Sandro Botticelli, Jungfrau mit Kind - cgHULpr5dnz9JA at Google Arts & Culture, Domaine public |
Die Aussstellung in ist sieben Räume aufgeteilt. Es beginnt mit Botticellis Lehrzeit in der Werkstatt von Filippo Lippi in Florenz bis zu seiner Unabhängigkeit. Deshalb haben wir uns als erstes ein Werk seines Meisters angeschaut, denn im Ausstellungstext wird darauf hingewiesen, dass Boticelli in seinen ersten Werken noch stark von diesem beeinflusst war:
- Filippo Lippi (um1406 – 1469), Jungfrau mit Kind, um 1460-1465
Neben der Landschaft im Hintergrund, bei der wir rechts einen felsigen Weg in die Höhe zu einem Kirchenbauwerk (?) zu erkennen glaubten, haben wir uns ausführlicher mit der Madonna beschäftigt und besonders mit ihrem Verhältnis zu dem Kind, das zu ihr strebt, während sie auf uns, also ihre Betrachter herabzuschauen scheint. Verglichen haben wir damit zwei Madonnen - es handelt sich um die bei den Zeitgenossen sehr beliebten Andachtsbilder - von Boticelli:
- Botticelli, Jungfrau mit Kind, 1467
Das Gemälde wurde 1862 von Napoleon III. für die Sammlungen des Louvre von der Campana-Sammlung erworben (deshalb gibt es auch den Namen Madonna Campana für dieses Bild). Im Vergleich stellten wir fest, dass das Verhältnis zwischen Mutter und Kind uns inniger erscheint, auch wenn auffiel, dass diese Mutter das Köpfchen ihres Kindes nicht ordentlich hält, sondern eher streichelt. Auch die Rahmung und das Fenster in der Architektur links, das einen Ausblick auf die Landschaft und die Beleuchtung der Szene erlaubt, wurde gewürdigt.
Als drittes Bild dieser Reihe kam ein Vergleich zu
- Botticelli, Jungfrau mit Kind genannt die Madonna mit dem Buch, um 1482-1483
hinzu, die lange, nachdem Botticelli 1465 seine eigene Werkstatt in Florenz eröffnet hatte, entstand. Hier gibt er dem Thema eine ganz andere Wendung, denn jetzt bildet die Landschaft nicht mehr den Rahmen, sondern ist nur noch als Fensterausschnitt im Hintergrund zu erkennen, während die Madonna sozusagen im häuslichen Rahmen dargestellt wird. Anscheinend ist sie in das offen vor ihr liegende Buch vertieft, während der Jesusknabe fast vorwurfsvoll mit seinem Blick ihre Aufmerksamkeit einfordert. Dabei fiel uns auch auf, dass das Kind nicht nur einen zarten goldenen Heiligenschein trägt, wie seine Mutter, sondern auch schon einen goldenen Dornenkranz am Arm trägt.
Der zweite Raum zeigt Botticelli als Geschichtenmaler und damit auch, welche Aufträge damals in Florenz vergeben wurden: Gemälde schmückten die Möbel und Wandverkleidungen in den Patrizierhäusern. Solche Tafeln wurden mit verteilten Aufgaben ausgeführt, der Capobottega (Werkstattleiter) entwarf die Komposition der Szenen, seine Mitarbeiter trugen die Farbschichten auf. Zu Botticellis Mitarbeitern gehörte übrigens auch Filippino Lippi (1457 - 1504), der Sohn seines ehemaligen Meisters. Der Begriff des Originalwerks, wie wir ihn heute verstehen, war damals nicht
bekannt: Aber auch wenn jedes Werk das Ergebnis gemeinsamer Arbeit war, so ist es doch ein Werk des Meisters oder sozusagen der Marke "Botticelli".
- Botticelli und Filippino Lippi (1457 - 1504), Die Rückkehr der Judith nach Bethulia, 1469-1470,
In der biblischen Geschichte kehrt Judith mit dem abgeschnittenen Kopf des Holofernes in ihre von ihm belagerte Stadt zurück. Man sieht sie hier auf dem Weg. Wenn man genau hinschaut, kann man erkennen, dass sie als weiße Bürgertochter, ihre Begleiterin dagegen als dunkelhäutige Dienerin dargestellt ist. Die Dienerin trägt die Schale mit dem Kopf auf dem Haupt, während Judith den - gänzlich unbefleckten - Säbel in der Hand hält. Die Frage, warum sie einen Zweig in der anderen Hand trägt, blieb dabei unbeantwortet. Kann Sie jemand für uns lösen?
