Donnerstag, 22. April 2021

Amarantus - Werke von Mariana Castillo Deball

Ausstellungsplakat Siegen 2021
Die aus Mexiko gebürtige Künstlerin Mariana Castillo Deball (geb. 1975) ist mir 2012 auf der dOCUMENTA (13) in Kassel aufgefallen, wahrscheinlich weil mich Mexiko schon lange interessiert. Jetzt werden in Siegen im Museum der Gegenwartskunst in einer ersten Einzelpräsentation zu ihrem Gesamtwerk in 14 Räumen Werke aus den letzten 15 Jahren präsentiert.

Die Künstlerin hat von 1993 bis 1997 an der Universidad Nacional Autónoma de México (UNAM) in Mexiko-Stadt Kunst studiert und dann 1999 den Master in Philosophie abgelegt; ging später in die Niederlande und lebt heute in Berlin und Amsterdam. Seit 2015 ist sie Professorin für Bildhauerei an der Kunstakademie Münster. In ihren Werken verbindet sie Kunst mit Forschung. Oft geht sie von archäologischen Fundstücke aus und analysiert diese in ihrer kulturellen Verwertung.

Ihre Ausstellung trägt den Titel "Amarantus" und bezieht sich damit auf die weltweit verbreitete Pflanze desselben Namens (die Pflanze heißt auf deutsch: Fuchsschwanz). Ihre Samen sind in Mittelamerika ein wichtiges Nahrungsmittel und wurden auch in religiösen Ritualen benutzt. Deswegen war der Gebrauch Pflanze zeitweise während der spanischen Kolonialzeit verboten. Ihr Name ist griechisch und bedeutet übersetzt soviel wie "der/die Eine, der/die nicht vergeht/ewig blüht" bzw. nie verwelkt. Die Künstlerin versteht in ähnlicher Weise auch die Objekte, denen sie folgt. Sie gleichen ihrer Meinung nach auch außerhalb ihres ursprünglichen Kontexts Blumen die nie verwelken. Wir haben uns zuerst das Werk angesehen, das mich 2012 beeindruckt hatte und das inzwischen passend zum Ausstellungstitel benannt ist. Die zugehörigen Drucke wurden auch für das oben stehende Ausstellungsplakat verwendet.

- No acabarán mis flores (meine Blumen werden nicht verwelken), 2013, Nuremberg Map of Tenochtitlan, 2013, Untitled, 2014, Untitled, 2014 (ein Hinweis zu den Bildern: Es gibt auf der Ausstellungsseite des Museums (s.o.) eine Bilderstrecke, wenn man sich hindurchklickt, findet man auch zwei gute Bilder dieses Werkes!)
Grundlage ist die

- Karte von Tenochtitlan, 1524, Nürnberg

Sie zeigt die ehemalige Hauptstadt der Atzeken, die heute in einem Teil von Mexiko-Stadt liegt. Sie wurde für den spanischen Eroberer Hernán Cortés gezeichnet. Die damalige Metropole liegt inmitten eines azurblauen Sees. Eine gute Vorstellung, wie sie damals ausgesehen haben muss, gibt diese Illustration, wie sie heute aussieht, sieht man auf diesem Bild.

Der Ausstellungsraum ist ganz mit einem riesigen Holzschnitt der historischen Karte ausgelegt. Die Teile des Holzschnitts sind zugleich Druckstöcke, mit denen die Karte auf Papier gedruckt wurde. Auf dem Plan stehen schmale Stangen mit verschiedenen Objekten. Zu ihnen gehören eine Maske und ein buntes Gewand. Beides stammt aus der Tradition der Ureinwohner, zum Karneval die ehemaligen Eroberer zu persiflieren, wie z.B. heute noch in dem Ort Huejozingo.

In diesem kolonialen Zusammenhang haben wir auch einen Blick auf die

- silberne Taufschale zu Siegen (sie ist abgebildet auf Seite 211 des Katalogs "The colonial Andes")

geworfen, die die Künstlerin in die Ausstellung einbeziehen will. Diese Taufschale hat eine besondere Geschichte. Sie wurde um 1586 in Peru hergestellt, reiste später - im Zusammenhang mit dem Sklavenhandel - nach Afrika und Brasilien, bevor sie schließlich in den Besitz des Fürst Johann Moritz von Nassau-Siegen gelangte und 1658 nach Siegen und dort in die Nikolai-Kirche kam. Sie ist zur Zeit einer Ausstellung zum Thema Sklaverei im Rijksmuseum in Amsterdam.

Als nächstes sind wir zu den Raum mit Keramiksäulen weitergegangen:

- Rhomboid (Serignan), 2015, Snake (Serignan), 2015, Mechanical Column (Serignan), 2015

Dieser und dieser Link führen zu Bildern der Säulen und man findet sie auch auf der o.g. Ausstellungsseite des Museums.

Es handelt sich dabei um eine Gemeinschaftsarbeit der Künstlerin mit Töpferinnen von Atzompa in Oaxaca, Mexiko. Sie haben sich mit ihrer Geschichte beschäftigt und die Objekte, die zu den Säulen zusammengestellt wurden, aus Ton geformt: Wir sahen eine Schlange, Zahnräder, einen Krieger mit runden Hörnern, Mutter Erde, eine Töpferscheibe, eine Schraube, ein Ohr, einen Frosch, eine Eidechse und einen Vogelkopf. Aber wir konnten die Geschichte dahinter nicht enträtseln und wanderten weiter zu einem Werk, dass einige regelrecht begeisterte:

- Once I thought the world was somewhere else, 2021

Zuerst war die Frage, was auf dem Bild überhaupt zu sehen ist: Es ist eine Installation auf in Bögen aufgehängten großen bedruckten Tüchern, durch die man wie durch ein Labyrinth geht. Die Bilder beziehen sich auf die Evolution und zwar auf ein spezielles Kapitel der Erdgeschichte,

- das Ediacarium.

Die Künstlerin war in Australien und hat dort die Formationen und Versteinerungen der

- Ediacara-Hügel

fotografiert. Diese Farbfotografien sind die Grundlage dieses "vielschichtigen, immersiven Dioramas aus Stoff", das sich durch die Ausstellungsräume zieht. Sie zeigen nicht nur die Landschaft, sondern auch Fossile aus dem Ediacarium. Die Vielzeller gelten als die ersten Formen komplexen Lebens auf der Erde. Inspiriert ist die Künstlerin auch von den Illustrationen des Wissenschaftlers und Künstlers Peter Trusler (auf diesem Youtube-Video sieht man bei 6:018 den Künstler mit Briefmarken-Illustrationen der Ediacara-Zeit).