Mittwoch, 27. Juli 2016

Der babylonische Turmbau

Babylon, Holzschnitt von Abraham Saur (*1545 - †1593) Gedruckt bei W. Richter im Jahre 1608 in Frankfurt (Bildquelle)
Andere Leute gehen um diese Zeit auf Reisen. Wir Kunstsurfer sind diesmal auch in die Ferne geschweift und dabei nicht nur in Babylon angekommen. Die Bilder vom Turmbau in Babylon haben mich schon immer fasziniert. Als ich vor kurzem wieder einmal beim Google Art Projekt zu Besuch war, wurde gerade eine virtuelle Ausstellung zu einem der berühmtesten Bilder zu diesem Thema angeboten. Das war der Anlass sich damit mehr zu beschäftigen.

Wie meistens führt diese Beschäftigung zu Wikipedia, aber danach folgte gleich das Bibelstudium (Gen 11,1-9). Wie war das noch mal? Also die Menschen sprachen die gleiche Sprache, erhoben sich aber mit dem Bau eines Turmes, der in den Himmel reichen sollte, über Gott und wurden von ihm auseinander gebracht, indem er ihre Sprache verwirrte, so dass sie sich nicht mehr verstanden und zerstreuten.

Und wie wurde der Turmbau dargestellt? Das ist für mich das Interessante. Die frühen Bilder in Buchillustrationen z.B. zeigen unterschiedliche, oft rechteckige Türme. Wir haben uns das Bild auf der Wikipedia-Seite genauer angeschaut:

- Meister der Weltenchronik, Weltchronik in Versen, Szene: Der Turmbau zu Babel, um 1370 (Bayerische Staatsbibliothek)

Die Frage kam dabei auf, konnten die Menschen überhaupt in den Turm von Babel hinein? Wir haben von rechts unten angefangen: In der Hütte sitzen zwei Steinmetze, einer arbeitet an einem gotischen Fenster, der andere behaut einen Stein, links folgt ein Steinhauer mit einem Winkeleisen, über ihm wird gerade ein fertiger Stein nach oben gezogen. Daneben geht jemand mit einer Kiepe auf der Schulter in den Turm hinein, links vom Turm schaufelt jemand Steine oder Mörtel(?) zusammen, die in einem Korb hochgezogen werden. Oben auf dem Turm stehen Menschen, die die Kräne bedienen und zu Gott hinaufschauen, der vom Himmel kommt. Also ja, man dachte sich den Turm betretbar. Aber wenn man menschliches Maß anlegt, ist dieser Turm noch nicht sehr hoch geworden.

Lebhafter geht es dann schon auf dem frühen

- Holzschnitt, Turmbau zu Babel, aus der Wittenberg-Bibel von 1586

zu. Auch hier haben wir die Arbeiter gesehen, die ebenfalls noch neben dem Turm einen provisorischen Unterstand haben. Der König ist hinzugetreten. Der Turm ist wesentlich größer im Vergleich zu den Menschen und er ist ein Rundbau geworden, der in einer Stadtlandschaft steht.

Wieviel kleiner sind die Menschen und wieviel gewaltiger ist der Turm dann bei Pieter Breughel d. Ä. geworden! Es gibt von ihm zwei etwas unterschiedliche Gemälde. Zuerst haben wir das im Kunsthistorischen Museum in Wien angeschaut:

- Pieter Breughel d. Ä., Der Turmbau von Babel, 1563, Kunsthistorisches Museum Wien  (Man kann das Bild vergrößern und hinein- und hinauszoomen!)

Uns fiel auf: Der Hafen am rechten unteren Rand; die vielen roten Ziegelsteine, die mit einer Schute von den Schiffen zum Ufer gebracht werden und dort sorgfältig aufgstapelt sind; links dann der Ort, wo Steine behauen werden und der König zur Besichtigung gekommen ist; links im Hintergrund die unbefestigte Stadt; in der Mitte der Weg mit den zweirädrigen Karren, die in den Bau hineinfahren und die Hütten an diesem Weg, die aussehen, als ob sie gleich zusammenfallen würden; das Rad an der unteren Mauer, mit dem ein Stein hinausgezogen wird (und der Mann der unter dem Stein steht; sehr gefährlich!!); der Kran darüber, in dem drei Männer wie im Hamsterrad laufen;

Verglichen mit diesem Bild ist das wahrscheinlich spätere Bild in Rotterdam viel dunkler:

- Pieter Breughel d. Ä., Der Turmbau von Babel, um 1568, Museum Boijmans Van Beuningen, Rotterdam

Wir haben uns dazu durch die interessante Online-Ausstellung des Google Art Projektes hindurchgeklickt, die auch einen Vergleich mit dem Kolosseum in Rom enthält.

