Sonntag, 11. November 2018

Lotte Laserstein

Lotte Laserstein (1898-1993), Russisches Mädchen,
um 1928. Öl auf Holz, 32 × 23 cm. Sammlung
Linda Sutton und Roger Cooper, London. Foto: Städel
Museum © VG Bild-Kunst, Bonn 2018
Nachdem der Septembertermin ausgefallen ist, haben wir uns im Oktober den Bildern von Lotte Laserstein im Städelmuseum in Frankfurt zugewandt, die ich eigentlich für September geplant hatte. Die Ausstellung " Lotte Laserstein - Von Angesicht zu Angesicht" läuft vom 19.9.2018 bis zum 17.3.2019, also ist noch Zeit sie anzusehen. Übrigens sei hier gleich angemerkt, dass man sich auch, wenn man die Ausstellung nicht besuchen kann, den ausgezeichneten Audioguide kostenlos auf das eigene Smartphone laden und die Bilder gemütlich zuhause ansehen kann! Außerdem ist das Kuratoreninterview im Blog des Museums zu empfehlen.

Wie immer informiert Wikipedia über das Leben der Künstlerin (* 28. November 1898 in Preußisch Holland im ostpreußischen Oberland; † 21. Januar 1993 in Kalmar, Schweden), deren Anfangsjahre als Malerin in der Zeit der Weimarer Republik lagen und die 1937 nach Schweden emigrieren musste, weil sie als Jüdin galt.

Als erstes sahen wir uns ihr Bild
- Russisches Mädchen, um 1928
an, das den Anfang der Website der Ausstellung dominiert. Natürlich fiel der ungewöhnliche Bildausschnitt und der gespitzte Mund der Porträtierten ins Auge.

Verglichen haben wir das Bild mit dem
- Foto der Tänzerin Valeska Gert von dem Fotografen Umbo
das einen ähnlichen Bildausschnitt zeigt. Aber ist es wirklich dem Gemälde ähnlich? Hat ein solches Foto als Vorlage gedient? Fakt ist, dass damals sehr viele Russen und Russinnen - oft aus adeligen Kreisen vor der Oktoberrevolution nach Berlin geflohen waren und sicher auch zusehen mussten, wie sie ihren Lebensunterhalt verdienten.

Anders das
- Selbstbildnis mit Katze, 1923
bei dem wir erst einmal klar stellen mussten, dass auf der Fensterbank hinter dem Selbstporträt Glasflaschen und Gläser mit Pinseln stehen, bevor wir den Blick aus dem Fenster warfen, der von oben auf eine Garten- und Häuser-Landschaft geworfen ist. Dann erst haben wir uns dem Porträt zugewandt, das eine männlich wirkende Frau mit kurzen Haaren zeigt, die in der linken Hand den Pinsel hält und eigentlich nicht uns, die Betrachter, sondern sich selbst im Spiegel skeptisch mustert.

Einen ähnlich skeptischen Blick hat sie auf dem
- Selbstbildnis vor rotem Tuch,
das aber doch eine ganz andere Frau zu zeigen scheint. Wir haben dieses Selbstbildnis mit einem der Bilder verglichen, das Lotte Laserstein beeinflusst haben soll:
- Wilhelm Leibl (1844 ‐ 1900), Mädchen mit weißem Kopftuch
und konnten uns nicht wirklich darüber einigen, dass zwischen den beiden Bildern Ähnlichkeiten bestehen, auch wenn einigen eingeleuchtet hat, dass der Bildausschnitt, der relativ einfarbige Hintergrund und die Art, wie beide Mädchen aus dem Bild blicken, verwandt sind.

