vom 23.2. bis zum 27.5.2018 in Palais de Beaux Arts in Brüssel.
Diego Velázquez: Alte Frau beim Eierbraten, 1618 (Quelle: De Diego Velázquez - Google Art Project: Home - pic Maximum resolution, Dominio público, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=19980800) |
- Diego Velázquez: Alte Frau beim Eierbraten, 1618 (oder dieser alternative Link)
Dieses Bild gehört zu den frühesten Werken des Malers. Wir haben uns erstmal darüber unterhalten, ob die Eier gebraten oder gekocht werden. Ursel sprach gleich von pochierten Eiern und auch ich finde, dass die Eier eher in Wasser schwimmen als in Fett braten. Die Beschriftung brachte uns nicht wirklich weiter: Auf Englisch heißt das Bild "Cooking eggs" (Eier-Kochen), auf Spanisch "Vieja friendo huevos" (Alte Frau beim Eierbraten!). Der Ofen - in ähnlicher Form kann man ihn heute als Terrassenofen kaufen - ist ebenso wie die Schale mit den Eiern aus Ton und der Maler lässt uns den Unterschied zwischen glasierten und unglasierten Ton deutlich erkennen. An unteren Rand der Schale sieht man dazu noch ein wenig von der roten Glut hervorschimmern. Die sitzende alte Frau schaut nach links zu dem Jungen, der mit einer Melone zu ihr tritt. Sie ist schlicht angezogen, nur das weiße Kopftuch sticht hervor. In der einen Hand hält sie einen Kochlöffel, in der anderen ein Ei. Haben die kochenden Eier und das noch heile Ei etwas zu bedeuten? Und dann die Frage, ist das Bild ein Stillleben? Auf jeden Fall ist in dem Bild ein Stillleben aufgebaut: Rechts seitlich steht vor der Frau ein Tisch, darauf eine weiße Schale mit Messer, ein Mörser, zwei Krüge, eine Zwiebel und Chili-Schoten. Woher kommt das Licht? Am Messerschatten kann man gut sehen, dass es von links oben auf die Gesichter und auf den Tisch fällt, während der Hintergrund im Dunkel verschwimmt. Soll das Zusammentreffen von jung und alt ein Hinweis auf die Vergänglichkeit sein? Erinnert das intakte Ei in ihrer Hand an die Wandelbarkeit aller irdischen Materie und an ein jenseitiges Dasein, wie ich in einer Bildbeschreibung gelesen habe?
Noch ein zweites Bild von Velásquez ist in der Ausstellung zu sehen. Darin sind ebenfalls Elemente des Stilllebens in eine szenische Darstellung integriert:
- Velasquez, Christus im Hause von Maria und Martha, um 1618 (oder dieser alternative Link)
Im Mittelpunkt stand für uns zuerst das Bild an der Wand oder der Blick in einen anderen Raum - ganz sicher waren wir uns da nicht. Johannes erzählte uns die biblische Geschichte, die hinter der Szene mit dem sitzenden Mann und den beiden Frauen steht. Aber warum ist das religiöse Motiv so weit in den Hintergrund gerückt und im Vordergrund sieht man eine schlichte Küchenszene? Eine alte Frau zeigt auf ein junges Mädchen, das etwas in einem Mörser klein stampft. Auch hier ist auf dem Tisch, an dem sie arbeitet, ein Küchen-Stillleben ausgebreitet: eine Knoblauchzwiebel, Peperoni, auf einem Keramikteller Fische und Eier und ein Krug - Lebensmittel, die am ehesten zum Herstellen einer Fastenspeise dienen können. Kommentieren sich die beiden Bildebenen gegenseitig? Sollte die junge Frau den besseren Teil erwählen und sich um ihre Seele kümmern anstatt um die Küche? (Als Vorbild für diese für Velázquez typische Verbindung mehrerer Bildebenen wird in der Literatur das 1936 im Bürgerkrieg zerstörte Gemälde seines Lehrers und Schwiegervaters Francisco Pacheco genannt: San Sebastian atendido por Santa Irene - Die heilige Irene betreut den Heiligen Sebastian).
Während bei Velasquez die Stillleben nicht im Mittelpunkt stehen, konzentrieren sich die vielen sogenannten Bodegones (kommt von Bodega, ursprünglich der Bezeichnung für ein Lager- oder Kellergewölbe) in der Ausstellung ganz und gar auf die Darstellung von Früchten und Gemüse:
- Sanchez Cotan (1560–1627), Stillleben mit Quitte, Kohl, Melone und Gurke, um 1600
Bei diesem Bild fiel uns natürlich der Rahmen auf, der wie ein hinten und vorn offener Kasten gebaut ist - ein Fenster, ein Regal, ein Bilderrahmen? Dazu die undurchdringliche Dunkelheit des Hintergrundes, vor dem der Apfel und der Wirsingkohl aufgehängt sind, während die aufgeschnittene Melone und die Gurke am Boden liegen. Bedeuten diese Früchte und das Gemüse etwas oder ist das einfach nur Grünzeug, das der Maler halt so angeordnet hat? Steckt im Apfel das Symbol der Fruchtbarkeit oder sogar Adam und Eva, die vom Baum der Erkenntnis naschten? Geht es um Leben und Tod, weil keine Frucht so bleibt wie sie ist, sondern schon bald "vergammelt"? Oder geht es einfach um die täglichen Nahrung, um das, was die Natur uns gibt? Wurde das Grünzeug es wegen der Mäuse aufgehängt?