Beeindruckt hat uns das folgende Bild,
- Botticelli und Werkstatt, Das Urteil des Paris, um 1482-1485
weil es sozusagen wie zusammengesetzt wirkt. Obwohl die Figuren von Paris - mit einer goldenen Kugel/Apfel in der Hand - und den drei Göttinnen Aphrodite, Athene und Hera im Mittelpunkt stehen, zog doch die Landschaft des Hintergrundes unsere Aufmerksamkeit zuerst auf sich. Das Bild ist sozusagen so dicht mit Beiwerk zur Haupterzählung bestückt, dass die Gestalten darin ein wenig unterzugehen scheinen.
Den nächsten Raum, der sich mit der Vielseitigkeit der Werkstatt beschäftigt, haben wir ausgelassen. Hier nur soviel dazu, dass der Meister auch Pläne und Zeichnungen für eine Serie von Objekten in verschiedenen Techniken von der Tapisserie bis zur Stickerei und Einlegearbeit entworfen hat. Wir sind gleich zu der Verbindung des Künstlers mit der in Florenz führenden Familie der Medicis übergegangen, in deren Gunst Botticelli stand. Sie und ihr Kreis vergaben viele Aufträge. Für sie hat Botticelli auch als Porträtist gearbeitet. Das bekannteste Bildnis ist das Porträt des 1478 ermordeten Julien de Médicis, von dem es mehrere Kopien gibt.
- Porträt von Julien de Medici, um 1478–1480
Wir fanden, dass dieses Bildnis in seiner plakativen Farbigkeit fast modern wirkt, und verglichen es mit dem
- Bildnis der Simonetta Vespuci als Nymphe, um 1485.
Das Letztere verlockte viel mehr zum genauen Hinschauen, denn diese schöne Frau hat der Maler mit einer aufwendigen und reich geschmückten Haartracht, kostbarem Schmuck - besonders die Kette mit der Kamee am Hals - und teurer Kleidung dargestellt, also in der ganzen Pracht ihrer Schönheit und ihres Reichtums.
Das führte uns zu Boticellis berühmtesten Bildmotiv, der Venus. In den ersten Biographen über ihn stand schon zu lesen, dass man in den Patrizierresidenzen von Florenz viele "schöne nackte Frauen" von seiner Hand bewundern konnte. In Paris sind zwei Venus-Bilder ausgestellt. Wir betrachteten die
- Venus pudica, um 1485-1490,
die als ein neuer Prototyp dieser Figur gilt. Die Zeit wurde uns knapp und reichte gerade noch zu einem kurzen Vergleich mit dem Gemälde
- Die Geburt der Venus, um 1485,
das übrigens nicht in dieser Ausstellung zu sehen ist!
Nicht mehr angeschaut haben wir uns den Raum mit den religiösen Gemälden, obwohl die Herstellung großer Kirchenaltäre in der Werkstatt eine grundlegende wirtschaftliche Rolle spielte und, da öffentlich sichtbar, prestigeträchtige Aufträge bildete.
Der letzte Raum trägt den Titel: "Der letzte Weg: Eine Ästhetik nach den Ideen des Savonarola". Im Ausstellungstext heißt es dazu, dass Botticellis Werk am Ende des 15. Jahrhunderts die Zerissenheit der Zeit widerspiegelte: Die einst harmonischen und schlanken Formen werden verdichtet. Die Kompositionen knüpfen an eine altmodische Rollenhierarchie an, wie z. B. in Judith mit Holophernes Kopf (Ende der 1490er Jahre). Trotz dieser Archaismen bleibt der Botticelli-Stil erhalten:
- Judith mit dem Kopf des Holofernes, Ende der 1490er Jahre
Uns fiel dabei die unfertige Figur auf der rechten Bildseite auf, aber wir verspürten auch einen gewissen Sog in die Tiefe durch die blutrote Öffnung des dunklen Zeltes, aus dem Judith tritt.
Übrigens geriet Botticelli in Vergessenheit und wurde erst am Anfang des 19. Jh. von den Malern wiederentdeckt. Dazu lässt sich gut die Zeitreise zu Botticelli von 2015 in der Berliner Gemäldegalerie vergleichen.