Samstag, 4. April 2020

DAVID HOCKNEY - DIE TATE ZU GAST

David Hockneys Bild "Meine Eltern" in der Ausstellung des Bucerius
Kunstforums in Hamburg (David Hockney: My Parents, 1977,
Tate, © David Hockney, Foto: Tate)
Die Museen und Ausstellungen sind wegen Covid-19 geschlossen. Aber für Kunstsurfen ändert sich dadurch nichts, denn online lassen sich gerade jetzt eine Vielzahl von Kunstwerken ansehen und oft bieten die Museen dazu auch vermehrt Informationen an. Man kann also am heimischen Gerät per Internet alles besuchen, was man interessant findet.

Wir waren Ende März in der aktuellen Ausstellung des Bucerius-Kunstforums in Hamburg und haben uns Gemälde und Zeichnungen von David Hockney angeschaut.



Für die Biografie des 1937 in Großbritannien geborenen David Hockney verweise ich wie immer auf Wikipedia, allerdings gibt es auch auf der Seite des Bucerius-Kunstforums in den Pressetexten interessante Informationen zur Person des Künstlers und den Ausstellungstexten. Hockney malte schon mit 14 Jahren seine ersten Bilder und hat nach der Schule die Kunstschule seines Heimatortes besucht. Er macht dort 1957 seinen Abschluss und geht zwei Jahre später an das Royal College of Art in London um weiterzulernen.

Das erste Bild, das wir angesehen haben, ist die farbige Lithografie

- Frau mit Nähmaschine, 1954,

die seine Mutter zeigt. Uns fiel die altmodische Nähmaschine im Vordergrund auf, die einen schrägen Treibriemen hat. (Sie funktioniert nicht, sagte Johannes.) Die Frau hinter der Maschine hat außerdem die Hände gefaltet, ist also nicht bei der Arbeit, sondern posiert sozusagen. Eingerahmt wird sie von den Ornamenten einer Kamin-Umrahmung mit einem Aufsatz mit breitem Rahmen. Daneben wiederholt sich in der Tapete ein weiteres farbiges Ornament. Das Gesicht der Frau wirkte trotz der grauen aufgetürmten Haare und trotz der Brille glatt und jugendlich auf uns, während ihre rot-schwarz gestreifte Bluse sich von dem blau-gemusterten Rahmen abhebt.

Zum Vergleich zogen wir weitere Bilder heran, die David Hockney später von seinen Eltern gemalt hat: Von 1972 stammt die Federzeichnung

- Porträt der Mutter des Künstlers, 1972,

die die Mutter des Künstlers in einem Ohrensessel in einer Dreiviertelansicht zeigt. Ihr Gesicht ist deutlich älter geworden, wie der zarte Strich so wirkte die ganze Figur geradezu zerbrechlich auf uns. Die Tate-Galerie schreibt zu der Zeichnung: "Dieses höchst naturalistische Porträt in Feder wurde in einer Sitzung ohne Überarbeitungen erstellt, das Ergebnis einer hohen Konzentration."

Zusammen mit dem Vater hat er sie fünf Jahre später in dem Ölgemälde

- Meine Eltern, 1977

porträtiert. Seine Mutter Laura ist aufrecht mit nebeneinander gestellten Beinen auf einem - uns unbequem erscheinendem - Klappstuhl und schaut den Betrachter aufmerksam direkt an, während der Vater Kenneth - auf dem gleichen Stuhlmodell sitzend - im rechten Winkel zu ihr angeordnet ist und sich tief nach vorn zu seinem großen Buch hinunterbeugt, das er aufgeschlagen hat. Wenn man die Titelseite genauer anschaut, dann könnte es sich durchaus um einen Bildband handeln fanden wir. Besonders da in dem Rollwagen zwischen dem Paar ein paar Bücher liegen, von denen eines den Namen des Künstlers Chardin auf dem Rücken trägt. Dabei mutete uns das Ambiente, in dem das Paar anscheinend lebt bzw. jedenfalls dargestellt ist, geradezu klinisch kühl und befremdlich an. Wer sitzt in seinem Wohnzimmer schon normalerweise auf Klappstühlen mit einem Rollwagen vor einer grünlichen Wand? Nur die farbigen Tulpen in der Vase und der Spiegel, in dem sich offenbar zwei Bilder des Sohnes spiegeln, zieht eine neue Perspektive in die Mitte des Raumes, der zwischen diesem Paar liegt. 

