Dienstag, 10. Januar 2023

Kunst aus Benin

Beutestücke aus Benin, 1897 By Unknown author - British Museum Af,A79.13, Public Domain, Quelle

Die bronzenen Kunstwerke aus Benin waren Ende 2022 allgemeines Pressethema, als die Außenministerin und die Kulturstaatsministerin aus Deutschland nach Nigeria reisten, um dort erstmals solche Bronzen aus deutschen Museen an ihren Ursprungsort zurück zu bringen (siehe hier). 

Schon vorher wurde mit "digitalbenin" eine neue internationale Plattform online gestellt, auf der alle Objekte, historische Fotografien und reichhaltiges Dokumentationsmaterial aus Sammlungen in aller Welt vereint werden, die zu dieser ursprünglich königlichen Repräsentationskunst gehören. Diese Plattform verbindet die digitale Dokumentation der translozierten Objekte mit mündlichen Überlieferungen, Objektforschung, historischem Kontext, einem grundlegenden Katalog der Edo-Sprache, Herkunftsangaben, einer Karte des Benin-Königreichs und Museumssammlungen weltweit. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Objekten, die im Februar 1897 von britischen Truppen aus dem Königreich Benin (heute Edo State, Nigeria) geplündert und in der unmittelbaren Folgezeit gewinnbringend verkauft wurden. 

Wir haben uns als erstes ein Foto angesehen, auf dem der Raub der Kunstwerke dokumentiert ist:

- Foto von britischen Soldaten bei der Plünderung des niedergebrannten Oba-Palasts in Benin City im Februar 1897. Auf dem Fußboden liegen die Bronzen ausgebreitet. 

Die auf dem Foto am Boden liegenden Bronzeplatten waren ursprünglich an den Pfeilern und Wänden des Königspalastes angebracht. Das ehemlige Königreich Benin ist heute ein Teil von Nigeria (hier eine Karte). Die Stadt Benin darf man sich wohl weitgehend so vorstellen, wie sie ein englischer Offizier 1897 skizziert hat, das heißt als weitgehend rechtwinkelige Anlage mit langen Mauern, die große Höfe bilden.

Es wurden aber nicht nur Bronzen geraubt, sondern auch andere Kunstwerke. Ausgewählt habe ich als erstes eine 

- hölzerne Tür (mit den Symbolen links oben im Bild kann man vergrößern und verkleinern oder zum Vollbildmodus wechseln).

Sie ist oben mit drei kleinen vollplastischen Figurengruppen besetzt: Jeweils eine auf einem Stuhl sitzende Frau mit einem vor ihr stehenden Kind. Dabei sieht es aus, als ob die Frauen mit ihren Kindern spielen; eine klascht mit ihm in die Hände, die andere hält es an den Ärmchen vor sich, als ob sie mit ihm das Laufen übt und die dritte hält ein schon größeres Kind an den Armen fest, während vor ihr anscheinend eine Art Wächter steht. Dabei ist die Tür mit Bordüren mit Flechtwerkmustern eingerahmt und auf dem Türfel entschlüsselten wir eine Art Harpune mit Widerhaken und Tau, die von gebogenen Messern (oder sind es doch Schalen?) umgeben wird. Und nein, wir wussten nicht genau, was diese Bilder bedeuten könnten und leider lässt die Beschriftung auf der Plattform noch zu wünschen übrig. 

Danach haben wir die erste Bronzetafel aufgerufen, die zu den mehr als 800 Tafeln gehörte, die einst die Säulen in der Audienzhalle des Oba, des Königs von Benin, schmückten:

- Relieftafel, die einen Kriegshäuptling mit zwei Begleitern zeigt.

