Das Kunstsurfen am Ende des letzten Jahres war dem Janus gewidmet, dem römischen Gott des Anfangs und des Endes, der zu den ältesten rein römischen Göttern gehört. Er soll im goldenen Zeitalter als König über Latium geherrscht und auf dem Ianiculum, einem der sieben Hügel von Rom, gewohnt haben. Er war der Herrscher über Schwellen, Türscharniere und Türgriffe.
Januskopf (römischer As = Münze) |
Da er als Mensch mit zwei Köpfen dargestellt wird, haben wir uns als erstes diese
- Münze mit Januskopfangeschaut, die in Meyers Konversationslexikon (Band 9, 4. Auflage (1885-1890), S. 153) abgebildet ist.
Laut Wikipedia (das wiederum Meyers Konversationslexikon zitiert) war das bedeutendste Heiligtum des Ianus ... der Janustempel auf dem Forum Romanum. Spätestens seit Augustus wurde es üblich, die Tore des Tempels zu öffnen, wenn Rom einen Krieg begann, und sie zu schließen, wenn er siegreich beendet war. Deswegen haben wir uns gleich noch eine weitere Münze angeschaut, auf der dieser "Tempel" abgebildet ist.
- Sesterz des Nero (54-68 v. Chr.) mit dem Bild des Janustempels
Ja, er sieht wie ein Kasten aus und nicht so, wie man sich einen antiken Tempel mit Säulen vorstellt. Und die Türen sind geschlossen! Nero hatte also gerade einen Sieg errungen. Der Bau hatte übrigens zwei einander gegenüberliegende Tore. Im Inneren befand sich ein großes Kultbild des zweigesichtigen Gottes Janus. Es soll aus Bronze gewesen sein und als Attribute Schlüssel und Stab gehalten haben. Seine beiden bärtigen Gesichter blickten nach Westen und nach Osten. Wie Janus noch in Rom dargestellt wurde zeigt dieser
- Glasflakon in Form des zweiköpfigen Janus, aus dem Museo Archeologico von Aquileia, 1.-3. Jh. n. Chr.,
der uns zu Spekulationen anregte, wie groß er wohl gewesen sein und was er enthalten haben mag - Salböl, Parfum. Duftwasser?
Aber Janus hat nicht nur im Alten Rom eine wichtige Rolle gespielt. Spätestens mit der Renaissance taucht er auch im Norden Europas auf:
- Emblem mit der Gestalt des Janus, aus: Guillaume de la Perrière's, Theatre des bons engins, Paris, Denis Janot, n.d. (1544)
Embleme wurden meist in Buchform veröffentlicht und bestehen aus miteinander verbundenen Bildern und Texten. Ihre drei Teile sind: das Lemma (Motto), eine ethische Forderung, Lebensregel oder ein Wahlspruch von maximal fünf Worten; das Icon, also der bildliche Teil und das Epigramm, ein Text, der die Kombination von Lemma und Icon mehr oder weniger erklärt.
In diesem Emblem lässt sich Janus auch ohne Motto erkennen, zudem trägt er einen Schlüssel und ein Sonnenzepter, sowie eine Krone und steht in einer weiten Landschaft. Das Epigramm dazu heißt:
LE dieu Janus jadis à deux visaiges, / Noz anciens ont pourtraict, et tracé:/Pour demonstrer que l’advis des gents saiges, /Vise au futur, aussi bien qu’au passé. /Tout temps doibt estre en effect compassé,
Et du passé avoir la recordance, /Pour au futur preveoir en providence, /Suyvant vertu en toute qualité.
Qui le fera verra par evidence, / Qu’il pourra vivre en grand’ tranquilité.
(Deepl hat es ungefähr so übersetzt: DER Gott Janus, der einst zwei Gesichter hatte, wie ihn unsere Vorfahren dargestellt haben, um zu zeigen, dass die Meinung gesunder Menschen, auf die Zukunft wie auch auf die Vergangenheit zielt. Jede Zeit muss in der Tat gezählt werden, und die Vergangenheit muss man aufzeichnen, um in der Zukunft die Vorsehung zu erkennen, der Tugend folgend in jeder Eigenschaft. Wer das tut, wird sehen, dass er in großer Ruhe leben kann.)
Verglichen haben wir dieses Emblem mit der Illustration des
- Janus, Römischer Gott, in der Cosmographia des Sebastian Münster, Basel:
Heinrich Petri, 1552
wo der zweigesichtige Gott ganz ähnlich in einer Landschaft dargestellt ist, aber nicht fest steht, sondern auf zwei Kugeln mit der Darstellung von Häusern balanciert und anstelle des Zepters eine Weinrebe in der Hand hält.
Das folgende Bild dagegen ist erst einmal ein Suchspiel mit der Frage: Wo ist Janus zu sehen?
