Dienstag, 21. März 2023

Antoni Gaudi - ein Besuch in Barcelona

Passionsfassade, Sagrada Familia, Barcelona (Foto B. Leisner 2023)
Ich geb' es gleich am Anfang zu: Wir sind diesmal nur deshalb nach Barcelona zu Gaudi gesurft, weil ich gerade dort war und große Lust darauf hatte mich mit anderen über die Werke dieses Künstlers und Architekten auszutauschen. (Eigentlich mache ich beim Kunstsurfen ja immer das, was mich gerade am meisten interessiert...)

Wer war also Antoni Gaudí i Cornet (25. Juni 1852 - 10. Juni 1926)?  Er gilt laut Wikipedia als herausragender Vertreter der katalanischen Bewegung des Modernisme. Als Sohn eines Kupferschmieds geboren, entschied er sich, nachdem er die Frau, in die er sich verliebt hatte, nicht bekam, dafür wie ein Mönch asketisch und im Zölibat zu leben. Nachdem er zu Ruhm gekommen war, lebte er bis 1925 in einem Haus im Park Güell; dem Park, den er zu einem Teil mit seinen eigenen Einfällen gestaltet hat. Nach seiner Schulzeit hatte er fünf Jahre lang Architektur in Barcelona studiert, wo er am Ende seines Studiums den reichen Unternehmer und Mäzen Eusebi Güell kennen lernte, für den er mehrere Werke schuf. 

 Eines seiner beiden frühesten Werke ist die

- Casa Vicens, 1883-1885 (wir haben uns als zweites Bild des Hauses die Eingangsfront im Garten genauer angesehen)

ein Wohnhaus in Barcelona, das er für den Börsenmakler Manuel Vicens i Montaner entwarf. Auf uns wirkte dieser Eingang sofort sehr orientalisch und auch die bunten Kacheln fielen uns auf. Wir gingen dabei dem Hinweis nach, dass Gaudi vom Mudéjar-Stil inspiriert wurde, einer Mischform spanischer und arabischer Elemente. Dieser Stil begann im ausgehenden 12. Jahrhundert und erreichte vom 14. bis 16. Jahrhundert seine Blüte. Die Mudejaren waren Muslime bzw. Araber, die im Verlauf der Reconquista unter die Herrschaft der christlichen Könige in Spanien gekommen waren und sich an ihre christliche Umgebung anpassten. (Ein kleiner Hinweis: Es gibt bei Google Arts and Culture ein sehr schönes Digitorial zu diesem Stil)

Für die Fassade haben wir zwar ein anderes Beispiel des Mudéjar-Stils angeschaut, aber dieses hier passt noch besser:

- Turm der Kirche von San Salvador, Teruel, Spanien, 1. Viertel 14. Jh.        

Auch Innen hat sich Gaudi von historischen Vorbildern in Spanien inspirieren lassen. So gibt es in einigen Innenräumen tropfsteinhöhlenartige Gewölbe, am prägnantesten im 

- Raucherzimmer.

Uns hat die Deckengestaltung in diesem Zimmer erst einmal ordentlich verwirrt. Nach zweimaliger Vergrößerung konnten wir dann erkennen, dass die Decke aus lauter dreieckigen Nischen zusammengesetzt ist, die über Traubenformen miteinander verbunden sind. Dagegen sind die Wände bis zur halben Höhe mit blau-gelben Fliesen verkleidet, über die Blüten verteilt sind, während die obere Hälfte der Wände mit bräunlichen rautenförmigen Fliesen verkleidet ist, die verschiedene Pflanzenreliefs zeigen. Auch sie gelten als typische Gestaltungsmerkmale Gaudis.

Als Vergleich haben wir dann ein Bild der

- Deckengestaltung in der Halle der Beiden Schwestern, Alhambra, Granada, 14. Jh.  

 angeschaut. Diese Gestaltung nennt man Muqarnas oder Stalaktitengewölbe und wir fanden sie nicht unähnlich der etwas einfacheren Gestaltung bei Gaudi.

Von den Anfängen des jungen Architekten sind wir dann direkt zu seinem Hauptwerk gesprungen und haben dabei jede Menge interessanter Häuser und Anlagen ausgelassen, die er z.B. für seinen schon genannten Mäzen und Freund Eusebi Güell und dessen Gesellschaftsschicht gebaut hat, und bei denen er seinen eigenen Stil immer mehr entwickeln konnte. Dieser Stil kam natürlich nicht ohne die zeitgenössische internationale Kunst zustande, die damals immer mehr zu dem - in Deutschland so genannten - Jugendstil tendierte. Gaudi prägte in dieser Zeitströmung seine eigene Variante des "Katalanischen Modernismus", der als eine kulturell-gesellschaftliche Erneuerungsbewegung im katalanischsprachigen Raum gilt. Diese Bewegung fand nicht nur in der Architektur, sondern auch in der bildenden Kunst, der Literatur und der Musik ihren Ausdruck. Entstanden war sie aus einem Überdruss am Historismus des 19. Jahrhunderts und ihr Ende fand sie in der Hinwendung zum Expressionismus der 1920er und 1930er Jahre. Parallel zu dem Stil des Modernisme wurden in Barcelona die mittelalterlichen Stadtmauern geschleift und die Stadt in Richtung Nordwesten um den Stadtteil Eixample erweitert; kein Wunder also, dass dort zahlreiche Zeugen dieses Baustils zu finden sind, in denen das Großbürgertum seine katalanische Identität ausdrücken und seinen Reichtum zeigen konnte.

