Caspar David Friedrich, Frau am Fenster, 1822 (Bildquelle) |
Bei meinem - und wie sich herausstellte nicht nur meinem - Lieblingsbild schaut man allerdings noch nicht aus dem Fenster sondern in ein Zimmer mit Fenster:
- Adolph Menzel (1815–1905) Balkonzimmer, 1845
Im Gespräch war es interessant zu sehen, wie unterschiedlich die Wahrnehmung ist, da merkte einer die häßliche Wand an, die jemand anderes noch gar nicht gesehen hatte, weil die offene Balkontür mit dem Vorhang stärker im Blick war, während noch jemand die Stühle gerne mochte, weil er/sie selbst einmal genau solche Stühle hatte. Aber ich glaube, alle konnten unterschreiben, dass in diesem Bild ein Gefühl für die Öffnung der engen Stube hin zu Licht und Luft vermittelt wird.
Aber nun zum Blick aus dem Fenster:
Aber nun zum Blick aus dem Fenster:
- Caspar David Friedrich (1774–1840), Frau am Fenster, von 1822
zeigt die Frau des Künstlers, Caroline, in seinem Atelier in Dresden, in der Straße "An der Elbe" Nr, 33, Wer mehr darüber wissen will, kann sich hier informieren. Wir schauten mit Caroline auf die Elbe und auf die Masten der Schiffe. Uns Norddeutschen waren die hohen Stangen jedenfalls gleich als Masten mit Flaschenzügen erkennbar. Im Süden der Republik kam die Assoziation zum Maibaum auf, die aber abgelehnt wurde. Auch die Elbe mit ihrer frühlingshaften Pappelpflanzung ist erkennbar, selbst wenn man den Fluss selbst gar nicht sieht. Zugleich fiel aber auch das zweigeteilte Fenster, das viel mehr Platz für den Himmel als für die Erde lässt, und der dunkle Raum mit seiner engen Fensternische auf, die von Caroline Gestalt fast ganz ausgefüllt wird.
Als mögliches Vorbild für dieses Fensterbild wird in der Literatur genannt:
- Jacobus Vrel, Frau am Fenster (1654) (Achtung bei diesem Link des Kunsthistorischen Museums in Wien geht es um eine Ausstellung zum das Thema "Raum im Bild", das Bild von Vrel ist auf der rechten Seite das zweite von unten!)
Wir diskutierten die Unterschiede zum Bild von Friedrich, das viel kontemplativer wirkt, während sich die Frau bei Vrel "weit aus dem Fenster lehnt" und nicht in die Ferne blickt sondern eine Hauswand als Gegenüber hat. Zugleich wird in diesem Bild viel mehr von dem Raum gezeigt, dessen großes Fenster offen steht.
Dabei diskutierten wir dann, wieweit ein Text von Joseph Freiherr von Eichendorff aus dem 2. Kapitel des Buches "Ahnung und Gegenwart" zu diesen Bildern passte.
„Friedrich ließ sich sein Mittagsmahl ganz allein in einem Sommerhäuschen bereiten, das am Abhange des Berges stand. Er machte alle Fenster weit auf, so dass die Luft überall durchstrich und er von allen Seiten die Landschaft und den blauen Himmel sah. Kühler Wein und hell geschliffene Gläser blinkten von dem Tische. Er trank seinen fernen Freunden und seiner Rosa in Gedanken zu. Dann stellte er sich ans Fenster. Man sah von dort weit in das Gebirge. Ein Strom ging in der Tiefe, an welchem eine hell glänzende Landstraße hinablief. Die heißen Sonnenstrahlen schillerten über dem Tale, die ganze Gegend lag unten in schwüler Ruhe. Draußen vor der offenen Tür spielte und sang der Harfenist immerfort. Friedrich sah den Wolken nach, die nach jenen Gegenden hinaussegelten, die er selber auch bald begrüßen sollte. »O Leben und Reisen, wie bist du schön!« rief er freudig, zog dann seinen Diamant vom Finger und zeichnete den Namen Rosa in die Fensterscheibe."
Die Frage war dabei zugleich, ob und inwiefern Fenster als Symbol für Sehnsucht verstanden werden können udn damit sozusagen die Schwelle zwischen Innen und Außen, zwischen Begrenztheit und Offenheit, Bekanntem und Unbekanntem, Geborgenheit und Freiheit bezeichnen können.
Die Frage war dabei zugleich, ob und inwiefern Fenster als Symbol für Sehnsucht verstanden werden können udn damit sozusagen die Schwelle zwischen Innen und Außen, zwischen Begrenztheit und Offenheit, Bekanntem und Unbekanntem, Geborgenheit und Freiheit bezeichnen können.
Interessant war dann der Vergleich des Bildes von Friedrich mit dem Bild von
- Salvador Dalí, Junges Mädchen, am Fenster stehend, 1925 (Das Bild ohne Überblendungen oder Ähnlichem sieht man, wenn man es noch einmal anklickt!)
Deutlich wurde, um wieviel "attraktiver" die Rückenansicht der jungen Frau, der Schwester Dalis, dargestellt wird. Sie ist nicht mehr in schwere Kleider verpackt, sondern trägt einen dünnen kurzen Rock, der ihre Körperproportionen deutlich durchscheinen lässt. Auch wenn sich hier - hundert Jahre nach Friedrich - ein völlig neues Frauenbild zeigt, so ist doch das Fenstermotiv mehr oder weniger unverändert, auch hier wird der sehnsuchtsvolle Blick aus dem geschlossenen Raum in die Ferne einer weiten Welt gezeigt.
Ganz anders dann, einige Jahre zuvor gemalt, wirkt der Blick vom Balkon von
- Umberto Boccioni, Die Straße dringt ins Haus, Paris 1912
Mehr zum Gemälde findet man hier.
Auch uns erschien dieses Bild laut, sowohl in den Farben, wie in Glassplitter zerbrochenen Formen und auch auf uns stürzte die "laute und bunte städtische Szene" ein und musste erst enträtselt werden.
Ganz modern und politisch motiviert ist dagegen der Blick aus dem Fenster von
- Banksy, Window on the west wall, Bethlehem 2015
Die Bilder dieses Streetart-Künstlers sind nicht auf Dauer angelegt und so ist von diesem Bild auch nur noch die Hälfte übrig.
Nicht mehr ansehen konnten wir uns das Bild des amerikanischen Künstlers
- Eric Fischl, Sunroom Scene 1, 2002,
- Eric Fischl, Sunroom Scene 1, 2002,
das sicher noch einmal zu Diskussionen Anlass gegeben hätte.
Zum Fensterbild in der Kunst gibt es eine sehr interessante Text und Bildauswahl, aus der auch der Hinweis zum Zitat von Eichendorfff stammt und noch weitergehende Informationen gegeben werden.