Sonntag, 14. März 2021

Japonismus

 Jeder kennt dieses Bild oder?

Hokusai, Die große Welle an der Küste von Kanagawa (Quelle)

 - Katsushika Hokusai, Die große Welle an der  Küste von Kanagawa, aus der Holzschnittserie: 36 Ansichten des Berges Fuji, 1830 bis 1832

Wir haben genau hingeschaut und die kleinen Männer entdeckt, die sich in den drei Booten unter der Wucht einer großen Welle ducken, die über ihnen zusammenschlagen wird und zugleich den Fuji im Mittelpunkt des Bildes wie ein Rahmen umfasst. 

Aber warum ist gerade dieses Bild als typisch japanisch so berühmt geworden und wird immer wieder neu interpretiert? Siehe dazu Wikipedia oder dieses wunderbare Video: 

 

Wie war das überhaupt mit Japan? War es nicht lange jedem Fremden verschlossen? Und was war der sogenannte Japonismus

Das geheimnisvolle fernöstliche Inselreich musste sich 1853 der "Kanonenbootpolitik" geschlagen geben und seine Häfen für zuerst für den Handel mit Amerika und dann auch für Europa öffnen. Werke der Japanischen Kunst waren so erstmals auf den großen Weltausstellungen in Paris in den Jahren 1889 und 1900 einer breiten Öffentlichkeit zugänglich. Sie begeisterten die französischen Künstler. Besonders die Impressionisten setzten sich mit den japanischen Farbholzschnitten auseinander, wie eben mit der Serie der 36 Ansichten des Berges Fuji, zu der die "Große Welle" gehört, oder mit der Serie „Hundert Ansichten des Mondes“ von Tsukioka Yoshitoshi (1839-1892), aus der wir das Bild

- Mond über dem Meer bei Daimotsu 

(Achtung, man muss die Website etwas herunterscrollen. Auf der kleinen Bildstrecke handelt es sich um das 5. Bild! Wenn man draufklickt, wird es größer, mit gleichzeitigem Drücken der Tasten "Strg" und "+" wird es noch größer)

mit dem der großen Welle verglichen haben. Dabei wurde auch klar, dass das Bild vo Yoshitoshi, obwohl seine Welle wildbewegt ist und sich über den hellen Mond am schwarzen Himmel dunkle Wolkenfetzen ziehen, doch mit der vollkommenen Komposition und Wucht von Holkusais Welle nicht richtig mithalten kann. 

Wie aber hat diese Kunst sich in Frankreich ausgewirkt? Wir haben

- Van Gogh, Nachthimmel, 1889  

mit beiden Bildern verglichen. Die Verwirbelung des dunklen Himmels bei Van Gogh erinnerte uns durchaus an die Welle von Hokusai. Und noch ein Vergleich stimmt nachdenklich: Bei Hokusai steht der heilige Berg Japans im Mittelpunkt des Bildes, bei van Gogh ist es der Kirchturm. Zufall?  Direkt nebeneinander stehen beide Bilder auf der Seite "Wie japanische Ästhetik Europas Moderne prägte", wo man mehr dazu nachlesen kann. 

Vincent van Goght hat sich auch mit anderen Bildern aus Japan auseinandergesetzt:

- Utagawa Hiroshige, Abendschauer über der Großen Brücke in Atake, aus der Serie "100 berühmte Ansichten von Edo", 1857 

Das Bild, das van Gogh 1887 gemalt hat, kann man hier neben dem Bild von Hiroshige betrachten. Wir haben bei Hiroshige eine Weile lang gerätselt, wo der Standpunkt des Betrachters wohl sein könnte und kamen dann darauf, dass er mehrere Standpunkte in einem Bild zusammengefügt hat. Man sieht also die Brücke von oben mit den Menschen, die darüber gehen, und zugleich von unten, da man von dort auf die Brückenpfeiler blickt. Und wieder einen anderen Standpunkt hat der Betrachter, wenn er auf den Fluss und die Uferlandschaft blickt.

Beim Betrachten des Wandschirms von

- Paul Klee, Aarelandschaft 1900  (Achtung es handelt sich hier um ein Video, aber wenn man etwas vorspult und das Bild dann anhält, hat man einen guten Eindruck von dem Wandschirm.)

wurde dann klar, dass auch er von der japanischen Kunst beeinflusst gewesen ist, denn auch dort erkannten wir die verschiedenen zu einer Ansicht zusammengebundenen Blicke auf die Flusslandschaft. Oder wie Siegfried Wichmann als erster erkannte: "Höhe bedeutet hier gleichzeitig Tiefe des Raumes, im Grunde Naturwiedergabe, die ostasiatischer Herkunft ist. Die Niedersicht gestattet den Einblick in die sich zwischen Hügeln windende Flusslandschaft und vermittelt die Dinge gestaffelt im Landschaftsraum." (Quelle) Zugleich aber machten wir auch Verbindungslinien zwischen den einzelnen Abschnitten des Wandschirms aus, z.B dadurch dass ähnliche Motive - wie die drei Bäume am Ufer, die in zwei Versionen erscheinen - wiederholt werden.

Verglichen haben wir mit Paul Klee ein japanisches sechsteiliges Schirmpaar aus der frühen Edo-Zeit (1603 bis 1868)

- TheBridge at Uji, japanisch 17. Jh.  

Für Klee ist die aufeinander folgende hochformatige Darstellung der Landschaft in den einzelnen Feldern deutlich. Zugleich geben die Bilder nicht kontinuierlich den Lauf des Flusses wieder. Ähnlich bindet man auch bei den Wandschirmen wieder die Zusammenbindung verschiedener Ansichten in einem Bild. Allerdings brachte uns da der Vergleich mit 

- Hokusai, Landschaftskizze, Manga,

nicht wirklich weiter. 

Deutlich früher wurde auch Paul Cézanne von Hokusai inspiriert. Allerdings fiel es uns schwer, eine enge Verbindung zwischen dem Blatt von 

- Hokusai, Hodogoya an der Tōkai-Straße, aus der Holzschnittserie: 36 Ansichten des Berges Fuji, 1830 bis 1832

und dem Gemälde von 

- Paul Cezanne, Kastanienbäume im Jas de Bouffan (1885–1887)

zu erkennen. Die Ähnlichkeit der jeweiligen parallele Baumreihe, die den Mittelgrund struktuiert, war aufgrund der Unterschiedlichkeit der Bäume nicht wirklich einleuchtend. Aber auch wenn sich in beiden Bildern der Durchblick durch die Stämme in den fernen Hintergrund öffnet, so konnten wir doch die Verbindung zwischen Berg Fuji und dem flachen "Mont Sainte-Victoire" nicht ziehen.

Auch einem zweiten Beispiel der Wirkung des Bildes von Hokusai auf die amerikanische Künstlerin  

- Helen Hyde, Moonlight on the Viga Canal, 1912

konnten die KunstsurferInnen nicht zustimmen. In Hydes Bild wird die Baumreihe zusätzlich von einer Wasserfläche gespiegelt und der Berg ist ganz verschwunden. 

Zum Schluss ging es noch einmal kurz um den Japonismus, der sich nicht nur in Bildern sondern auch im Kunstgewerbe und im Einrichtungsstil wiederfinden lässt. Heute nicht mehr erhalten ist von  

- Rudolf von Alt‚ Japanischer Salon in der Villa Hügel, Hietzing bei Wien, 1855

Dort finden sich zwar europäische Sitzmöbel, doch zugleich jede Menge japanisch wirkender Dekorationen. Aber das wäre noch mal ein neues Thema!