Dienstag, 29. September 2015

Die Botticelli Renaissance in Berlin

Sandro Botticelli, Die Geburt der Venus, um 1480  (Quelle)
Vor kurzem wurde in der Berliner Gemäldegalerie im Kulturforum die Ausstellung "The Botticelli Renaissance" eröffnet, die bis zum 24. Januar 2016 läuft und danach vom 5. März bis zum 3. Juli 2016 im Londoner Victoria and Albert Museum unter dem besseren Titel "Botticelli reimagined" zu sehen sein wird.

Der englische Titel scheint mir übrigens angemessener, weil es in dieser Ausstellung nicht um eine Renaissance also eine Wiedergeburt geht, sondern um das "Wieder-Ausmalen" des Themas, wie man den Begriff vielleicht übersetzen könnte.

Angesehen haben wir uns eigentlich nur ein Bild, das allerdings in extrem unterschiedlichen Variationen; nämlich die "Geburt der Venus",

In Berlin ist übrigens nicht das Bild auf dieser Seite, das in aus Florenz hängt, zu sehen, sondern eine der vielen Variationen, die nur die Venus zeigen. Die Geschichte, die hinter diesem Bild steht, kann man ausführlich bei Wikipedia nachlesen. Kurz gefasst, war Aphrodite bei den Alten Griechen die Göttin der Schönheit und der Liebe, eine Tochter des Uranos, der Himmels, der zuerst über die Götter herrschte. Sein Sohn Kronos schnitt ihm die Geschlechtsteile ab und warf sie ins Meer. Das schäumte auf und gebar Aphrodite. Zephyros, der milde Westwind, geleitete sie nach Zypern, wo sie an Land ging.

Einiges davon ist auf dem Bild dargestellt, wenn man genau hinsieht, also nicht nur Aphrodite auf der Muschel über dem Meeresschaum, wie sie gerade den Fuß hebt, um festen Boden zu betreten. Auch die Gestalt des Windes, der die Nymphe Chloris umarmt, die man daran erkennt, dass beim Sprechen Rosenblüten aus ihrem Mund fallen. Und rechts die Gestalt des Frühlings, die der nackten Schönheit einen mit Blüten besetzten Mantel reicht.

Auf der Ausstellungsseite ist zu dem in Berlin gezeigten Bild der "alleinstehenden" Aphrodite zu lesen, dass schon zu Lebzeiten Botticellis "so berühmt <war>, dass die Hauptfigur extrahiert und zu einem eigenständigen Bild wurde. Solche Venus-Darstellungen hingen in der Renaissance in zahlreichen Florentiner Palazzi. Botticellis Figur wurde zu einer der berühmtesten Formeln der Kunstgeschichte, bis heute wird sie immer wieder neu interpretiert".

Und darum ging es uns auch bei den folgenden Bildern, die wir mit dem "Original" verglichen haben:

- Bouguereau, Die Geburt der Venus, 1879
Da fiel schon auf, wie "sexy" diese Venus ihren Körper streckt und das mitten im prüden 19. Jahrhundert.

- Wahrhol, ohne Titel, nach Sandro Botticelli, digitale Grafik auf einem Commodore Amiga 1000, 1980er Jahre (gemeint ist das untere Bild in dieser Pressemitteilung)
Bei Wahrhol beeindruckte die Tatsache, dass es eine der frühesten Computergrafiken ist, die das berühmte Gemälde zum Vorbild nimmt und dann doch verändert, indem der Künstler wahrscheinlich mit wenigen Mausklicks, eine Auge kopiert und zyklopengleich in die Mitte der Stirn gesetzt hat.

- Rineke Dijkstra: Beach Portraits (Kolobrzeg, Poland), 1992, © Rineke Dijkstra (etwas herunterscrollen und das erste Bild links vergrößern!)
Das junge Mädchen im hellgrünen Badeanzug gehört zu einer Porträtserie Heranwachsender am Meer. Ähnlich wie bei Botticellis steht die Gestalt in Großaufnahme vor einer niedrigen Horizontlinie am Meer. Wir haben ihre Körperhaltung mit der der Venus verglichen und dabei das Eckige und Schlacksige als ein Zeichen des 20. Jahrhunderts erkannt, die sozusagen das "Natürliche" abbildet und nicht die stark stilisierte Schönheit der Venus bevorzugt.

David La Chapelle, Geburt der Venus 2009
So richtig schrill ist dann das Bild von David La Chapelle, bei dem der die Venus zum Pin-up-girl geworden ist, deren Kopfbedeckung ebenso an Revuetänzerinnen wie an einen Heiligenschein erinnert. Sie wird nicht mehr von einer Frau empfangen, die sie verhüllen will, sondern sozusagen von zwei wohlproportionierten "Muschelbläsern" lautstark angekündigt oder?? Man kann aus diesem Bild noch viel mehr herauslesen - was soll die Krone am Boden? Was für eine Landschaft ist das? Erinnern die bunten Bänder vielleicht an Tänze unter dem Maibaum? ....  

Ganz anders und sehr viel zeitkritischer behandelt 
- Tomoko Nagao, The Birth of Venus with baci, esselunga, barilla, PSP and easyjet, 2012
das Thema. Wenn man in diesem Link auf das Bild klickt, kommt an zu der Seite des Künstler, auf der Videos das Thema noch einmal aufnehmen. Man wird mit einer grausamen Roboterwelt konfrontiert, aus deren Tun schließlich die kleine nackte Venus entsteht, die aus einer Spielekonsole aufsteigt. Die "Entstehung" der Venus ist auch im Bild vorhanden, in dem das Meer aus Verpackungsmüll besteht, einem Sujet, das Tomoko Nagao häufig in seinen Werken verwendet.