Blick in die Ausstellung "Matisse: The Red Studio" April 23, 2022–June 26, 2022. IN2492.2. Photograph by Jonathan Muzikar Quelle. |
Das Bild ist
- hier
noch einmal im Rahmen der digitalen Sammlung des Museums zu sehen und es gibt dazu auch ein
- Audioauf der Ausstellungsseite. (Um das Audio auch zu hören und nicht nur den Text zu lesen, muss man auf den scharzen Balken am unteren Rand der Seite gehen und dort auf den Pfeil klicken, siehe Bild)
Das Gemälde zeigt das Atelier des Malers in Issyles-Moulineaux im Oktober/November 1911, das man auch von einem
- Foto
des Studios kennt. Wir haben Foto und Gemälde verglichen und danach gesucht, welche Bilder und Einrichtungsgegenstände wir auf dem Gemälde wiederentdecken konnten. Das war eine ganze Menge, aber ich will hier dem Entdeckergeist meiner Leserinnen und Leser nicht zuvorkommen; also selbst schauen (oder das englische Audio anhören, bzw. sich den Text mit google Übersetzer oder deepl übersetzen lassen)!
Verraten sei immerhin, dass das Gemälde insgesamt elf Kunstwerke enthält. Und im Audio der Ausstellung erfährt man auch, dass das Bild eigentlich nicht als rotes Studio begann, sondern dass der Boden rosa, die Wände blau und alle Möbel ockergelb waren. Matisse aber gefiel das offenbar nicht wirklich, denn er "fasste den kühnen Entschluss", wie es in dem Text heißt, eine einzige Farbe zu nehmen, das venezianische Rot. Damit überzog er die gesamte Oberfläche des Gemäldes und nahm nur seine Kunstwerke davon aus. Die Kuratorin merkt dazu an, dass das ein unglaubliches Beispiel für kreativen Mut ist, weil man nicht einfach anfangen kann, alles mit roter Farbe zu übermalen, und dann entscheiden: "Oh, ich glaube, das war keine gute Idee."
Zugleich hat Matisse so mit der Wiedergabe der Realität gespielt, finde ich. Durch die rote Farbe und die Abstraktion, die damit einhergeht, hat er die Perspektive und damit die seit der Renaissance fest verankerte perspektivische Darstellung fast ganz aufgegeben und zugleich die eigenen Werke - Bilder, Skulpturen und Keramiken - farbig und detailliert aus der Farbfläche hervorgehoben. Die Architektur des Raumes und das Mobiliar sind dagegen nur durch Linien angedeutet. Damit steht die persönliche Sichtweise als Malers im Zentrum, wozu dieses Zitat aus der Ausstellung passt: "Woher ich die Farbe Rot habe, weiß ich allerdings nicht", bemerkte Matisse einmal. "Ich finde, dass all diese Dinge ... erst zu dem werden, was sie für mich sind, wenn ich sie zusammen mit der Farbe Rot sehe."
Zum Thema "rote Farbe" haben wir uns dann ein früheres Bild von Matisse angesehen:
- Das rote Zimmer (1908)
Das Bild war für das Esszimmer im Moskauer Herrenhaus des berühmten russischen Sammlers Sergej Schtschukin bestimmt. Matisse malte dafür einen mit Vasen, Früchten und Blumen dekorierten Raum. Wir mussten uns erst einsehen, um die Dekoration der Wand und des Tisches deutlich unterscheiden zu können. Dann rätselten wir eine Weile an dem Bildausschnitt links herum, der den Blick in eine Landschaft führt, bis wir sicher waren, dass es sich nicht um ein gerahmtes Bild an der Wand, sondern um den Blick aus dem Fenster handeln muss.
Noch früher hat der Künstler das Bild
Atelier unter dem Dachvorsprung (1903) (siehe auch das Audio)
gemalt, das den Eindruck von Kahlheit und Tristesse hervorrief und zugleich ist da dieser Ausblick aus dem Fenster auf einen bunten Garten oder Balkon. In der Ausstellung wird darauf hingewiesen, dass Matisse damals als junger Mann persönliche und finanzielle Schwierigkeiten hatte, Paris verlassen und in seine Heimatstadt im Nordosten Frankreichs zurückzukehren musste. Er hatte zwar einige Anhänger, aber der größte Teil der Öffentlichkeit machte sich über seine Malerei lustig; eine schwere Zeit also.
