Montag, 10. Juni 2019

Lust der Täuschung

Cornelis Gijsbrechts, Rückseite eines Gemäldes, 1670
 - www.smk.dk und soeg.smk.dk, Gemeinfrei,
https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=19356224 
Diesmal haben wir eine Ausstellung besucht, die zwei von unserer Gruppe tatsächlich in München gesehen haben. Sie waren so begeistert, dass ich fand, wir sollten sie wenigstens virtuell auch besuchen. Es geht um "Lust der Täuschung. Von antiker Kunst bis zur Virtual Reality", die noch bis zum 30.06.2019 im Ludwig Forum in Aachen zu sehen ist, nachdem sie zuvor in München gezeigt wurde.

Als Auftakt haben wir uns erstmal ein paar optische Täuschungen angeschaut und zwar die Zollner Illusion, die Illusion der unterschiedlichen Helligkeit, die Täuschung in den Größenverhältnissen, die Täuschung durch den Blickwinkel, durch den ein Objekt ganz verschieden aussehen kann wie der "Hidden Shaker Chair", den man kaufen kann, und schließlich die Anamorphose - in einem Bild, das uns schon früher einmal beschäftigt hat (Johannes hatte damals den Totenkopf zwischen den beiden Gesandten sichtbar gemacht!).



Bei dem ersten Werk aus der Ausstellung ist es beim virtuellen Besuch nicht ganz so leicht zu verstehen, warum es sich um eine Täuschung handelt:

- John de Andrea, Selbstporträt mit Skulptur

Tatsächlich erschafft der amerikanische Künstler täuschend echte menschliche Skulpturen aus Gips, Kunststoff, Glasfaser und Echthaarteilen. In diesem Fall erkennt man an dem nackten Modell, das die Hautbearbeitung an Ober- und Unterkörper unterschiedlich ist. Eine unvollendete Täuschung?

Schwer kommt man auch auf den Unterschied bei den folgenden beiden Abbildungen:

- Werbung für "Slim Fast sachets-repas" von der Firma RetroPharmacie in Frankreich

- Sylvie Fleury, "Slim-Fast: Délice de Vanille", 1993

Ja, es stimmt, die Künstlerin hat das Aussehen der Schachteln eins zu eins auf Holzblöcke übertragen und führt uns so hinters Licht, oder lässt sie uns vielleicht nur die Augen besser aufmachen?

Noch rätselhafter wird dann die Frage nach Kunst oder Täuschung bei

Tom Früchtl, Tondo - geschminktes Holz, 2017

Das ist doch bloß eine runde Holzscheibe mit Maserung und Spuren von gewaltsamer Bearbeitung oder? Was soll daran nun wieder Kunst sein? Auch hier führt genaueres Hinsehen auf die Spur einer Bemalung anstelle von echter Maserung und von Lichteffekten, die gleich mit aufgemalt sind.

So die Augen zu täuschen ist übrigens nichts Neues, wie das folgende Gemälde zeigt:

- Cornelis Gijsbrechts, Rückseite eines Gemäldes (1670)

Karl hat versichert, dass es täuschend echt aussieht und man erst ganz nah herangehen muss, um zu sehen, dass die Schatten gemalt sind und es sich gar nicht um die echte Rückseite eines Bildes, sondern um ein Bild von der Rückseite eines Bildes handelt. Hier wird die Frage gestellt, was ein Bild wirklich zeigt: Die Wirklichkeit?

Dass neue Medien die Menschen auch zum Umfallen erschrecken konnten, erleben wir nicht erst heute mit der virtuellen Realität. Wenn man den folgenden kurzen Film

- L'Arrivée D'un Train En Gare De La Ciotat (1895)

ansieht, kann man sich kaum noch vorstellen, dass die Menschen vor Schreck umgefallen sind, als sie das sahen, weil sie dachten, der Zug würde sie gleich umfahren! In der Ausstellung gibt es dazu das VR-Spektakel "Richie's Plank Experience". Dabei spaziert man mit der VR-Brille über eine Holzplanke und schaut von einem Wolkenkratzer in die Tiefe. Wer die Planke verlässt, fällt. Manche brechen zitternd ab!

Laurie Anderson and Hsin-Chien Huang lassen in ihrem Virtual-Rreality-Werk

- Chalkroom

die Menschen in neue virtuelle Welten abtauchen, die uns ganz neue Seh-Erfahrungen vermitteln können (Schade, dass hier noch keine Virtuell-Reality-Brille integriert ist!)

Noch einmal zurück zur optischen Täuschung in der Realität, das heißt in einem Gebäude:

- Francesco Borromini, Galerie des Palais Spada, Rom,

Was ist Realität, was ist Täuschung? Im Bild ist es noch schwerer zu erkennen als in dem Bauwerk, denn hier gehen gebaute und gemalte Säulen eine enge Verbindung ein. Tatsächlich ist der Gang viel kürzer, als man denkt und der Ausblick ist gemalt.

Ähnliche Täuschungen bietet das Werk

Cornelis Bris, Dokumente an der Wand, Schatzkammer der Stadt Amsterdam, 1656

das uns durch seine scharfen - gemalten - Schatten erfreute, während das moderne Bild von

- Pierre Gilou, La roue

zeigt, dass auch heutige Maler Dinge noch täuschend echt auf die Leinwand bringen können.

Wer Lust hat noch etwas mehr über die Ausstellung zu erfahren sei hier auf den zugehörigen Spiegel-Artikel hingewiesen.