Viele Fragen und dann gibt es da noch dieses Video von
- Ori Gersht, Pomegranate (Granatapfel), 2006,
in dem der Künstler das friedliche und leblose Bild gleichzeitig zum Leben erweckt und mit einer Kugel zerschmettert. Frieden und Gewalt, Leblosigkeit und brutale Zerstörung verbunden mit dem Blutrot der auseinander fliegenden Kerne des Granatapfels waren die Assoziationen, die bei uns aufkamen.
Wenigstens die Antwort auf die Frage, ob das Obst früher wegen der Mäuse an Fäden aufgehängt wurde, gibt ein weiteres Bild von
- Juan Sánchez Cotán (1560–1627), Stillleben mit Vögeln, Gemüse und Früchten, 1602.
Denn darin sind gleich sieben Äpfel zusammen aufgehängt und auch die Zitronen, das tote Rebhuhn und zwei Singvögel hängen von der Decke herab, während die Karotten (oder doch Wurzeln?) und die weiße Kardone - da ist sie, die Kardone! - ohne Probleme in Bodennähe aufbewahrt werden können. Links an der Seite stehen dann noch einmal an einen Stecken gebundene Singvögel.
Einige der folgenden Stillleben, haben wir uns während der Stunde, die das Kunstsurfen nur dauert, nicht lange angesehen; z.B. das verlockende Stillleben von
- Juan van der Hamen y León (1596 - 1631), Stillleben mit Süßigkeiten und Kristallvasen, 1622
und
- Juan van der Hamen y León, Stillleben mit Kardone und einer Winterlandschaft, 1623
und
- Antonio Ponce, Still Life with Artichokes and a Talavera Vase, ca. 1650-1660
Bei diesem Bild haben wir uns noch einmal über Leben und Tod unterhalten. Auf den ersten Blick zeigt es einen wunderschönen Blumenstrauß mit einigen zu seiner Zeit sehr kostbaren Tulpen. Der Strauß steht in einer bunten Vase auf einem Tisch, auf dessen brauner Tischdecke noch eine Artischocke, ein Apfel und eine Zwiebel neben Zweigen, gebündelten Halmen und einer abgefallenen Blüte herumliegen. Aber dann fällt doch auf, wie vergänglich diese wunderschönen Blumen sind ...
(Die Vase stammt übrigens aus Talavera de la Reina, einer spanischen Stadt, die für ihre Keramik und speziell ihre Kacheln berühmt war!)
Bei dem Bild von
- Luis Eugenio Meléndez, Lachs, Zitrone und drei Gefäße, Um 1750, Museo del Prado
hat dann besonders die Kunst, mit der das Fleisch des toten Fisches und die unterschiedliche Oberfläche der metallenen gepunzten Gefäße wiedergegeben ist, beeindruckt (und es hat uns an unsere Versuche im Werkunterricht Kupferblech zu bearbeiten und daraus ein Gefäß zu formen erinnert :-))
Dagegen hat dann das Bild von
- Francisco José de Goya y Lucientes, Die gerupfte Pute, 1808/1812
nur noch Erstaunen hervorgerufen. Warum hat er bloß diese Pute gemalt? Warum liegt das arme nackte Tier so unglücklich mit den Beinen schräg nach oben? Was sollen die Fische in der Pfanne?
Das Gespräch war schon vorher auf die nackte Pute gekommen und da war Ursel noch ein anderes Bild von Goya eingefallen, das sie uns zum Glück nicht vorenthalten hat und das sehr viel heiterer wirkt:
- Goya, El perro, 1820 - 1823
Zurück zu den Stillleben:
- Pablo Picasso, Stillleben mit Krug, Kerze und Emailletopf, 1945
Bei diesem Bild dagegen gab es für uns nicht viel zu verstehen. Das sind eben ein Krug, eine Kerze und ein blauer Topf, auch wenn sie "kubistisch" auseinander genommen sind.
Das Korkstück von
- Salvador Dali, Le Morceau de Liège , 1950
ist dagegen nicht so einfach zu erkennen. Wir rätselten ein wenig, wie es aufgehängt ist und wie das Licht fällt. Bis Karl uns auf den Schatten des Nagels aufmerksam machte, der schräg fällt, und darauf, dass man das Band, an dem der Kork hängt, gar nicht sehen kann. Natürlich haben wir uns dann auch noch das Bild angeschaut, für dass dieses Stillleben eine Vorstudie ist:
- Salvador Dali, Die Madonna von Portlligat, c. 1950
Mit ein wenig Suchen findet man auch das Korkstück in diesem in viele Fragmente zerfallenen Bild.
Als letzter gehörte noch der Fotograf Kevin Best in diese Reihe:
- Kevin Best, Stillleben mit Weinglas
Ursel fand auch gleich das Vorbild, nach dem der Fotograf seine Aufnahme gestaltet hat (und fand das Vorbild viel besser!)
- David Bailly, Selbstporträt mit Vanitasstillleben, 1651
Aber uns fiel natürlich auch auf, dass Kevin Best zwar viele Gegenstände seines Vorbildes wiedergibt, zugleich aber auch ein paar ganz moderne Details eingeschmuggelt hat! Weitere Fotos von ihm sind übrigens auf flickr zu sehen.