Der Fall Lidwinas auf dem Eis, 1498
aus: Johannes Brugman, Vita Lijdwine (Schiedam 1498)
(Quelle PD-old) |
Wir haben uns erst einmal einen "Knochen-Schlittschuh" angesehen, um in das Thema einzusteigen. Und jetzt hat mir Karl auch ein Foto von hölzernen Schlittschuhen geschickt, die im 19. Jahrhundert immer noch so lang vorn hochgezogene Kufen hatten, wie auf den alten Bildern!
Als ein frühes Bild, auf dem ein Schlittschuhläufer und ein Schlittenfahrer zu sehen sind, folgte dann:
- Flämischer Psalter, Der Februar. Linke Seite: Schlittschuhlaufen und Rodeln. Rechte Seite: Ein Priester segnet Kerzen bei einer Kerzenmesse; um 1320-1330 (Oxford, Bodleian Library, Ms. Broxb. 89.10)
Die kleine Szene mit dem Mann, der Schlittschuh läuft, und dem anderen, der auf einem Schlitten sitzt und sich mit Stöcken auf dem Eis abstößt um in Fahrt zu kommen, befindet sich am unteren Rand des Textes und man kann sie leicht übersehen! Sicher ist es kein Zufall, dass es sich dabei um eine flämische Buchmalerei handelt. In den Niederlanden war das Schlittschuhlaufen schon früh zuhause.
Aus dem Ende des 15. Jahrhundert stammt der kolorierte Holzschnitt vom Unfall der später heiliggesprochenen Lidwina aus Schiedam in Holland, der oben zu sehen ist:
- Vita des Johannes Brugman, Sturz der Hl. Lidwina von Schiedam, Ausgabe von 1498
In den Niederlanden gab es schon im 14. Jh. Wettläufe auf dem Eis, bei denen auch Frauen mitmachten. Bei so einem Lauf stürzte die spätere Heilige und brach sich eine Rippe. Die Wunde verheilte nicht ordentlich und es entstand totes Gewebe, so dass sie den größten Teil ihres Lebens liegend verbringen musste. Es wird vermutet, dass sie außerdem an multipler Sklerose litt. Auf jeden Fall war sie sehr fromm und betete viel, bekam Stigmata, also Wunden wie Christus am Kreuz, und heilte Kranke. Viel später, nämlich im Jahr 1890 wurde sie von Papst Leo XIII. heiliggesprochen.
Schon einmal angeschaut hatten wir beim Kunstsurfen
- Pieter Bruegel der Ältere, Winterlandschaft mit Eisläufern und Vogelfalle 1565
und einige erinnerten sich sogar daran. Aber es war trotzdem noch einmal interessant, zu sehen, was wer erinnerte ... Und wer sich nicht erinnert, kann ja die schöne Bildbeschreibung unter dem obigen Link lesen!
Zu den vielen Bildern, die im 16. und 17. Jahrhundert entstanden und winterliche Szenen zeigen - es waren die Jahrhunderte der "Kleinen Eiszeit" - gehört auch das Gemälde von
- Louis de Caullery (ca.1580–1621), Fastnacht auf dem Eis (Mit Draufklicken und Scrollen lässt sich das Bild gut vergrößern!),
bei dem wir erstmal aus dem Staunen nicht herauskamen. Was findet auf diesem Bild alles statt? Wir haben bei dem Kanal angefangen, der sich diagonal hindurch zieht. Auf ihm laufen verkleidete Schlittschuhläufer in einem bunten Zug durch die Stadt; immer wieder unterbrochen von Läufern, die auf ihren Trompeten blasen. Vom Ufer und von der bogenförmigen Brücke in der Mitte schauen viele Menschen diesem Spektakel zu. Wandert der Blick von diesem Hauptschauplatz nach rechts, so entdeckt man einen Zug von Gauklern, die Kunststücke aufführen, sowie Musiker und einen nackten Mann, der rückwärts auf einem Pferd sitzt (was tut der da?). Ihm kommt eine Frau in einer von Pferden gezogenen schweren Kutsche entgegen, die in die Stadt hinein fährt. Darüber findet auf einer Bühne eine Aufführung mit Musik statt, und ganz oben zwischen den Häusern wird ein Schlitten von einem Pferd gezogen. Dort - in weiter Ferne - sind viele (kleine) Menschen zu sehen, die alle nach links streben. Schaut man auf die linke Seite des Kanals, so sieht man, dass dort vor einem Gebäude, das ein Rathaus sein könnte, ein Ringreiten stattfindet. Ein Reiter mit einem Speer jagt gerade in die abgezäunte Kampfbahn hinein, an deren Ende eine Art Galgen mit einem Ring aufgebaut ist. Im nächsten Moment wird sich zeigen, ob der Reiter den Ring herabholen wird. Auf beiden Seiten der Bahn warten die Menschen gespannt, wobei rechts sogar eine Tribüne für die Zuschauer aufgebaut ist. Hinter dem ersten Reiter wartet noch eine ganze Reihe weiterer darauf einen Lauf zu wagen.
