Lovis Corinth, Dame am Goldfischbecken (Quelle) |
Wer mehr über Louis (oder Lovis) Corinth erfahren will, sucht natürlich Wikipedia auf. Hier nur in Kürze seine Lebensdaten: geboren 21. Juli 1858 in Tapiau, Ostpreußen; gestorben 17. Juli 1925 in Zandvoort, Provinz Nordholland. Corinth zählt, wie es bei Wikipedia heißt, "zu den wichtigsten und einflussreichsten Vertretern des deutschen Impressionismus. Seine späten Werke sind auch vom Expressionismus inspiriert."
Als erstes sahen wir uns das Bild an:
- Die Logenbrüder, 1898/99
Der Maler lebte ab 1880 in München und war 1896 an der Gründung der Freimaurerloge "In Treue fest" beteiligt. Auf ihm sind zwölf Brüder der Loge dargestellt. Man hat das Gefühl, dass sie wie auf einem Foto eng zusammengerückt sind, damit sie alle auf das Bild passen.
Zum Vergleich haben wir ein Historienbild herangezogen, denn es heißt, dass Corinth zu diesem Zeitpunkt noch von der Historienmalerei beeinflusst war:
Anton von Werner: Die Proklamierung des deutschen Kaiserreiches (18. Januar 1871), dritte Fassung, 1885
Auch hier fiel als erstes das dichte Gedränke der dargestellten Personen ins Auge und natürlich auch, dass auf diesen Gemälden nur Männer anwesend sind. Zugleich wurde deutlich, wie naturalistisch genau Corinth die "Charakterköpfe" der Logenbrüder wiedergegeben hat.
Ganz anders das Bild
- Mädchen mit Stier, 1902
Auch wenn der Stier den größten Teil des Bildes ausfüllt, so fiel doch der Blick sofort auf die junge Frau, die dieses massige Tier wie ein friedliches Lamm an einem auffälligen rosa Band hält und ihm ihre Hand auf den Nacken legt. Ihre selbstbewusste Haltung beeindruckte uns ebenso wie die changierende Lichtführung, deren Quelle nicht leicht auszumachen ist. Kommt es von rechts hinten? Deutlich erkannten wir den Einfluss der Impressionisten in diesem Werk.
Irritationen löste dagegen das folgende Bild aus:
- Die Lebensalter (Teil I), 1904
Der Alte Mann führt den Knaben - die beiden halten sich zwar an der Hand, aber die Nähe zum Penis des Kindes schien uns Heutigen doch etwas bedenklich (!). Der Mann, dessen Rückenakt zu sehen ist, tritt auf den Brustkorb eines am Boden liegenden Mannes und zugleich sieht es nicht so aus, als ob die Frau an seiner Seite sich freiwillig seiner Umarmung hingibt. Und der Mann am Boden, auf dessen Kopf wir von oben herabsehen? Er krallt seine Hand in der Luft. Stirbt er gerade? Und dann die junge Frau, die als einzige bekleidet ist und dem Zug der Nackten anscheinend mit betend erhobenen Händen und völlig ungerührt voranschreitet. Was hat sie zu bedeuten?
Während die Lebensalter uns Rätsel aufgaben, schien uns das Bild
- Tanzender Derwisch, 1904
die reine Lebensfreude auszudrücken. Da Corinth von verschiedenen Vorbildern beeinflusst wurde, zogen wir zum Vergleich ein Porträt eines flämischen Malers heran:
- Adriaen Brouwer, Der bittere Trank, 1636-38
Anstelle Lebensfreude ist hier Abscheu dargestellt, doch die Ausdruckskraft und auch die Farbgebung beider Bilder verband beide Bilder in unseren Augen.
Das führte uns zu dem Porträt von
- Frau Marie Moll, 1905
Auffallend fanden wir den Gegensatz zwischen den dunklen Flächen und dem daraus hervorleuchtenden Gesicht und den Händen und dabei besonders auch dem zarten weißen Stoff, der unter der dunklen Jacke hervor die rechte Hand umspielt. Zugleich zeigt uns der Maler die Portätierte, die uns fast etwas verschmitzt anblickt, in einer künstlerisch ausgestalteten Umgebung: Sie sitzt vor einem großen, dunkel gerahmten Blumengemälde. Neben ihr steht ein runder Tisch oder ein Podest, auf dem eine Frauenplastik zu sehen ist.
