Montag, 7. Mai 2018

Die "High Society" im Amsterdamer Rijksmuseum

Oopjen Coppit, 1634   
(By www.wga.hu, Public Domain)    
Wir haben Europas High Society besucht und man muss sagen, dass diese illustre Gesellschaft wirklich eindrucksvoll ist!

Und noch mal von vorn: Im Amsterdamer Rijksmuseum sind bis zum 3. Juni 2018 Ganzfiguren-Porträts der Upperclass aus ganz Europa zu Gast, sozusagen als Gratulanten. Sie kommen um dem Doppelporträt von Rembrandt Glück zu wünschen(!), das frisch restauriert zum ersten Mal wieder ausgestellt wird.

Ein Clou dabei: Das Rijksmuseum lässt die Porträts als lebendige Menschen aus ihren Rahmen treten und in mehreren Videos über die Jahrhunderte hinweg einen vergnüglichen Small Talk führen, der sich natürlich um Kleider, Geld und Sex dreht (die Videos sind auf Holländisch und haben z.T. englische Untertitel, machen aber auch ohne Sprachkenntnisse Spaß).

Diesmal haben wir uns eine ganze Reihe von Bildern angeschaut, so dass nicht alle hier ausführlicher besprochen werden, sondern einfach nur einen Eindruck von der Unterschiedlichkeit dieser Bildgattung geben sollen. Denn Porträts der ganzen Figur sind natürlich in sich selbst schon deutlich kostbarer und kostspieliger, als wenn nur das Gesicht gemalt wird. Und natürlich versuchen die meisten Porträtierten sich dafür so fein wie möglich herauszustaffieren und ihren Reichtum zu zeigen!

Maerten Soolmans, 1634 
(By www.wga.hu, Public Domain
Als erstes stehen hier selbstverständlich die beiden frisch restaurierten Porträts, die 2015 von der niederländischen Regierung und dem Museum für den Rekordbetrag von 160 Millionen Euro aus dem Besitz der französischen Rothschild Familie angekauft wurden:

- Rembrandt, Porträt von Maerten Soolmans, 1634 und von Oopjen Coppit, 1634

Marten Soolmans (1613-1641), war Sohn einer reichen Amsterdamer Familie, die eine florierende Zuckerraffinerie besaß. Rembrandt war in dieser Zeit schon der begehrteste Porträtmaler der Stadt. Die beiden Bilder sind zur Hochzeit des Paares in Auftrag gegeben worden. Uns fielen natürlich die trotz der dunklen Farbe sehr reichen Kleider der beiden auf. Die Seide ist zwar tiefschwarz, aber sie ist damastartig gewebt, also in sich gemustert. Dazu kommen die kostbaren Klöppelspitzen.  Oopjen Coppit, die Ehefrau, trägt übrigens schon nicht mehr den üblichen Mühlradkragen - wir hatten ihn auf dem Brautbild von Rubens mit Isabella Brandt (um 1609) gesehen - sondern den modernen glatten Spitzenkragen über ihren Schultern. Nicht ganz erklären konnten wir uns den Handschuh, den Marten in seiner linken Hand hält - wahrscheinlich ein Zeichen der feinen Lebensart?


Über hundert Jahre älter sind die Porträts von

- Lukas Cranach d. Ä., Heinrich der Fromme, Herzog von Sachsen und Katharina von Mecklenburg (1514)

Das Paar heiratete am 6. Juli 1512 und hatte sechs Kinder.  Die beiden Bilder gehören zu den frühesten Ganzkörper-Porträts im Norden Europas und übertreffen in Bezug auf die Kleidung die beiden Amsterdamer Bürger deutlich. Natürlich kam die Frage auf, wie Mantel, Wams und Hose des Herzogs gemacht sind. Es war die spezielle Mode der geschlitzten Stoffe, d.h. die Stoffe sind andersfarbig unterlegt und in Reihen aufgeschlitzt, eine sehr gewagte Mode! Die beiden tragen übrigens Kleider in den Farben ihrer jeweiligen Familienwappen. Die Frage des Schwertes hat uns bei den Porträts immer mal wieder beschäftigt. Heinrich jedenfalls zieht es gerade mit seiner rechten Hand. 