Die mittlere Figur sticht als größte hevor. In der Beschreibung dazu heißt es, dass dieser Mann ein einzigartiges Kostüm trägt und sich durch seine hohe Krone und die lange gefiederte Tunika von anderen Höflingen und Kriegern auf den Tafeln unterscheidet. Das Halsband besteht aus Korallenperlen, Odigba genannt. Es wurde vom König an hochrangige Mitglieder seines Hofstaats verliehen. Außerdem trägt er eine um die Brust gewickelte Kriegerglocke und hält einen Speer und einen Schild. Weiter heißt es auf der Seite: "Die Büsten der portugiesischen Figuren in der oberen linken und rechten Ecke könnten die militärischen Fähigkeiten des Mannes unterstreichen. Portugiesische Söldner kämpften in einem Krieg von 1517 an der Seite von Benin-Kriegern - auch wenn diese portugiesischen Figuren nur Pfeife rauchen und sich wohl zu fühlen scheinen. Bei den kleinen, fast nackten Figuren im Gefolge des Höflings handelt es sich um heranwachsende Jungen im Dienst des Palastes, die emada (sing. omada) genannt werden. Der junge Mann auf der linken Seite trägt ein zeremonielles Hofschwert, Eben genannt, mit dem hohe Beamte für den Oba auftreten. Beide emada haben Skarifikationen im Gesicht und auf dem Oberkörper, die ihren Status als Untertanen des Oba kennzeichnen." Skarifikationen sind Ziernarben, die entstehen, wenn die Haut entsprechend eingeritzt wird. Eindrucksvoll fanden wir auch die feine Musterung des Untergrundes durch Punzen. 

Als Material wird übrigens Kupferlegierung genannt. Das sind laut Wikipedia Legierungen mit Kupfer als Hauptbestandteil und anderen Metallen oder Halbmetallen in unterschiedlichen Mischverhältnissen. Sie gelten als die ersten von Menschen gezielt hergestellten Legierungen, wobei vor allem Bronze (Kupfer-Zinn) und Messing (Kupfer-Zink) eine wichtige Rolle gespielt haben. 

Als nächstes folgte die

- Reliefplatte mit zwei Beamten mit erhobenen Schwertern

In der Beschreibung heißt es, dass der weitläufige Palast in Benin-Stadt aus vielen Höfen bestand, die große Menschenmengen beherbergen konnten, sowie aus privaten Bereichen für die königliche Familie und Mitglieder des Hofes. Die Platten stammen aus einem dieser Höfe, der mit mehr als 850 Bronzetafeln geschmückt war, die an den quadratischen Säulen befestigt waren, die das Dach der Veranda stützten, die den Bereich des Raumes beschattete. Oba (König) Esigie (reg. 1517-50) gab dieses umfangreiche Kunstprojekt wahrscheinlich in Auftrag, um seine Autorität nach einem Erbfolgestreit und einem Bürgerkrieg zu behaupten, während sein Sohn Orhogbua (reg. 1550-70) das riesige Projekt nach dem Tod seines Vaters vollendet haben könnte. 

Weiter ist zu lesen, dass auf dieser Tafel zwei hochrangige Höflinge mit hochgehaltenen Zeremonialschwertern stehen, letztere wurden bei besonderen Feierlichkeiten in die Luft gewirbelt. Auch diese beiden Männer tragen dicke Halsbänder aus Korallenperlen. Die gleichen Perlen verzieren die halbrunden Kopfbedeckungen, das Band über der Brust und die Fußketten. Allerdings war uns nicht klar, ob die Noppen auf den Kopfbedeckungen Tierzähne sind oder nicht. Die Tücher um die Hüfte sind auf der Seite geknotet und laut Beschreibung mit Leopardengesichtern ausgeschmückt. Sie weisen auf die Macht des Königs, der oft metaphorisch mit einem Leoparden verglichen wird. 

Neben solchen Platten mit Reliefs gab es auch ganzfigurige Plastiken, wie diesen

- königlichen Boten (alternativ Hofbeamter), 

der in das 17. oder 18. Jahrhundert datiert wird.

Er trägt einen Hut mit Krempe, eine Brustbedeckung mit Fransen und einen geknoteten Umhang, der auf dem Rücken angscheinend mit einer Art von Trägerband befestigt ist. Wobei wir uns Gedanken gemacht haben, wo und wie diese Bänder wohl zusammengebunden worden sind. Anders als die hohen Würdenträger hat er keine breiten Halsbänder und nur einfache Armbänder und Fußringe. Vor der Brust hängt ein kreuzförmiger Anhänger und in seiner linken Hand hält er ein Werkzeug, das ein Hammer oder ein Schlüssel sein könnte. 

Diese Figur könnte in einem ähnlichen Altarschrein aufgestellt gewesen sein, wie auf diesem

- Foto vom Anwesen des Königs von 1891 

abgebildet ist.

