein und die Renaissance im Norden

Hans Burgkmair, Der Tod überfällt ein Liebespaar, "Städel Museum, Frankfurt am Main" Quelle
Bis zum 18.2.2024 lief im Städel Museum die Ausstellung "Holbein und die Renaissance im Norden", die inzwischen nur noch im Internet zu besichtigen ist. Aber auch virtuell bietet sie den Betrachtern viel und wir als kunstliebende Senioren und Seniorinnen nutzen ja sowieso hier nur die Möglichkeit der virtuellen Ausstellungsbesuche. Das Städelmuseum stellt außerdem genau dafür seine immer wieder sorgfältig ausgearbeiteten Digitorials zur Verfügung, die sehr zu empfehlen sind. Noch weiter vertiefen kann man sich in das Thema mit dem Holbein-Audioguide, den man in den App-Stores zum Herunterladen findet. Wir haben uns mit unserer virtuellen Ausstellungsbesichtigung am Digitorial entlang gehangelt!

Die Ausstellung bezieht sich auch auf die Geschichte der Stadt Augsburg, die seit dem 14. Jahrhundert ein blühendes Handels- und Kulturzentrum war. Sie profitierte besonders von ihrer Lage am Knotenpunkt alter Handelsrouten durch Europa - von Italien bis zu den Hafenstädten an Ost- und Nordsee und von den Alpen bis an die Atlantikküste. Wir haben uns als erstes die Darstellung der Stadt mit ihren Mauern und Türmen am Ende des 15. Jahrhundert angesehen:

- Augsburg, Schedel'sche Weltchronik, fol. 91v/92r, 1493 

Damit befinden wir uns zeitlich schon am Übergang vom Mittelalter zur Renaissance, als man began sich für die antiken Altertümer zu interessieren. Augsburg (Vindelicum) ist von den Römern gegründet worden und dort begann schon um 1500 die Erforschung des antiken Erbes, denn man stieß bei Stadterweiterungen immer wieder auf Zeugnisse der römischen Vergangenheit.

Wie die Leute in dieser Zeit lebten, kann man mit diesem Bild nachzuempfinden versuchen:

- Jörg Breu d. Ä., Scheibenriss mit der Darstellung des Monats Januar, um 1520 (wenn man auf das Bild klickt, erscheint es groß und man kann es mit Scrollen weiter vergrößern)  

Der reich gekleidete Mann mit Hut, der etwas aus der Mitte nach links gerückt ist und einen Pokal in seiner rechten hält, fiel als erstes ins Auge, dazu sahen wir dann auch gleich die reiche Schlachtplatte mit Wurst und Brathuhn, die vor ihm auf dem Tisch steht. Er lässt es sich offenbar gut gehen. Das Paar auf der rechten Bildseite spielt das mittelalterliche Würfelspiel Wurfzabel (auch als Tricktrack bekannt). Aber was machen die beiden Frauen, die dem Betrachtenden den Rücken zuwenden? Wenn man genau hinsieht, erkennt man den Wirbelkasten einer Knickhalslaute, der nach hinten abgewinkelt ist, unter dem linken Arm der linken Figur. Die beiden Fraune begleiten das Essen also mit einer Tischmusik. Ihnen gegenüber sitzt ein junges Paar. Aber der Mann sieht unglücklich aus, fanden wir. Und das ist ja auch kein Wunder, schließlich sind Hals und Hände mit einer Halsgeige gefesselt - kein angenehmer Zustand. Richtig warm kann es in dem Raum auch nicht gewesen sein, wenn man sieht, dass sich die Figur rechts mit ausgebreiteten Armen an dem halbrunden Kachelofen aufwärmt. Im 16. Jahrhundert gab es noch keine großen Glasscheiben und so muss das Leben auf dem Bild in einer offenen Loggia stattfinden, denn man sieht draußen auf den Augsburger Markplatz, auf den gerade ein Mann mit großem Gefolge reitet und ein Pferdeschlitten gezogen wird.

Weiter gegangen sind wir zum Thema "Menschenbild". Mit der Renaissance stieg die Nachfrage nach Porträts. Im frühen 16. Jahrhundert  waren Hans Holbein d. Ä. und Hans Burgkmair d. Ä. in Augsburg gefragte Maler und Porträtmaler. Hier entstand eine neue Mischung aus nordeuropäischen -niederländischen und deutschen - Traditionen und der Kunstsprache der italienischen Renaissance mit ihrem Bezug auf die römische Antike. 

Angesehen haben wir:

- Hans Holbein d. Ä., Bildnis eines Angehörigen der Augsburger Familie Weiss, 1522

Als Persönlichkeit hat uns dieser junge Mann nicht gerade fasziniert - er schaut nicht gerade besonders klug aus, fanden wir. Etwas genauer haben wir auf den Anhänger mit dem Tierkopf geschaut, den er an einem Band um den Hals hängen hat. Es ist eine Hundepfeife und darauf steht "NOTH · LEIT · ER · NIT ·". Sein Alter steht auf dem Griffbügel des Schwerts, das er zusammen mit einer Nelke umklammert " XXII · IAR · WAS · ICH· ALT ·" und darunter - auf dem Parierbügel des Spangenkorbs - "· WAS · LIEBT · DAS · FREIT ·". Es handelt sich also offenbar um ein Porträt, das ihn als Bräutigam zeigt. Ob seine Braut darüber glücklich war?