- Ankunft des Aeneas in Italien, Aeneis des Publius Vergilius Maro, herausgeg. von Sebastian Brant, Straßburg (Grüninger) 1502 (S. 596)
Und schon gefunden? Ja richtig, es ist die kleine Figur, die ganz links auf der Architektur neben vier anderen Götterfiguren steht. Wer kennt die Aeneis von Vergil? Das ist die Geschichte von der Gründung des römischen Reiches, in der Vergil die Odysse sozusagen römisch weiterverarbeitet: Homer erzählt vom Trojanischen Krieg und den Reisen des Odysseus. Vergil berichtet von den Abenteuern des trojanischen Fürstensohns Aeneas, der nach langer Irrfahrt und Kämpfen König der Latiner wird und von dem später die beiden Gründer Roms, Romulus und Remus, abstammen.Und was sieht man davon auf dem Bild? Ganz oben links liegt Troja, rechts zieht Aeneas mit seinen Leuten über Land, vorn ist ein Tross bekränzter Ritter vor einem Gebäude angekommen, in dem Ilioneus dem König Latin einen Zweig überreicht. Sie sind Gesandte des Aeneas und Ilioneus überreicht für sie einen Olivenzweig als Zeichen des Friedens. Aeneas war in Laurentum, einer Küstenstadt Latiums südöstlich von Ostia, gelandet, wo König Latinus seinen Sitz hatte. Seinen Palast schmücken die in der Erzählung genannten Königsstatuen (Aen. 7.45- 9): Janus, Faunus, Saturn, Latinus und Picus.
Aus derselben Ausgabe stammt auch das nächste Bild:
- Kriegserklärung gegen Aeneas, Aeneis des Publius Vergilius Maro, herausgeg. von Sebastian Brant, Straßburg (Grüninger) 1502 ((84. Illustration, fol. 303 vo, S. 618)
Hier steht die Säule mit dem Bildnis des Janus im Mittelpunkt des Bildes und Juno öffnet das Kriegstor des Janustempels, vor dem König Latinus sitzt, während rund herum Waffen geschmiedet werden.
Kurz haben wir dieses Bild mit einer kleinen Emailletafel aus Limoges verglichen, die dieselbe Szene ganz ähnlich zeigt:
- Den Trojanern wird der Krieg erklärt, Meister der Aeneis-Legende, aktiv um 1530, französisch
Dazu steht in der Beschreibung zu lesen, dass diese Tafel König
Latinus zeigt, der mit gefalteten Händen sitzt und nicht bereit ist, Aeneas und
seinen Gefährten, die gerade in Italien gelandet sind, den Krieg zu erklären.
Die Göttin Juno, eine Feindin der Trojaner, ist jedoch im Begriff, die Tore des
Tempels des Kriegsgottes Janus zu öffnen, während die Männer des Latinus ihre
Trompeten blasen, ihre Rüstungen fertig machen, ihre Schwerter härten und neue
Waffen schmieden (Aeneis, VII, V. 601-640). Das Bild gehört zu einer Serie,
die auf den Holzschnittillustrationen der oben genannten Vergil-Ausgabe beruhen und man kann gut vergleichen, welche Bildideen in die andere Technik der Emaillierung übernommen werden konnten.
Etwas später ist das folgende Bild entstanden, das den Monat Januar illustriert:
- Januar aus der Folge der Zwölf Monate, gedruckt von Etienne Delaune, herausgeg. von François Langlois, Paris 1599 - 1647
Wir erkannten das Innere eines Esszimmers mit zwei Figuren an einem Tisch vor einem Kamin mit einer Gruppe von Bediensteten. Draußen sahen wir Figuren an einen gefrorenen Fluss. Die Szene wird von einem ornamentalen Rahmen mit zwei Figuren eingerahmt, die auf beiden Seiten ein Holzbündel und eine Fackel halten, und am oberen Rand befindet sich der Kopf des Janus. Der Januskopf ist hier also nur Beiwerk am Rand des Bildes, während gleichzeitig die Winterkälte des Monats Januar das Bild beherrscht.
Es gäbe noch viele Darstellungen des Janus durch die Jahrhunderte hindurch zu betrachten, aber die Zeit erlaubte nur noch als Abschluss ein letztes Emblem
- Januskopf mit der Umschrift "CONDITA PANDORE", aus George Wither, A collection of emblemes, ancient and moderne ...., London 1635, S. 138
Das Lemna ist hier zweiteilig: einmal die Umschrift die soviel heißen muss wie "Gegründet durch Pandora" und zum anderen der kurze Text: "He that concealed things will finde, Must looke before him, and behinde" (Wer Verborgenes finden will, muss nach vorn schauen und nach hinten).
Das längere Epigramm erzählt, dass der Kopf, der hier in seinem Tempel dargestellt ist, die wohlbekannte Figur des alten Janus trägt und dass dieses alte Zeichen eine Vielzahl von himmlischen Geheimnissen enthält. Aber, heißt es weiter, echte Göttlichkeit liege bei Gott allein, dem alles Verborgene bekannt ist und der alles sieht, was war und kommen wird. Darauf wird dann gefolgert, dass in moralischem Sinne auch der Mensch, was er auch immer tun will, nach vorn und zurück sehen soll; eine Aussage, mit der der Inhalt des Lemnas noch einmal aufgenommen wird.
Ich finde, das war ein schönes Motto für das vergangene Jahr 2021 und das neue Jahr 2022, an dessen Grenze dieses Kunstsurfen stattfand ...