Das Bild von
- Hendrick Avercamp (1585–1634), Eisvergnügen
sieht auf den ersten Blick so aus, als ob sich auch hier fröhliche Menschen auf dem Eis tummeln und sportlichen Vergnügungen nachgehen. Im Vordergrund spielen reich gekleidete Holländer auf Schlittschuhen Eishockey. Eine Frau wendet sich von ihnen ab (und damit dem Betrachter zu) und schaut auf ein Kind, das auf langen Kufen schnell auf die Gruppe zu läuft. An der linken Seite kniet ein weiterer Spieler, der gerade seine Schlittschuhe festbindet. Aber hinter diesen etwas größeren Figuren spielen sich andere Szenen ab. Die Menschen sind weniger farbenfroh und einfacher gekleidet, von einer Handkarre aus wird etwas verkauft, im Hintergrund wird am Ufer Reet geerntet, an einem Boot wird gearbeitet, Pferde werden über das Eis gebracht. Arbeitsleben und Müßiggang sind damit in diesem Bild einander gegenüber gestellt.
Ganz anders die erotisch angehauchte Situation bei
- Nicolas Lancret (1690 – 1743), Befestigung der Schlittschuhe/ L’Attache du Patin (zum Vergrößern rechts neben dem Bild auf den Link "Show fullscreen" klicken, dann öffnet sich ein neues Fenster).
Die Dame kam uns merkwürdig unproportioniert vor mit ihrem kurzen Oberkörper und den sehr langen Beinen. Wie steht sie überhaupt? Ja, sie hält sich an einer Brunnenschale fest - hinter ihr ein Delphin, aus dessen Maul das Wasser fließt, das in der Schale schon gefroren zu sein scheint. Seitlich kniet der junge Mann, dessen Hut am Boden liegt. Die abendliche Szenerie scheint schon fast im Mondschein zu liegen, in der sich dieses junge Paar trifft und sich einen Moment lang in die Augen blickt, bevor er sich wieder auf ihren Fuß hinunter beugen wird, um ihr den ersten Schlittschuh an den Fuß zu binden, den er zärtlich in den Händen festhält, während der zweite Schlittschuh noch am Boden neben dem Hut liegt. Assoziationen an Darstellungen von Schäferspielen und anderem Zeitvertreib von Königen und Fürsten des tändelnden Rokokos liegen da nahe.
Einige Jahrzehnte später ist das folgende Bild gemalt:
- Henry Raeburn, Rev. Robert Walker beim Schlittschuhlaufen, 1784.
Der Reverent war Mitglied der Edinburgh Skating Society, dem ältesten Eislaufclub in Britannien, den es schon seit 1742 gab. Seit 1763 wurden auch sportliche Schnell-Läufe veranstaltet. Die aus dem Jahr 1784 stammenden Statuten verraten, dass die Aufnahme in den Club von einer Prüfung abhängig gemacht wurde. Der Läufer hatte auf jedem Fuß einen Kreis zu absolvieren und nachher über drei aufs Eis gelegte Hüte zu springen. Die Clubmitglieder trafen sich auf dem Duddingston Loch, das auch auf dem Gemälde zu sehen ist. Das Bild zeigt Walker dabei wie er auf einem Bein einen Kreis auf dem Eis zieht!
Übrigens wurde das ältesten Eislaufbuch 1772 von Robert Jones (A Treatise of Skating) verfasst. Darin wird beschrieben, welche Figuren man laufen kann: Vorwärtsbögen, Spirale vorwärts-auswärts, Schlangenbogen, Achter vorwärts-auswärts, Laufen in Grätschstellung und schließlich „the figure of a heart on one leg“.
- Robert Jones, A treatise of skating, 1772 http://www.smithsbookshop.co.nz/bookshop/7102701.php
Auch der Eisläufer William Grant bei dem Amerikaner
- Gilbert Stuart (1755 – 1828), The Skater - Portrait of William Grant, 1782
zieht einen solchen Kreis auf dem Eis, wie man auf dem Bild gut sehen kann, wenn man es vergrößert. Der Porträtierte steht in diesem Bild natürlich im Vordergrund und füllt das Gemälde fast ganz aus. Schaut man aber genauer hin, so hat der Maler doch auch die Landschaft und andere Menschen mit in das Bild gebracht.