- Porträt der Mutter III, 1985, Lithografie

zeigte uns dann eine Greisin, die den Betrachter direkt anschaut. Ihr Blick wirkte auf uns gleichzeitig skeptisch und offen. Mich persönlich erinnert dieses Bild stark an das ungeschönte Bild, das Albrecht Dürer von seiner alten Mutter kurz vor ihrem Tod gezeichnet hat. Ich finde, in beiden Bilder scheint dasselbe Interesse des Künstlers auf, was er sieht so naturgetreu wie möglich wiederzugeben und trotzdem voller Anteilnahme auf die Mutter zu blicken.

1964 zieht David Hockney nach Los Angeles, wo erste Vorstudien und Fotografien für seine ersten Swimmingpool-Bilder entstehen. 1967 mal er u.a. das für das hedonistische Leben an der amerikanischen Westküste charakteristische Gemälde

A Bigger Splash (Größeres Spritzen), Öl auf Leinwand

Private Swimmingpools waren damals in England purer Luxus, während sie in Kalifornien weit verbreitet waren. Hockney muss davon fasziniert gewesen sein. Er fertigte zwischen 1964 und 1971 zahlreiche Gemälde von Schwimmbädern an. Dabei suchte er nach Möglichkeiten die Wasseroberfläche in ihren Veränderungen wiederzugeben. Die Tate-Galerie schreibt, dass das "Bild ... zum Teil von einem Foto (stammt), das Hockney in einem Buch zum Thema Schwimmbadbau entdeckt hat. Der Hintergrund stammt von einer Zeichnung, die er von kalifornischen Gebäuden gemacht hatte." Dieses Bild ist das größte von drei ähnlichen Gemälden, mit einer ähnlichen Architektur im Hintergrund und einem Sprungbrett im Vordergrund. Uns fiel auf, dass das Bild menschenleer ist, obwohl doch gerade jemand von dem Brett in das Wasser gesprungen sein muss. Und obwohl, das Bild eine große Leere und damit viel freien Raum suggeriert, konnten wir doch an dem Schatten einer Häuserwand, die sich in den Fenstern des Bungalows spiegelt erkennen, wie begrenzt der dargestellte Raum eigentlich sein muss.

Leere und der Zwischenraum zwischen den Dingen aber auch zwischen Menschen hat den Maler besonders interessiert, steht oft zu lesen. Deswegen haben wir etwas länger das folgende Bild angeschaut:

- Mr. und Mrs. Clark und Percy, 1970-1

Es ist ein Doppelporträt, das Hockney mit den damals ganz neuen Acrylfarben gemalt hat. Außerdem ist es mit ungefähr zwei mal drei Metern ziemlich groß. Es handelt sich dabei um das Hochzeitsbild eines befreundetes Paares, des Modedesigners Ossie Clark und der Stoffdesignerin Celia Birtwell. Hockney hat das Bild kommentiert und als sein Hauptziel angegeben „die Beziehung dieser beiden Personen zu malen". Wir haben uns darauf konzentriert und fanden den sitzenden Mann irgendwie desinteressiert an seiner ihm gegenüberstehenden Frau - übrigens eine sehr ungewöhnlich Anordnung eines Paares, wenn man an die Kunstgeschichte denkt. Dazu haben wir dann nochmal auf