Auf dem Bild der nackten Liegenden in Atelier der Künstlerin
- In meinem Atelier, 1928
fiel uns als erstes auf, dass die Malerin sich selbst wieder so ähnlich dargestellt hat, wie auf dem ersten Selbstbildnis, das wir angesehen haben. Allerdings wird hier die Katze durch eine riesige Palette ersetzt, die man nicht sofort als solche erkennt. Auf den zweiten Blick wurde dann die Dissonanz zwischen der Malerin, deren Bild man nicht sieht, und der Liegenden, die die Malerin von einer ganz anderen Seite sieht als der Betrachter, zum Thema und auf den dritten Blick auch noch einmal der Blick nach draußen aus dem Fenster auf die städtische Winterlandschaft, die man wieder von oben sieht, als ob man am Fenster stehen und herabblicken würde.

Zum Vergleich wurde dann noch
- Giorgiones Schlummernde Venus, vom Beginn des 16. Jh.
auf den Bildschirm geholt, die zeigt, dass das Bild der nackten liegenden Frau immer schon ein malerisches Sujet war. Gibt es einen Unterschied im männlichen und im weiblichen Blick auf die nackten Frauen?

Als Hauptwerk von Lotte Laserstein gilt das Bild
- Abend über Potsdam
bei dem wir länger verweilt haben. Hier ist ein schöner Text dazu zu finden. Wir haben den Vergleich mit
- Leonardo da Vincis berühmten Abendmahl
gezogen, was einigen mehr oder weniger unzulässig erschien. Was ist vergleichbar, was nicht? Der große Tisch mit weißer Decke; das Essen, das wie ein Stillleben angeordnet ist? Die an diesem Tisch versammelten Gestalten? Also Christus und die junge Frau doch wohl nicht, kam der Einwand, und überhaupt, Lotte Laserstein malt einen Abend auf ihrem Balkon mit einer traurig dreinblickenden Frau und nachdenklichen Männern....

Dass die Malerin ihr Vorbild für die Haltung der Frau am rechten Rand, die aus einem Krug Milch ausgießt, dagegen in
- Vermeers, Milchmagd
gefunden haben könnte, leuchtete eher ein. Es ist, als ob sie ihr Modell gebeten hätte, dieselbe Haltung einzunehmen und sich dann ein wenig weiter nach links zu drehen ...

Nur zum Vergleich für die Art, wie die Früchte auf dem Tisch gemalt sind, kam dann auch noch von
- Manet das Stillleben mit zwei Birnen
auf den Schirm und, wer möchte, kann auch noch das Bild von
- Carl Eduard Schuch, Stilleben
dazu nehmen, dessen Kunst die Malerin ebenfalls beeinflusst haben soll.

Wir haben uns dann mit dem Bild der
- Tennispielerin 1929 (Es ist, wenn man herunterscrollt, das 1. Pressebild auf der Seite)
entspannt und parallel dazu den
- Motorradfahrer
angesehen, zwei Bilder, die die Zeit der Zwanziger Jahre vor dem inneren Auge wieder erstehen lassen.

Um 1932, als schon absehbar war, das die Nationalsozialisten immer mehr Zulauf gewannen, malte
Lotte Laserstein
- Mackie Messer und ich, um 1932, (herunterscrollen zu Pressebilder, 1. Reihe 4. Bild von links)
Sie malt sich selbst als Polly Peachum an der Seite eines düsteren Mackie Messer. Sie ist mit hohem lila Hut und Federboa "aufgebrezelt" und blickt, wie in dem ersten Selbstbildnis skeptisch auf die Betrachter. Als die Nationalsozialisten an die Macht kamen, verboten sie die „Dreigroschenoper“. Sie war extrem erfolgreich gelaufen, hatte aber zugleich für rechtsextreme Ausschreitungen gesorgt. Die Malerin nimmt also durchaus politisch Stellung, wenn sie sich selbst an der Seite des Hauptdarstellers zeigt.

Und hier noch ein Update (11.11.2019): Die Ausstellung ist noch bis zum 19.1.2020 in der Kieler Kunsthalle zu sehen. Ich war da und fand sie toll!!!