Verglichen haben wir das Bild von Holbein mit einem Porträt aus den Niederlanden

-        Jan van Eyck, Bildnis eines Mannes (aus der Familie Arnolfini?),  um 1438/1440  

Uns fiel auf, dass auch in diesem Porträt die Gesichtszüge des Porträtierten nicht geschönt sind. Auch die Gestaltung des Brustporträts im Dreiviertelprofil und die Arm- und Handhaltung sind nicht unähnlich. 

Auch der Holzschnitt

-        - Hans Burkmair, Jakob Fugger, um 1509 

passt in gewisser Weise in diese Reihe. Jakob Fugger, der Reiche (1459–1525) gilt um 1500 als der bedeutendste Kaufherr, Montanunternehmer und Bankier Europas. Er ließ sich immer mit der auf diesem Bild zu sehenden Kappe darstellen, so dass der Wiedererkennungswert seiner Person auf den Porträts sehr hoch ist. Auch Hans Burkmair hat sein Bildnis nicht geschönt, sondern versucht diese große und berühmte Persönlichkeit lebendig wiederzugeben.

Den Einfluß der italienischen Renaissance findet man in dem Holzschnitt desselben Künstlers:

- Hans Burgkmair, Der Tod überfällt einLiebespaar, 1510,

der am Anfang dieses Textes steht. Natürlich fällt der Blick als erstes auf die schreckliche Gestalt des geflügelten Todes, vor dem die junge Frau scheiend nach links zu entfliehen sucht. Danach erkannten wir, wie der Tod seinen Fuß auf die Brust des am Boden liegenden Mannes gesetzt hat und dessen Mund mit beiden Händen weit aufreißt. Aber wo findet diese Szene statt? Es gibt ein Indiz (wie es in der Arte-Sendung Karambolage immer heißt): Oberhalb des knöchernen Kopfes fährt ein Boot durch einen Kanal. Wir sind in Venedig und sehen durch die hohen Bögen einer Renaissancearchitektur auf eine Häuserfront, die sich auch nach links noch in einem Bogen öffnet - und dort mit den Symbolen des Schädels und der gekreutzten Knochen noch einmal auf den drohenden Tod in dieser - als verrucht geltenden - Stadt hinweist. 

Aber auch Hans Holbein d.Ä. war von der damals modernen italienischen Kunst beeinflusst. Das Digitorial des Städelmuseums geht in diesem Zusammenhang näher auf das Bild

- Hans Holbein d.Ä., Der Lebensbrunnen (Maria mit dem Kind, Heiligen und Engeln vor einem Triumphbogen), 1519

ein und hat es mit Hinweisen zum besseren Verständnis versehen. Man findet es hier, wenn man ein Stück herunterscrollt. Die über das Pluszeichen aufzurufenden Anmerkungen weisen darauf hin, dass die Mischung aus niederländischen und italienischen Formen hier besonders deutlich wird.

Wir sind noch einmal zu den Porträts zurückgekehrt und haben kurz die feine Zeichnung der beiden Söhne des Künstlers betrachtet:

- Hans Holbein d.Ä., Amborosius und Hans, 1511 

Der rechts dargestellte Hans wurde später zu dem berühmten Maler Hans Holbein d.J., der in England besonders mit seinen Porträts großen Erfolg hatte. Der Vater muss sein Talent erkannt haben, fanden wir, hat er doch die Persönlichkeit und des Blick des Jüngeren viel stärker betont, als bei dem älteren Ambrosius, der sich mit seinem Blick zu dem Jüngeren hinwendet.

Hans Holbein d.J. verließ mit 18 Jahren seine Heimatstadt und folgte 1515 seinem Bruder Ambrosius nach Basel. Einige Jahre später versucht er erfolglos in Frankreich eine Anstellung als Hofmaler zu bekommen und lebt von 1526 bis 1528 in England. Vorher hat er schon den Auftrag des Basler Bürgermeisters Jacob Meyer zum Hasen erhalten für ihn ein Madonnenbild zu malen, das er erst nach seinem Englandaufenthalt vollendet.

- Hans Holbein d.J., Darmstädter Madonna, 1526  

Auch dieses Gemälde wird im Digitorial (auch hier muss man herunterscrollen) erklärt. Wir haben die dargestellten Personen außerdem mit den teilweise erhaltenen Vorzeichnungen verglichen. 

- Hans Holbein d.J., Porträt Jakob Meyer zum Hasen

- Hans Holbein d.J., Porträt Dorothea Kannengiesser 

- Hans Holbein d. J., Portrait Anna Mayer

Zum Vergleich mit der zeitgenössischen italienischen Malerei und als Vorbild für den Marienkopf haben wir das Bild von

- Andrea Solari, Salomè erhält das Haupt von Johannes dem Täufer, um 1520/1524

aufgerufen. Diskutiert haben wir auch die Frage, wer die beiden Knaben auf der linken Seite des Bildes sind. Hier gibt es in der Wissenschaft unterschiedliche Zuordnungen, die einen halten den jungen Mann wegen der Muschel an seiner Tasche für den Namenspatron Jakob Meyers, den Heiligen Jakobus, den man von Santiago de Compostela kennt. Nach dieser Lesart könnte der kleine nackte Knabe der Heilige Johannes als Gefährte des Jesuskindes sein. Es könnte sich aber auch um die beiden verstorbenen Söhne des Auftraggebers handeln, was ich persönlich für wahrscheinlicher halte. 

Hans Holbein d.J. siedelt 1532 endgültig nach England über und damit endet auch die Zeit, die von der Ausstellung abgedeckt wird.