Spätestens mit dem 19. Jahrhundert wurde das Eislaufen dann auch in Deutschland ein beliebtes Wintervergnügen, wie zum Beispiel das Bild von
- Wilhelm Eichler, Schlittschuhbahn auf der Spree neben den Zelten bei Berlin, 1830
zeigt. Mehr dazu steht hier zu lesen. Wir hatten für dieses Bild ebenso wie für die Folgenden nur noch wenig Zeit, so dass wir uns nur noch kurz darüber austauschen konnten:
- Emile Claus (1849-1924) De ijsvogels/Die Eisvögel (1891)
Eines fiel uns aber doch auf, dass nämlich die Kinder auf diesem Bild immer noch mit den gleichen Schlitten fahren, wie im Psalter aus dem 14. Jahrhundert zu sehen ist, und sich auch immer noch mit genagelten Stöcken in Fahrt bringen!
Dass das Thema Geschwindigkeit am Beginn des 20. Jahrhunderts eine besondere Rolle spielte, ist in dem Druck von Cyril besonders gut zu erkennen. Jetzt fängt auch die Zeit der Revuen an, in denen das Ballett das Eis eroberte:
- Cyril Power (British, 1874–1951), Skaters, 1932
Dagegen zeigt
- Ernst Ludwig Kirchner (1880 -1938), Eisläufer
in seinem Bild eher bürgerliche Schlittschuhläufer und -läuferinnen auf einer Eisbahn.
Ganz anders geht der in Brasilien geborene "Neo-Pop-Künstler"
- Romero Britto (geb.1963), Ice Skater, 1995
mit diesem Thema um. Er hat eine Skulptur aus 6 Tonnen Aluminium und Stahl geschaffen, die ca. 4 x 7 Meter misst. Die Größe kann man auch daran erkennen, dass der Künstler selbst auf dem Bild zu sehen ist.
Zum Schluss hier noch ein paar Links zum Thema:
- Über die Ausstellung "Hendrick Avercamp: Kleine Eiszeit" (bis 15. Februar 2010) im Reichsmuseum berichtete der Deutschlandfunk.
- Auf Ntv gibt es den Beitrag: Als Rembrandt Schlittschuh lief.
- Das GeoForschungsZentrum hat den Katalog "Die 'Kleine Eiszeit' - Holländische Landschaftsmalerei im 17. Jahrhundert" (Ausstellung 2001-2002) als PDF veröffentlicht.
- Den Beitrag "Avercamps Himmel" zum Symposium “Eisvergnügen - Die Winter von Hendrick
Avercamp”, Rijksmuseum, am 14.01.2010 hat ebenfalls das GeoForschungsZentrum veröffentlicht.
- Hendrick Avercamp (1585–1634), Eisvergnügen
sieht auf den ersten Blick so aus, als ob sich auch hier fröhliche Menschen auf dem Eis tummeln und sportlichen Vergnügungen nachgehen. Im Vordergrund spielen reich gekleidete Holländer auf Schlittschuhen Eishockey. Eine Frau wendet sich von ihnen ab (und damit dem Betrachter zu) und schaut auf ein Kind, das auf langen Kufen schnell auf die Gruppe zu läuft. An der linken Seite kniet ein weiterer Spieler, der gerade seine Schlittschuhe festbindet. Aber hinter diesen etwas größeren Figuren spielen sich andere Szenen ab. Die Menschen sind weniger farbenfroh und einfacher gekleidet, von einer Handkarre aus wird etwas verkauft, im Hintergrund wird am Ufer Reet geerntet, an einem Boot wird gearbeitet, Pferde werden über das Eis gebracht. Arbeitsleben und Müßiggang sind damit in diesem Bild einander gegenüber gestellt.
Ganz anders die erotisch angehauchte Situation bei
- Nicolas Lancret (1690 – 1743), Befestigung der Schlittschuhe/ L’Attache du Patin (zum Vergrößern rechts neben dem Bild auf den Link "Show fullscreen" klicken, dann öffnet sich ein neues Fenster).
Die Dame kam uns merkwürdig unproportioniert vor mit ihrem kurzen Oberkörper und den sehr langen Beinen. Wie steht sie überhaupt? Ja, sie hält sich an einer Brunnenschale fest - hinter ihr ein Delphin, aus dessen Maul das Wasser fließt, das in der Schale schon gefroren zu sein scheint. Seitlich kniet der junge Mann, dessen Hut am Boden liegt. Die abendliche Szenerie scheint schon fast im Mondschein zu liegen, in der sich dieses junge Paar trifft und sich einen Moment lang in die Augen blickt, bevor er sich wieder auf ihren Fuß hinunter beugen wird, um ihr den ersten Schlittschuh an den Fuß zu binden, den er zärtlich in den Händen festhält, während der zweite Schlittschuh noch am Boden neben dem Hut liegt. Assoziationen an Darstellungen von Schäferspielen und anderem Zeitvertreib von Königen und Fürsten des tändelnden Rokokos liegen da nahe.
