Montag, 20. Juli 2020

Raffael – Macht der Bilder

Raffael, La Fornarina Porträt einer jungen fast unbekleideten Frau
Raffael, La Fornarina
(Di Raphael - Galleria Nazionale
d'Arte Antica, Pubblico dominio,
https://commons.wikimedia.
org/w/index.php?curid=76749175)

2020 ist Raffael-Jahr! Ostern 1520, also vor fünfhundert Jahren, starb der schon damals hochberühmte Maler in Rom und wurde dort im Pantheon begraben. Er war am 6. April 1483 in Urbino geboren worden. 1491 verlor er seine Mutter, drei Jahre später den Vater. Die junge Waise trat in Perugia als Schüler in die Werkstatt von Pietro Vanucci (genannt Perugino) ein. Bereits mit 17 Jahren firmierte er in einem Vertrag als Meister seines Fachs. Ab 1504 hielt er sich zweimal in Florenz auf, wo zu dieser Zeit die berühmten Maler Michelangelo und Leonardo da Vinci arbeiteten. Vier Jahre später ging er nach Rom. Dort verbreitete sich sein Ruhm immer mehr. Zwischen 1509 und 1517 entstanden seine berühmtesten Werke: die Gemälde in den päpstlichen Gemächern (Stanzen) im Apostolischen Palast. Daneben entwarf er die Kartons für die Apostelteppiche in der Sixtinischen Kapelle. 1512 schuf er auch sein berühmtestes Madonnenbild, die Sixtinische Madonna für den Hochaltar der Klosterkirche San Sisto in Piacenza. Zwei Jahre später wurde er der Nachfolger Bramantes als Architekt und Bauleiter der neuen Peterskirche.

In diesem Jahr nun gibt es eine Reihe von Ausstellungen. Für deutsche Besucher empfiehlt sich die Schau "Raffael - Macht der Bilder. Die Tapisserien und ihre Wirkung", eine Sonderausstellung in der Gemäldegalerie Alte Meister in Dresden vom 06.06.—30.08.2020. Vom 5. März bis zum 2. Juni war zudem in Rom in den "Scuderie del Quirinale" die Ausstellung "Raffaello. 1510-1483" zu sehen, die man weiterhin virtuell besuchen kann. Auf der Website Raffaello oltre la mostra finden sich eine Reihe von Videos (auf Italienisch) über die Ausstellung. Weitere Hinweise auf Ausstellungen sind hier zu finden.
Wir haben uns als erstes Raffaels

- Selbstporträt aus dem Jahr 1506

angesehen und einen jungen Mann kennen gelernt, der uns etwas melancholisch erschien in seinen dunklen Kleidern und mit seinem traurigen Blick, den er direkt auf uns als Betrachter*innen richtet.

Ganz anders dann die

- Dame mit dem Einhorn, 1506

die uns mit ihren blonden Haaren und dem zarten Teint sehr unitalienisch vorkam. Das Einhorn war dann auch Thema, besonders da mit ihm ein Hündchen übermalt worden ist. Hund als Symbol der Treue war uns erinnerlich, aber was bedeutet Einhorn noch? Wikipedia hilft: Es gilt als das edelste aller Fabeltiere und steht als Symbol für das Gute. Ansonsten waren wir auch vom zarten Schmelz der Haut und dem kostbaren Kleinod an der Halskette sehr angetan.

Der Vergleich mit dem Porträt

- La Fornarina, 1518-19

machte dann klar, dass Raffael eine Frau auch ganz anders darstellen konnte. Dieses Bild soll bis zu seinem Tod in seinem Atelier gehangen haben und seine Geliebte, die Tochter eines Bäckers zeigen. Wir entdeckten das Schriftband an ihrem Arm, auf dem sein Name eingestickt ist. Soll das nur seine Signatur sein oder ist es ein stolzes Besitzerzeichen? Auf jeden Fall ist die erotische Komponente dieses Frauenbildes nicht zu übersehen: der nur mit einem durchsichtigen Tuch verhüllte/enthüllte Bauchnabel, die Handhaltung, durch die sie ihre Brüste anhebt und sozusagen vorführt. Und dazu kommt noch der Blick aus den dunklen Augen. Kann man ihn kokett nennen? (Ich weiß, das ist ein sehr altmodisches Wort, fällt meinen Leser*innen ein besseres ein?)