Ebenfalls mit einem Hund - einem englischen Wasserhund! - hat der folgende Künstler sein Porträt gemalt: 

- Jakob Seisenegger, Kaiser Karl V. mit Hund (1532) 

Das Kostüm fanden wir denn doch sehr gewöhnungsbedürftig. Der Versuch aus einer eher zierlichen Person einen breitschultrigen Kerl zu machen, ist nicht wirklich gelungen oder? Dafür erkannten wir auch hier noch einmal die Mode der geschlitzten Stoffe, diesmal allerdings nicht so farbenfroh, sondern in einem eleganten Ton von beiger Seide mit weißem Unterstoff, und ja, die dicke Schamkapsel gehörte damals zum guten Ton!

Wirken die beiden folgenden Porträts so modern, weil der Maler die Kinder des Ehepaares mit in seine Komposition einbezogen hat? 

- Paolo Veronese, Iseppo da Porto und Livia da Porto Thiene mit ihren Kindern (1555)

Der Graf Iseppo da Porto lebte in Vicenca in Italien und heiratete 1545 die Adelige Livia (oder Lucia) Thiene. Sie bekamen sieben Kinder: die ersten beiden sind auf dem Bild zu sehen: Adriano und Porzia. Es ist übrigens interessant etwas über sein Leben nachzulesen, da er eine in seiner Zeit ungewöhnliche Persönlichkeit war. 

Viel prunkvoller ist dann der englische Earl gekleidet

- William Larkin, Porträtbild Richard Sackville, Earl of Dorset,

Der Earl war übrigens ein Spieler, der nicht nur sein eigenes sondern auch das Vermögen seiner Frau in Mitleidenschaft zog.

Dagegen ließ sich der Bürgermeister von Haarlem Johann Coldermann oder Coltermann ganz und gar ohne Kleider darstellen. Jedenfalls ist es wahrscheinlich, dass er mit seiner nicht wirklich herkulischen Figur und seinem weichen Gesicht Modell für das folgende Bild stand:

- Hendrick Goltzius, Herkules und Cacus, 1613

Die Geschichte von Herkules und Cacus wird auch auf dem Bild dargestellt. Cacus war ein übler Räuber und stahl ein paar Rinder des Herkules, worauf dieser ihn - nach Ovid mit einer riesigen Keule - tötete.

Da wirkt dann der spanische Don Pedro de Barberana y Aparregui - den Namen muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen - wesentlich distinguierter!

- Diego Velázquez, Don Pedro de Barberana y Aparregui, ca. 1631-33

Er war Mitglied des Geheimen Rates von Philipp IV, Ehrenpostmeister des Königreichs und Gouverneur seiner Geburtsstadt Briones. Er trägt auf seinem Mantel das rote Kreuz des Ordens von Calatrava - dieser Orden war im Mittelalter zur Verteidigung gegen die Mauren gegründet worden und galt später als Privileg der Aristokratie. An diesem Bild haben wir außerdem bewundert, wie Velázquez mit dem Schattenwurf und der Stellung der Figur im fast leeren Bildraum es schafft, uns eine Illusion von der physischen Anwesenheit des Dargestellten zu vermitteln. Das wurde besonders im Vergleich mit dem Bildraum, den Vorhängen und dem bunten Teppich, auf dem der Earl von Dorset steht deutlich. Don Pedro beherrscht den Bildraum ganz anders als der prunkvoll gekleidete Earl.