-  Jan van Eyks, Die Arnolfini-Hochzeit  (siehe auch den letzten Post)

zurückgegriffen, das im Übrigen noch deswegen anzuführen ist, weil dort ein kleiner Hund im Vordergrund zu sehen ist. Ein Hund steht symbolisch auch für die Treue. Dagegen aber sitzt bei Hockney auf dem Schoss des Ehemannes eine Katze, die durch ihr Verhalten symbolisch mit der Missachtung von Regeln verbunden ist und damit auch darauf hinweisen könnte, dass Ossi Clark tut, was er will. Wobei der Katzenname Percy ist, eine Bezeichnung, die auch den Penis meinen kann. Auch die Linie links im Vordergrund bei Hockney ist ein Symbol, das häufig auf mittelalterlichen Bildern für die Jungfrau Maria verwendet wird und auf ihre Reinheit hinweist.   

Zur Anordnung des Paares haben wir auch noch ein jüngeres Paar-Porträt verglichen

- Thomas Gainsborough, Mr. und Mrs. Andrews, um 1750,

in dem das junge Paar im Freien gezeigt wird, wobei die junge Frau auf der Gartenbank links von ihrem Gatten sitzt, der sich stehend an der Lehne anlehnt. Hier wird deutlich, das Hockney in seinem Bild mit den Verhaltenskonventionen der Vergangenheit gebrochen hat, wenn er die Frau stehen und den Mann sitzen lässt (noch in meiner Jugend gehörte es sich nicht, dass ein Mann sich schon hinsetzte, wenn noch eine Frau im Raum stand! Erinnert sich noch jemand daran?).
Wir haben uns auch mit den Blicken des Paares beschäftigt. In diesem Bild schauen beide Figuren, getrennt durch das helle Fenster, aus dem Bild heraus auf den Betrachter, wobei der Blick des Mannes sehr skeptisch wirkt und Ursel uns vorlas, dass der Maler diesen Kopf bis zu zwölfmal gemalt hat, bevor er damit zufrieden war. Der Maler, auf den die Porträtierten ja ursprünglich blickten, hat auch sich selbst ins Bild eingebracht und zwar durch das Bild an der Wand, das eine Radierung aus seiner früheren Serie A Rake's Progress (1961–3) zeigt. Übrigens schreibt die Tate-Galerie: "Die Kluft zwischen dem durch das offene Fenster dargestellten Paar und dem Blick des Dritten (Künstler oder Betrachter) erwies sich als prophetisch: Die Ehe hielt nicht an."

Von den Porträts gingen wir zu den Landschaftsbildern über und schauten uns das riesige Gemälde

- Ein größerer Grand Canyon, 1998 (auf der Seite oben befindet sich erst das ähnliche Bild "A closer Grand Canyon, man muss herunter scrollen unter dem Foto des Malers kommt dann "A bigger Grand Canyon)

an, das aus sechzig Leinwänden besteht. Wir rätselten eine Weile, woher das Licht in diesem Bild kommt und welchen Standort der Maler selbst eingenommen hat. Doch je länger man das Bild betrachtet, desto mehr erschließt sich die Landschaft mit dem scharfen Einschnitt des Canyons. Wie groß das Bild ist lässt sich ganz gut an einem Foto aus dem Museum Louisiana in Dänemark erkennen:

- David Hockney,  "2001 viste Louisiana David Hockney – Maleri 1960-2000" (dazu auf dieser Seite fast bis ganz nach unten scrollen, dann kommt ein Bild mit dem Gemälde, darauf muss man klicken, dann sieht man die beiden Bilder des Grand Canyon)

Hockney soll dazu übrigens von den Landschaftsgemälden von Thomas Moran inspiriert gewesen sein. Dieser hat unter anderem auch den Grand Canyon gemalt:

- Thomas Moran, Grand Canyon mit Regenbogen, 1912

Ganz zum Schluss haben wir dann noch schnell einen Blick auf die neueste Art und Weise zu malen geworfen, die der vielseitige Künstler natürlich auch sofort ausprobiert hat, nämlich auf seine

- iPad-Bilder, ab 2010,

die zeigen wie virtuos dieser Maler seine Mittel handhabt.