Auschnitt aus: Perugino, Die Schlüsselübergabe (gemeinfrei, Quelle) |
Der Maler Pietro Vannucci (um 1445/1448 - 1523) - er wird, da er in Perugia lebte, Pietro Perugino genannt - war in seiner Zeit und noch lange danach in Italien hochberühmt. Er lernte bei Piero della Francesca und Andrea del Verrocchio, bei dem u.a. auch Leonardo da Vinci in die Lehre ging, und hatte als Lehrer Einfluss auf Raffaels Frühwerk.
Dieses Jahr wird in Peruginos Heimat Umbrien sein 500. Todesjahr mit einer Reihe von Veranstaltungen und einer interessanten digitalen Ausstellung begangen.
Der Begriff Renaissance bezeichnet die Kulturepoche, in der die Lebenswelt sich vom Mittelalter zur Neuzeit wandelt. Das Wort bedeutet Wiedergeburt und steht für Wiederentdeckung und -belebung der Kultur der griechischen und römischen Antike. Sie wurde in dieser Zeit zum Maßstab für die Werke von Gelehrten und Künstlern, die sich erstmals intensiv mit den antiken Texten, Bauten und Kunstwerken auseinandersetzten. Damit veränderte sich in der Kunst die Darstellung des Menschen und des Natur- und Architektur-Raumes, während in der Architektur antike Vorbilder wie z.B. die Säulenstellung wieder aufgegriffen wurden. Die Epochenbezeichnung Renaissance entstand allerdings erst im 19. Jahrhundert.
Das früheste Werk, das Perugino zugeschrieben wird, sind zwei Bilder mit Szenen aus dem Leben des hl. Bernard (Tempera auf Holz, evtl. zusammen mit Pinturicchio) von 1473, die heute in der Galleria Nazionale dell’Umbria aufbewahrt werden. Genauer angesehen haben wir uns das Bild
- San Bernardino lässt ein totgeborenes Kind wieder auferstehen (Achtung: man sieht auf dieser Website zuerst nur eine schwache Abbildung und muss herunterscrollen zu "Documentazione Fotografica". Wenn man darauf klickt, öffnet sich eine Bilderreihe. Das letzte Bild hat die beste vollständige Wiedergabe, daneben gibt es mehrere Detailaufnahmen. Man kann sie durch Anklicken vergrößern.)
Wir haben uns die Szene links im Hintergrund genauer angesehen, mit dem sitzenden "Neugeborenen" und den beiden Frauen, die bei ihm am Boden knien, während hinter ihnen ein stehender junger Mann und eine weitere kniende Frau die Hände erstaunt erheben und hinten im Raum die junge Mutter im Bett liegt und zu ihrem Kind herüberschaut. Auffällig fanden wir die Szenerie mit dem großen offenen Innenhof, durch dessen Arkaden man in eine weite Landschaft schaut. Und was sind das für Leute, die auf der rechten Seite stehen? Besonders angetan hatten es uns die beiden Männer ganz rechts: Kann der Mann ganz in Schwarz mit dem schicken schwarzen Hut der Hl. Bernhard sein, der mit dem - reich gekleideten - Kindsvater(?) spricht, haben wir uns gefragt. Inzwischen denke ich aber, dass das eher unwahrscheinlich ist, da es sich um ein Wunder des Franziskanerpredigers Bernhardin von Siena handelt. Dieser Heilige wird auf anderen Bildern stets in seiner einfachen Mönchskutte dargestellt!
Verglichen haben wir dieses Werk mit einem Bild von Peruginos Lehrer Piero della Francesca (um 1410–1420 - 1492):
- Piero della Francesca, Die Geißelung Christi, 1444/78.
Uns fiel auf, dass die Raumaufteilung in beiden Bildern ähnlich ist, ebenso wie die Darstellung antiker Architektur und die Verteilung der Gestalten. Auch hier gibt es eine Bildszene im Hintergrund, in der das für das Bild bedeutende Geschehen der Geißelung dargestellt wird, während die deutlich größeren Personen rechts keine so eindeutige Aussage ermöglichen.