Und zwischendurch sind wir dann Ursels Hinweis gefolgt und haben die Seite von "FatcatArt" in unsere Betrachtung eingefügt. Man kann herunterscrollen und findet eine Reihe von Versionen des Breughelschen Gemäldes. Mir gefällt die gefangene Katze am besten!

Aber weiter im Text: Der Vergleich mit Rom führte uns zu der Frage, wie der Turm von Babel möglicherweise wirklich ausgesehen haben könnte. Denn das Kolosseum ist zwar ähnlich in der Gestaltung der Arkaden, aber der Turm bei Breughel ist wie eine Schnecke gewunden und damit doch ganz schön anders. 

Vielleicht der schiefe Turm von Pisa? Das fiel uns später noch ein. Aber auch der Turm passt als Vorbild nicht wirklich. 

Wikipedia schreibt, dass die biblische Überlieferung nach heutiger Erkenntnis auf gestufte Tempeltürme in Mesopotamien zurückgeht, die Zikkurat (auch Ziqqurrat, Zikkurrat, Ziggurat oder Schiggorat( heißen, das ist auf babylonisch „hoch aufragend/aufgetürmt, Himmelshügel, Götterberg“; Plural Zikkurats). Als Beweis wird die frühsumerische Dichtung "Enmerkar und der Herr von Aratta" angeführt, in der ebenfalls eine Sprachverwirrung in Zusammenhang mit großen Bauvorhaben erwähnt wird. 

- Die Zikkurat des Mondgottes Nanna von Ur nach der Rekonstruktion, erbaut vor über 4000 Jahren

(Dieser Bau erinnerte Ursel an den Tempel der Hatschepsut (1507–1458 vor Christus) in Ägypten)  

Doch diese Gebäude haben so gar keinen Bezug zu den Bildern von Breughel. Wo also könnte die Spiralform des Turmes herkommen? 

Irgendwo fand sich der Hinweis auf das 

- Minaret von Samara, erbaut bis 851im heutigen Irak

und das hat genau diese Spiralform und ist außerdem ein eindrucksvoll hohes Bauwerk. Können Abbildungen dieses in der islamischen Welt berühmten Turmes der damals größten Moschee der Welt zur Zeit der Renaissance nach Europa gelangt sein? 

(Zur Verwechslung führte übrigens dieses Samara im Irak mit Samarra in Rußland. Beim der Nachprüfung fand sich ein schönes Bild des russischen Ortes, das irgendwie auch an den Turmbau von Babel erinnerte!) 

Am Schluss waren dann aktuellere Bilder vom der babylonischen Sprachenverwirrung Thema. Bei dem Werk von 

- René Magritte, L'art de la conversation,1950

fiehl das Wort REVE (Traum) natürlich sofort ins Auge; aber auch die Instabilität der aufgetürmten behauenen Steine und die Kleinheit der beiden Menschen davor. Handelt es sich um eine Baustelle, die die Arbeiter verlassen haben, oder schon um eine Ruine, von der die Steine heruntergefallen sind?

Dass der 


das Bild von Breughel zum Vorbild haben könnte, war keinem von uns bewußt. Wenn man die Seite der Architekturfirma aufruft und die Bilder des Gebäude ansieht, kann man den Vergleich wohl auch nicht aufrecht erhalten. Immerhin aber hat die EU vor langer Zeit einmal mit einem Poster geworben, auf dem der Breughelsche Turm von Babel mit elf Sternenmit und  dem Spruch : "Europa – Viele Sprachen, eine Stimme" abgebildet war. (Das scheint zu Weltuntergangsfantasien anzuregen, jedenfalls habe ich diese Verbindung auf einer ziemlich eigentartigen englischen Website gefunden, die ich hier nicht weiter verlinken möchte.)

Dagegen aber hat das Spiel Planet Minecraft tatsächlich bei Breughel eine Anleihe gemacht: 

- World of Minecraft, Tower of Babel 

Und da kann man dann den Turm gleich selber bauen!

Übrigens, wer eine ausführliche Sammlung von historischen Abbildungen zu diesem Thema sehen will, sei auf diese Seite verwiesen, die Links zu weiteren Sammlunen enthält.