Anscheinend gehörten auch Figuren, wie der 

- sitzende Portugiese

zu solchen Schreinen. Ungewöhnlich ist anscheinend, dass er so dargestellt ist, als ob er sich ausruht, während sonst die Portugiesen eher als aktive Waffenträger erscheinen. Die Kleider des Mannes entsprechen der spanischen und portugiesischen Mode des 16. und 17. Jahrhunderts, wozu wir uns als Vergleich dieses Bild aus einem Stichwerk des 19. Jahrhunderts angesehen haben.

Eine zweite Figur, die angeblich auch einen Portugiesen zeigt, wirkte auf uns etwas befremdlich:

- Portugiese

In der Beschreibung heißt es dazu, dass portugiesische Seefahrer ab dem Ende des 15. Jh. mit dem Oba im Handelskontakt standen und begehrte Güter wie Metalle lieferten, "die zu einem Aufschwung der nur dem König vorbehaltenen Messinggießerei führten. Die Abbildungen von Portugiesen in der Kunst, insbesondere in Form massiger Metallfiguren, dienten als Synonyme für Status, Macht und Reichtum der Prestigesteigerung des Herrschers. In religiös-spirituellem Zusammenhang symbolisierten Portugiesen-Abbilder darüber hinaus eine Verbindung zu Olokun, dem Gott des Wassers und der Meere, denn aus seinem Reich, dem Meer, erschienen die Portugiesen mit ihren Schiffen." Als wir die Gestalt genauer ansahen, fiel uns auf, dass dieser Krieger in Schussposition zwar mit einem portugiesischen Helm und einem europäischen Gewehr ausgestattet ist, aber in der Form seines Gesichtes eher einem Afrikaner entspricht und auch in einer merkwürdig aus afrikanischen und europäischen Formen gemischten Kleidung erscheint, er trägt zwar knielange Hosen wie die Portugiesen, aber sie liegen eng an den Beinen an ebenso wie das mit Riemen festgebundene Brusttuch, das wir schon als typisch für die Kleidung in Benin kennengelernt hatten.

Nicht nur menschliche Figuren auch Tierplastiken wurden in Benin hergestellt. Sie standen offenbar symbolisch für die oberste Schicht des Königreiches:

- Hahn

Dazu heißt es: "Plastiken von Hähnen standen auf den Altären des Königs und der Königinmutter. Hähne waren verbreitete Opfergaben in Benin. Zugleich sind sie auch ein Bild der Rolle der Mutter des Thronfolger (Edaiken). „Der Hahn, der am lautesten kräht“ war eine Bezeichnung der Hauptfrau des Königs, der Mutter des Thronfolgers und der potentiellen Königinmutter. Der Einfluss dieser Frauen auf die Politik Benins erhält so in dem Hahn ein Bild, das ihre Machtposition unterstreicht."

- Leopard

In Benin gilt der Leopard als König des Waldes und damit als Symbol der Autorität. Er ist damit ein Symbol des Königtums und verkörpert "die Eigenschaften Mut, Stärke, Wildheit und Weisheit". 

Dabei gab es aber auch Erinnungsfiguren bzw. -köpfe der Königinmutter selbst, die mit einem sehr breiten Korallenhalsband und einer speziellen, oben spitz zulaufenden Kopfbedeckung abgebildet worden sind: 

- Gedenkkopf für die Königinmutter

Gedenkköpfe für die Königinmutter wurden am Ahnenschrein für die Königinmutter aufgestellt. Diese Köpfe zeichnen sich besonders durch die "Hühnerschnabel"-Frisur aus. Die frühesten dieser Köpfe könnten aus der ersten Häflte des 16. Jahrhunderts stammen. 

Kurz kam noch die Frage auf, wie man diese Figuren überhaupt hergestellt hat. Wahrscheinlich geschah es im Wachsausschmelzverfahren, bei dem eine Form aus Wachs modelliert wird und dann mit einer festeren Masse ummantelt wird. So dass beim Eingießen des heißen Metalls das Wachs ausgeschmolzen wird. Eine solche 

- afrikanische Maskenform, 1931-32

haben wir uns zum Schluss angesehen. Sie ist aus gebranntem Ton, worauf auf der Vorderseite ein Gesicht in Wachs modelliert ist. Als Teil einer Serie zeigt sie die Herstellung einer Hängemaske in diesem Verfahren.