Peruginos bekanntestes Gemälde entstand 1481 für die Sixtinische Kapelle in Rom
- Christus übergibt die Schlüssel an Petrus (italienisch: Consegna delle chiavi a Pietro), 3,35 × 5,50 m),
Das Bild gehört zu dem Zyklus der Wandfresken, an dem die damals gefeiertesten Maler Italiens mitwirkten. Die perspektivische Tiefenstreckung soll dabei die Zeitgenossen besonders stark beeindruckt haben. "Ein Wimmelbild" war bei uns die erste Assoziation. Auch auf diesem Fresko ist die Unterteilung in Vordergrund, Mittelgrund und Hintergrund anhand der Größe der Gestalten deutlich erkennbar. Die perspektivische Darstellung wird dabei durch die gepflasterte Bodenfläche, auf der sich das Geschehen abspielt, noch weiter betont.
Vorn in der Mitte erkannten wir Christus und Petrus, der den Schlüssel erhält. Als wir genauer hinsahen, bemerkten wir auch die zarten Heiligenscheine um die Köpfe der Personen, die auf dieser Bildebene barfüßig dargestellt sind - also seine Jünger. Am rechten und linken Rand stehen einige Männer in zeitgenössischer Kleidung und es heißt, dass darunter der Maler selbst zu sehen ist (der schwarz gekleidete Mann, der in der rechten Gruppe auf den Betrachter schaut). Sind eigentlich nur Männer auf dem Bild zu sehen?
Und was passiert im Mittelgrund? Zwei Szenen sind zu sehen. Rechts erkannten wir in der Mitte Christus und um ihn Männer in Wurfhaltung: die Steinigung Christi nach einem Streitgespräch mit den Juden im Tempel (Joh 8,59 EU). Rechts glaubten wir die Gefangennahme Christi zu erkennen, es handelt sich aber um die Frage nach dem Zinsgroschen (Lukas 20), die ein Versuch war Christus gefangen zu nehmen.
Der Hintergrund, der sich in eine weite Landschaft öffnet, wird durch drei Gebäude verstellt. Der Zentralbau in der Mitte mit seiner Kuppel soll ein Symbol für die Universalität der päpstlichen Macht und zugleich eine ideale Umsetzung des Tempels von Jerusalem darstellen, heißt in bei Wikipedia. Bei den beiden seitlichen Aufbauten handelt es sich um die Nachbildung des Konstantinsbogens, als ein antikes Bauwerk, das man in Rom bewundern konnte.
Aber Perugino hat nicht nur christliche, sondern auch antike Themen verbildlicht. Wir haben uns angesehen:
- Apollon und der Hirte Daphni (lange Zeit Apollon und Marsyas genannt), datiert 1475 / 1500, Louvre (rechts unter dem Bild ist ein kleines Viereck, klickt man darauf, erscheint das Bild seitengroß, ein weiterer Klick vergrößert es noch einmal)
Der Auftrag zu dem Bild kam von dem reichen Florentiner Bankier Lorenzo de Medici. Zwei fast androgyne Männer stehen nackt in einer Flusslandschaft. Im Hintergrund befindet sich eine Stadt oder ein Schloss und eine dreibogige Brücke. Aufgefallen ist uns die Leier, die zwischen beiden Figuren am Boden steht, sowie der Bogen mit seiner losen Sehne und dem Köcher zu Füßen der rechten Figur. Diese Attribute weisen eindeutig auf den griechischen Gott Apollon hin. Der sitzende und Flöte spielende junge Mann links wurde früher als Marsyas identifiziert. Da dieser aber meist als Satyr dargestellt wird, nimmt man inzwischen an, dass es sich um Daphnis handelt; einem jungen Hirten, der aus Liebe zu Apollo starb. Daphnis ist die griechische Form des Namens Laurus und verbindet das Werk möglicherweise mit den Namen des Auftraggebers.
Eine Verbindung der beiden Figuren mit der antiken Kunst haben wir zu zwei klassischen Bildwerken hergestellt:
- Praxiteles, Hermes und Dionysius (diese Skulptur wurde allerdings erst im 19. Jahrhundert wiederentdeckt)
An seine Pose lehnt sich die Gestalt des Gottes Apollon deutlich an. Die Pose des sitzenden Daphnis verglichen wir mit
- Lysippus, Sitzender Hermes (wiederentdeckt 1758).
Zum Schluss gab es gerade noch Zeit als Abschluß ein Bild aufzurufen, in dem Perugino ein eigentlich noch mittelalterliches Thema dazu nutzt, eine antikisierende Szenerie mit einer Reihe von bewegten nackten Figuren aufzubauen:
- Der Kampf zwischen Liebe und Keuschheit, 1503
Es gäbe noch viel mehr über die Kunst von Perugino zu entdecken. Also sei hier die oben genannte digitale Ausstellung und die zugehörige Website noch einmal empfohlen!