Ganz anders wirkte auf uns das Porträt
- Die Sängerin Frieda Halbe, 1905
Ihre üppige Figur füllt das Bild aus, dessen Hintergrund von blau zu braun changiert. Sie selbst wirkt durch den durchsichtigen weißen Stoff ihres Überwurfs, der mit einem dicken weißen Pelzkragen prunkt, ein bißchen wie mit Zuckerguss übergossen und die knallige Mohnblume am Ausschnitt verstärkte für uns noch die Assoziation der Zuckerbäckerei.
Als Aktmaler trat uns Corinth noch einmal mit seinem Bild
- Liegender weiblicher Akt, 1907
entgegen und irritierte uns ähnlich wie das o.g. Bild der Lebensalter. Wir sahen eine nackte junge Frau und zugleich hat ihr Gesicht etwas ganz Kindliches und widerspricht so dem voll ausgebildeten Körper. Dieser ist zudem so aus der Bildmitte herausgerückt und damit auch von der weißen Fläche des Bettes (? es sieht eher so aus, als ob der Körper auf einem weiß gedeckten Tisch liegt. Ist hier die Assoziation zum gedekten Tisch ganz falsch?), auf dem er liegt, verrückt, dass ihr Kopf mit dem darüber gelegten Arm nach rechts herunterzufallen scheint. Zudem wirkte die ganze Haltung der Frau auf uns irgendwie verdreht. Ein Hinweis dazu ist, dass Corinth das Thema Nacktheit immer wieder variiert hat. Hier kann man mehr von diesen Bildern sehen: CorinthsNackte.
Ganz anders malt er dagegen seine eigene Frau in dem Bild
- Dame am Goldfischbassin, Die Gattin des Künstlers, 1911
Wir sehen sie in einem reich mit Pflanzen ausgeschmückten Zimmer, in dem sie in einem gestreiften Kleid auf einer Recamiere sitzt und gerade noch in ein offenes großes Buch - es könnte auch ein Magazin sein - blickt. Sie greift aber mit ihrer Linken schon zur Lehne und es scheint, als ob sie eigentlich schon aufstehen will, aber gerade noch von etwas gefesselt ist, das sie auf den offenen Seiten in ihrer Rechten sieht. Dabei ist das Bild zweigeteilt, denn der Maler widmet dem Goldfischbecken auf der rechten Bildseite mindestens genausoviel Aufmerksamkeit, wie dem Porträt seiner Frau.
Corinths Malweise verändert sich in seinen Landschaftsbildern.
- Tiroler Landschaft mit Brücke, 1913
Auf diesem Bild faszinierte uns die Art, mit der die Pfosten der Brücke so gemalt sind, dass wir genau erkennen, wie sie gearbeitet sind und vom Licht angeleuchtet werden. Dagegen verläuft sich der Weg, der über diese Brücke führt, immer mehr in einem dunklen Wald, der nicht mehr aus einzelnen Bäumen, sondern nur noch aus Farbe besteht. Und trotzdem erweckt das Bild in uns den Eindruck einer bewaldeten Berglandschaft, auf deren Wegen wir gern wandern würden.
Dagegen mussten wir uns in das Bild
- Walchensee, Blick auf Wetterstein, 1921
erst einsehen. Ist das die Brüstung eine Balkons oder einer Straße, die am unteren Bildrand zu sehen ist. Fahren wir mit dem Maler in hoher Geschwindkeit am Seeufer entlang, so dass die Bäume neben der Straße vor dem Blick verschwimmen? Deutlich wurde auf jeden Fall, dass in dem Bild eine Bewegung nach rechts herrscht, die den Betrachter in die Tiefe der Landschaft hineinzieht.
Noch bewegter und auf wenige Linien reduziert ist dann das Bild
- Der Herzogstand am Walchensee im Schnee, 1922,
das wir als letztes angesehen haben. Trotz dieser Reduzierung erkannten wir die bergige Schneelandschaft mit ihren einzeln stehenden Bäumen im Vordergrund, die noch Reste von Herbstlaub tragen.