Der Bau der "Basílica i Temple Expiatori de la Sagrada Família" ( auf Deutsch: Basilika und Sühnetempel der Heiligen Familie) war schon 1882 begonnen worden. Die Idee dazu hatte Josep Maria Bocabella, der in Barcelona eine religiöse Buchhandlung führte. Sein Vorbild waren italienische Kirchen. Allerdings gab es mit dem ersten Architekten bald Streit, so dass Gaudi den Auftrag zum Weiterbau der schon begonnenen Krypta erhielt, die 1889 fertig wurde. Gaudi entwarf 1885 ein neues Gesamtkonzept für eine gotisierende Kathedrale mit 18 Türmen. 43 Jahre lang arbeitete er an diesem Kirchenbau, davon die letzten 15 Jahre ausschließlich. Der Spanische Bürgerkrieg führte zu großen Problemen mit dem Weiterbau nach Gaudis Tod, so dass man ihn erst ab 1950 fortsetzen konnte. Am 7. November 2010 konnte der fertige Innenraum eingeweiht werden. Bis zum hundertsten Todesjahr Gaudis 2026 sollte die Kirche vollständig fertiggestellt werden, doch hat Corona inzwischen einen Strich durch diese Rechnung gemacht. 

Wir haben zuerst einen Blick von Weitem auf die Nordseite geworfen, wo der Besuchereingang ist. 

- Sagrada Familia, Nordseite  

Auf dem Bild erkennt man die lange Menschenschlange, die täglich dort auf Einlass wartet.

Danach haben wir das Bild von der

- Südseite  

daneben gestellt. Zum besseren Verständnis der Anlage haben wir dann den 

- Aufriss mit dem Grundriss

aufgerufen. Im Grundriss erkennt man sehr gut, welche ausladenden Dimensionen die beiden Seitenportale durch Gaudi bekommen haben. Mit dem Aufriss bekamen wir schon einen Eindruck von dem Säulenwald, der das Kirchenschiff und die Apsis prägt. 

Wie die Baustelle am Beginn des 20. Jahrhunderts aussah, zeigt ein Foto

- Baustelle der Sagrada Familia, 1905

und an dem

Modell der Statik

das auf dem Kopf hängt, haben wir versucht einen Eindruck von der Entwurfstätigkeit des Architekten zu bekommen, der anscheinend seine Bögen aus herabhängenden und mit Gewichten beschwerten Fäden entwickelt hat.

Genauer betrachtet haben wir dann die beiden Portale: Das

-    Nordportal, auch Geburtsportal genannt, 

stammt noch aus der Zeit, in der Gaudi den Bau beaufsichtigt hat. Um es näher zu betrachten haben wir das folgende Bild aufgerufen:

- Skulpturen am Geburtsportal.  

Und es gibt wirklich viel zu sehen, an diesem mit Figuren, Pflanzen und Tieren überladenden Portal mit seinen drei Einlässen. In der Mitte erkannten wir die Darstellung Marias, die - ungewöhnlicherweise - ihr Kind in einer Blechwanne zu baden scheint (wenn es nicht doch nur eine Krippe ist, die wie eine Wanne aussieht! ;-)). Josef beugt sich über die beiden und die Köpfe von Ochs und Esel ragen seitlich hervor. Darüber stehen singende und Musikinstrumente spielende große und kleine Engelsgestalten. Alles ist in einem krausen Blattwerk angeordnet, das entfernt an den Stil der oben besprochenen Muquarnas erinnert. Ein Stockwerk höher neigt sich ein kniender Mönch, der von einer stehenden Gestalt gesegnet wird, über das Bild, während wir erkannten, dass ganz oben Maria gekrönt wird. Und damit haben wir nur das Bildprogramm des mittleren Teil dieses Portals näher betrachtet!

Uns fiel auf, wie sehr sich 

- das Südportal 

stilistisch von dem Portal Gaudis unterscheidet. Man kann deutlich erkennen, dass die Zeit fortschritt und neue stilistische Moden Einzug gehalten haben. Schon der Vorbau mit seinen hohen schmalen Pfeilern lässt auf expressionistische Ideen schließen. Schaut man dann auf die 

- Skulpturen des mittleren Portals,

so wird dieser Eindruck noch stärker. In der Mitte steht eine Frauengestalt mit dem Schweißtuch der Veronika, auf dem das Gesicht Christi seinen Abdruck hinterlassen hat. Rechts von ihr ist der kreuztragende Christus am Boden zusammengebrochen, während links zwei Schergen stehen, die wie die Ritter eines Science-Fiction-Films aussehen. Die Kreuzigungszene darüber wird von einem extrem ausgemergelten, ganz und gar nackten Gekreuzigten beherrscht.  

Zum Abschluss haben wir noch kurz einen Blick in den Säulenwald im Inneren der Kathedrale geworfen, der von verschiedenfarbigen Glasfenstern beleuchtet wird:

 -    Kircheninneres, Blick in das Langhaus

Den Abschluss bildete ein kurzer Eindruck der bunten

- Turmspitzen in Form von Fruchtkörben (von den Türmen auf der Nordseite).