Wir haben noch ein weiteres Bild des Ateliers aus dem Jahr 1911 angesehen
- Das rosafarbene Studio (1911)
und dabei einige Werke wiedererkannt, die auch in dem "Roten Atelier" zu sehen sind. Zugleich wurde daran noch einmal der neue Blick deutlich, der sich in dem "Roten Atelier" zeigt, das "Rosafarbene Studio" nutzt noch das Mittel der großgemusterten Fläche, die hier als blaues Tuch in der Mitte des Raumes angeordnet ist, die verschiedenen Kunstwerke scheinen dahinter bzw. daneben fast zurückzutreten und haben noch nicht die Wertigkeit wie im "Roten Atelier".
Wir haben noch einmal genauer hingeschaut, welche Werke der Maler in seinem Atelier porträtiert hat. Das älteste Bild ist
- Corsica, Die alte Mühle (1898),
bei dem uns die impressionistische Behandlung des Bauwerkes und das Spiel von Licht, Farbe und Schatten besonders ins Auge fiel.
Bei dem Bild der drei nackten Frauen rätselten wir, ob die Hockende den linken Fuß der Stehenden mit dem weißen Tuch abtrocknet und ob das Mädchen mit einem Ball spielt.
- Der Luxus II (1907–08) Audio
Auch das Bild
- Der junge Seemann II (1906) Audio
ist im "Roten Atelier" an der Wand aufgehängt. Allerdings konnten wir mit der Interpretation von Professor Mehammed Mack im Audio des Moma nicht viel anfangen, auf den das Bild "wie ein homoerotisches Gemälde" wirkt. Mack sagt weiter, dass ihm aufgefallen ist, "dass dies ein sehr direkter Blick ist. Die Falten im Pullover haben ein interessantes Zusammenspiel mit den Falten in seiner Hose. Sie betonen die Muskulatur der Oberschenkel. Und was ich hier als sehr offensichtlich empfand, waren die Umrisse des Schritts und der Genitalien." Die "Seemänner" unter uns wiesen auf die Hosen mit einem Hosenlatz hin, die auf See und in der Marine üblich sind und meinten, dass man daraus kaum auf eine solche homoerotische Betonung schließen könne. Wie uns überhaupt schien, dass die männlichen und weiblichen Kuratoren und Interpretatoren des Museums einen sehr von zeitgenössischen Diskussionen geprägten Blick auf die Bilder werfen.
Auf einem der nur in Umrissen gezeichneten Sockel unterhalb des Gemäldes "Der Luxus" steht die
- Dekorative Figur (1908),
die im Original ca. 72 cm hoch ist und an der uns die in sich gedrehte Pose auffiel.
Zum Schluss blieb uns gerade noch Zeit für die Plastik neben der "Dekorativen Figur". Bei ihr handelt es sich um eine der Büsten von Jeanne Vaderin, die Matisse zwischen 1910 und 1916 schuf.
- Jeannette (I) (Januar - März (?) 1910)
Im Laufe der Zeit veränderte Matisse die traditionelle Darstellung ihres Gesichts radikal. Während die erste und die zweite Büste noch das charakteristische, falkenartige Profil der Porträtierten zeigen, abstrahiert der Künstler das Bild immer mehr und betonte dabei einzelne Charakteristika. Ihm war nicht die "visuelle Präzision" wichtig, sondern das Herausarbeiten der "wesentlichen Qualitäten" der porträtierten Perönlichkeit.
- Jeannette (V) (Sommer 1916)
Auf uns machte allerdings das letzte Porträt dieser Serie, der die Frau mit einem breiten traurigen Mund zeigt, während ein Auge offen und das andere geschlossen ist, einen eher erschreckenden Eindruck!