Nach Rom sind wir dann mit dem Colonel William Gorden gezogen. Er stellt die Tracht seiner Vorfahren vor dem Kolosseum aus:

- Pompeo Batoni, Colonel the Hon. William Gordon, 1766

Gordon war ein britischer General und Höfling, der 1762 sein eigenes Regiment (der Highlander der Königin) erhielt und damit auf Europa-Tournee ging. Auf dem Bild trägt er die Uniform der Highlander - römisch abgewandelt mit dem Tartan, der wie eine Toga geschlungen ist.

Die Damen standen den Herren in nichts nach, wenn es um die (Selbst-)darstellung ging. Erinnert da nicht manches an heutige Selfies?

- Sir Joshua Reynolds, Jane Fleming, ca. 1778

Jane Fleming (geb. Stanhope) wurde in jungen Jahren Erbin eines immensen Vermögens und kam ab 1794 zu der Ehre Kammerfrau („Dame des Schlafzimmers“) der britischen Königin Charlotte von Mecklenburg-Strelitz zu werden. Janes Mann, Lord Harrington, stellte mit ihrem Geld ein ganzes Infanterieregiment auf. Sie selbst galt als attraktive und hochmodisch gekleidete Frau. Aber sie war – wie viele ihrer Klasse – eine Spielerin. Trotzdem galt sie als Inbegriff der Tugend, während ihre jüngere Schwester Seymour Dorothy Fleming die Gesellschaft empörte, weil sie Berichten zufolge sexuelle Beziehungen zu 27 anderen Männern als ihrem Ehemann hatte.

Wie man sich die losen Sitten des Adels im 18. Jahrhundert vorzustellen hatte, zeigen übrigens Grafiken, die zeitgleich im Rijksmuseum zu sehen sind. Eine davon ist das Bild von

- Cornelis Troost, Prince Eugene von Savoyen überprüft eine Aufstellung Prostitutierter, um 1720.

Im 19. Jahrhundert lassen sich dann nicht mehr nur Adelige, sondern auch Bürgerliche porträtieren, die es zu Ruhm und Ansehen gebracht haben:

- John Singer Sargent, Dr. Pozzi zu Hause, 1881

Samuel-Jean Pozzi (1846-1918) gilt in Frankreich als Pionier auf dem Gebiet der modernen Gynäkologie. Aber er war auch Ästhet und Kunstsammler, hochverehrt von dem Maler des Porträts. So malte dieser sein Modell in einem fast kirchlichen Habitus, denn der rote Morgenmantel nimmt in gewisser Weise Bezug auf ältere Bilder von Päpsten und Kardinälen. Aber Pozzis elegante Hände mit ihren gelängten Fingern weisen auch auf sein chirurgisches Können hin, können aber auch als Zeichen für seine Sinnlichkeit gesehen werden, denn der Arzt soll ein Frauenliebhaber gewesen sein. Und natürlich kann man so einen Morgenmantel und die üppigen Samtvorhänge auch in Richtung Schlafzimmer deuten...

Die letzte in der Reihe der Schönen und Reichen ist eine interessante italienische Marchesa

- Giovanni Boldini, Marchesa Luisa Casati mit einem Windhund, 1908,  (1881 - 1957)

Auch sie war eine reiche Erbin - Tochter eines wohlhabenden Mailänder Textilfabrikanten. Sie liebte die Kunst, wurde als meist-gemalte Frau Italiens berühmt und war mit vielen Künstlern persönlich befreundet. Zugleich galt sie am Anfang des 20. Jahrhunderts als Modeikone und genoss das Leben in der High Society Europas. In den 1930er Jahren verarmte sie und verbrachte ihren Lebensabend in einfachen Verhältnissen in London. An ihrem Bild faszinierte uns besonders die Farbigkeit, die sogar den eleganten Hund mit einbezieht und der bewegte Stoff ihrer Kleidung, die ihrer Haltung etwas Unstetes gibt. Ähnlich Extravagant ist auch eine Fotografie, auf der sie ein Kleid von Jean Philippe Worth trägt.