Einige Jahrzehnte später ist das folgende Bild gemalt:
- Henry Raeburn, Rev. Robert Walker beim Schlittschuhlaufen, 1784.
Der Reverent war Mitglied der Edinburgh Skating Society, dem ältesten Eislaufclub in Britannien, den es schon seit 1742 gab. Seit 1763 wurden auch sportliche Schnell-Läufe veranstaltet. Die aus dem Jahr 1784 stammenden Statuten verraten, dass die Aufnahme in den Club von einer Prüfung abhängig gemacht wurde. Der Läufer hatte auf jedem Fuß einen Kreis zu absolvieren und nachher über drei aufs Eis gelegte Hüte zu springen. Die Clubmitglieder trafen sich auf dem Duddingston Loch, das auch auf dem Gemälde zu sehen ist. Das Bild zeigt Walker dabei wie er auf einem Bein einen Kreis auf dem Eis zieht!
Übrigens wurde das ältesten Eislaufbuch 1772 von Robert Jones (A Treatise of Skating) verfasst. Darin wird beschrieben, welche Figuren man laufen kann: Vorwärtsbögen, Spirale vorwärts-auswärts, Schlangenbogen, Achter vorwärts-auswärts, Laufen in Grätschstellung und schließlich „the figure of a heart on one leg“.
- Robert Jones, A treatise of skating, 1772 http://www.smithsbookshop.co.nz/bookshop/7102701.php
Auch der Eisläufer William Grant bei dem Amerikaner
- Gilbert Stuart (1755 – 1828), The Skater - Portrait of William Grant, 1782
zieht einen solchen Kreis auf dem Eis, wie man auf dem Bild gut sehen kann, wenn man es vergrößert. Der Porträtierte steht in diesem Bild natürlich im Vordergrund und füllt das Gemälde fast ganz aus. Schaut man aber genauer hin, so hat der Maler doch auch die Landschaft und andere Menschen mit in das Bild gebracht.
Spätestens mit dem 19. Jahrhundert wurde das Eislaufen dann auch in Deutschland ein beliebtes Wintervergnügen, wie zum Beispiel das Bild von
- Wilhelm Eichler, Schlittschuhbahn auf der Spree neben den Zelten bei Berlin, 1830
zeigt. Mehr dazu steht hier zu lesen. Wir hatten für dieses Bild ebenso wie für die Folgenden nur noch wenig Zeit, so dass wir uns nur noch kurz darüber austauschen konnten:
- Emile Claus (1849-1924) De ijsvogels/Die Eisvögel (1891)
Eines fiel uns aber doch auf, dass nämlich die Kinder auf diesem Bild immer noch mit den gleichen Schlitten fahren, wie im Psalter aus dem 14. Jahrhundert zu sehen ist, und sich auch immer noch mit genagelten Stöcken in Fahrt bringen!
Dass das Thema Geschwindigkeit am Beginn des 20. Jahrhunderts eine besondere Rolle spielte, ist in dem Druck von Cyril besonders gut zu erkennen. Jetzt fängt auch die Zeit der Revuen an, in denen das Ballett das Eis eroberte:
- Cyril Power (British, 1874–1951), Skaters, 1932
Dagegen zeigt
- Ernst Ludwig Kirchner (1880 -1938), Eisläufer
in seinem Bild eher bürgerliche Schlittschuhläufer und -läuferinnen auf einer Eisbahn.
Ganz anders geht der in Brasilien geborene "Neo-Pop-Künstler"
- Romero Britto (geb.1963), Ice Skater, 1995
mit diesem Thema um. Er hat eine Skulptur aus 6 Tonnen Aluminium und Stahl geschaffen, die ca. 4 x 7 Meter misst. Die Größe kann man auch daran erkennen, dass der Künstler selbst auf dem Bild zu sehen ist.
Zum Schluss hier noch ein paar Links zum Thema:
- Über die Ausstellung "Hendrick Avercamp: Kleine Eiszeit" (bis 15. Februar 2010) im Reichsmuseum berichtete der Deutschlandfunk.
- Auf Ntv gibt es den Beitrag: Als Rembrandt Schlittschuh lief.
- Das GeoForschungsZentrum hat den Katalog "Die 'Kleine Eiszeit' - Holländische Landschaftsmalerei im 17. Jahrhundert" (Ausstellung 2001-2002) als PDF veröffentlicht.
- Den Beitrag "Avercamps Himmel" zum Symposium “Eisvergnügen - Die Winter von Hendrick
Avercamp”, Rijksmuseum, am 14.01.2010 hat ebenfalls das GeoForschungsZentrum veröffentlicht.