La Fornarina hat auf jeden Fall immer wieder erneut Aufmerksamkeit erregt. Besonders als im 19. Jahrhundert die "Präraffaeliten" die italienische Kunst vor Raffael neu erkundeten und sich damit zugleich auch mit seinen Werken auseiandersetzten. Da wurde schnell mal im Netz geforscht und das Bild

- Jean Auguste Dominique Ingres, Raphael und die Fornarina, 1814

gefunden, in dem Ingres das Frauen- und das Selbstporträt Raffaels zu dem Bild des Malerpaares zugsammengefügt und gleich noch das gerade begonnene Fornarina-Porträt mit in das Bild integriert hat. Trickreich fanden wir!

Weiter gings zu Raffaels

- Sixtinischer Madonna, 1513-14

in Dresden. Ja die beiden Engel, die fast jeder kennt, finden sich am unteren Bildrand. Und wer sieht die vielen anderen Engel? Man muss sich das Bild nur genau ansehen, am besten in Vergrößerung. Der Himmel tut sich hinter Maria mit dem Jesukind gerade auf, oder schließt sich der grüne Vorhang wieder? Und wer steht vor bzw. etwas unter Maria? Auf ihrer rechten Seite ist es Papst Sixtus (der Heilige, Sixtus II, mit den Zügen des Papstes Julius II, dem Raffael diente), auf der anderen Seite die heiligen Barbara. Wohin zeigt Sixtus II? Bei Wikipedia ist zu lesen, dass das Bild an seinem ursprünglichen Platz gegenüber einem großen Kruzifix angebracht war. Zeigt Sixtus darauf und sind das Jesuskind und seine Mutter erschrocken?

Damit waren wir endlich in Dresden angekommen und gingen zu der oben schon genannten Ausstellung über, um wenigstens am Ende unserer Zeit noch einen Eindruck von den Bildteppichen zu bekommen, die dort zu sehen sind.

- Der wunderbare Fischzug, Entwurf von Raffael, ausgeführt von der Mortlake Manufaktur (1619-1703)

Ein Vergleich mit dem

- Karton, 1515

also dem Entwurf für die Bildwirkerei, zeigt, wieviele Ideen noch für die Rahmengestaltung zu diesem Karton hinzugefügt wurden. Denn in unserem Gespräch kam die Frage auf, was die Putten am oberen Rand eigentlich tragen und was hinter ihnen zu sehen ist. Also sie tragen jeweils zu zweit einen großen Fisch und hinter ihnen hängen Festons, das sind dekorative Girlanden, die zum Schmuck angebracht werden. Wir haben aber auch über das Bild gestaunt und zwar besonders über die Partie auf der linken Seite unten, wo man mit den Fischern ins glasklare Wasser schaut.

Alle Teppiche kann man auf dieser Seite der Online Collection der Staatlichen Kunstsammlungen Dresdenentdecken. Wir haben uns noch kurz die

- Bestrafung des Elymas

angeschaut. Dazu gibt es ein Gemälde Raffaels

- Bestrafung des Elymas

das die ganze Geschichte etwas anders erzählt, während auf dem Teppich einige Personen weniger zu finden sind und die Gruppe angeordnet ist. Die Geschichte ist relativ unbekannt, deshalb hier eine Kurzfassung: Elymas war ein jüdischer Magier und kommt bei Lukas (13,6-12) vor. Er versuchte den römischen Statthalter gegen Paulus von Tarsus und Barnabas einzunehmen. Als Strafe Gottes sprach Paulus eine zeitweilige Blindheit über Elymas aus, die sofort eintrat, so dass der Magier an der Hand geführt werden musste. Daraufhin soll sich der Statthalter zum christlichen Glauben bekehrt haben.