Freitag, 25. November 2016

Ikonen moderner Kunst – Die Sammlung Schtschukin in Paris

Es gibt und gab immer wieder Sammler, die Kunstwerke kurz nach ihrer Entstehung gekauft haben. Oft waren diese Kunstwerke zu diesem Zeitpunkt noch nicht anerkannt, ja galten sogar noch lange als Scharlatanerie. Ein solcher Sammler war der russische Kaufmann Sergei Iwanowitsch Schtschukin, der im 19. Jahrhundert mit Stoffhandel in Moskau zu Reichtum gekommen war. Seine Sammlung wurde während der russischen Revolution beschlagnahmt. Unter Stalin wurden die Kunstwerke auf mehrere Museen verteilt und versteckt gehalten. Jetzt wird diese Sammlung zum ersten Mal fast vollständig wieder vereinigt und in Paris unter dem Titel "Icones de l`art moderne - la collection Chtchoukine" in dem modernen Museum der Fondation Louis Vuitton gezeigt (vom 22. Oktober 2016 bis 20. Februar 2017).  Die Zeitungen reden von einem großen Kunstereignis, das die Besucher in Massen anzieht. Also haben wir die Ausstellung virtuell besucht.

Claude Monet - Rocks at Belle-lle, Port-Domois - Google Art Project.jpg

Claude Monet, Le rochers de belle ile, 1886 (Public Domain 
File: Claude Monet - Rocks at Belle-lle, Port-Domois 
- Google Art Project.jpg Created: 1886-01-01/1886-12-31)
Für uns war dabei schon das neue Museum von Interesse, denn es ist ein sehr ungewöhnlicher Bau und auch hinter diesem Museum steckt ein außerordentlich reicher Mann. Nur als Anmerkung zum Kunstbetrieb unserer Zeit: Es heißt, kein staatliches Museum hätte sich diese Ausstellung leisten können! Das Gebäude des Architekten Frank Gehry kann man in einem Artikel aus der ZEIT näher kennen lernen und und in der dazugehörigen Bilderstrecke bestaunen.

Ein Porträt des russischen Sammlers Schtschukin von Henri Matisse besitzt das Metropolitan Museum of Art in New York. Schtschukins ungewöhnliche Sammlung moderner Gemälde aber kann man vollständig und sehr detailliert im Internet ansehen, denn es gibt eine ausführliche französische Website, in der man virtuell in seinem früheren Moskauer Palais herumspazieren kann. Das ist möglich, weil man historische schwarz-weiß Fotos der ehemaligen Ausstellungsräume besitzt. Die darauf abgebildeten Gemälde hat man farbig eingesetzt, so dass man sich ein gutes Bild davon machen kann, wie die Bilder ehemals gehängt waren.

Die digitale Aufbereitung der Sammlung aber reicht noch weiter, denn man hat die ganze Sammlung nach Malern geordnet in die Website eingestellt (Menüpunkt: la collection / les artistes; man kann unter diesem Menüpunkt auch nach den Museen suchen, auf die die Sammlung heute verteilt ist, sowie nach Sujet, Stil, Größe und Herkunft).
App der Fondation Louis Vuitton
Dazu gibt es noch eine kostenlose App der Fondation Louis Vuitton für das Smartphone, die durch das Haus und die jeweiligen Ausstellungen führt. Übrigens kann man auf Arte auch einen interessanten Film über den Sammler und seine Gemälde sehen.

Wir haben uns zuerst das angeblich früheste von Schtschukin angekaufte Bild angeschaut (es werden übrigens verschieden Bilder in verschiedenen Quellen genannt):

Claude Monet, Le rochers de belle ile, 1886

Über das Bild des Palais und den darunter befindlichen Plan, in dem man fast jeden Saal anklicken kann, haben wir uns dann von einem Saal zum nächsten bewegt und immer zuerst geschaut, welche Bilder in dem jeweiligen Saal zu sehen waren, bevor wir einzelne genauer angesehen haben.

Wir sind also gleich in den Saal Monet "gegangen", wo man sein

Frühstück im Grünen, 1866

an der Rückwand hängen sieht.

Zum Vergleich haben wir noch einmal das Bild von

Manet, Frühstück im Freien, 1863

angeschaut, das ja für besondere Furore gesorgt hatte. Aber auch das wesentlich gemäßigtere Bild von Monet war für die Zeitgenossen noch eine Herausforderung. Natürlich haben wir uns gefragt warum.

Wir sind weitergegangen zum Saal der Impressionisten, dort hat

Cezanne, Mardi gras (Pierrot und Harlequin), 1888/90

unsere Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Wir haben besonders über die Farbe weiß gesprochen, die in dem Gewand des Pierrot durch eine Vielzahl von Farben zum Leuchten gebracht wird. Und dann diese Behandlung des Gewandes mit der Art verglichen wie

Renoir, Nu, 1876

die Haut seiner Nackten, den Stoff, auf dem sie sitzt und das bauschige Gewand hinter ihr gemalt hat.

Ganz anders dann die Farben im Saal Matisse und im Treppenhaus, in dem Matisse berühmte Bilder

Tanz und Musik, 1909/10

hängen. Die Flächigkeit der Malweise, der harte Gegensatz der Farben und die starke Bewegung in den Figuren hat unsere Aufmerksamkeit sofort auf sich gezogen. Und wie ist das mit der Frau im Vordergrund, die gerade den Halt und die Hand ihres linken Nachbarn verliert, wird sie gleich zu Boden fallen oder rettet sie noch jemand? Wie bewegen sich diese Nackten überhaupt (und als Zwischenruf: Waren die zuviel an der Sonne)? Konnte Matisse diese Tanzenden auf der Bühne gesehen haben? Nein sicher nicht, aber es gab auch in Frankreich parallel zu der deutschen Freikörperkultur die Bewegung des "naturisme".  Dagegen dann das Bild der Musik, wo die Figuren statisch an einem Fleck verharren, in sich gekehrt singen oder lauschen und ihre Instrumente spielen.

Bei dem Bild von Matisse

Das rote Zimmer, 1908

Wurde dann die flächige Malweise noch einmal mehr zum Thema, denn wir brauchten eine ganze Weile um zu sehen, dass es doch eine Art Fluchtlinien und also Perspektive von den Tisch- und Stuhlkanten in die linke obere Ecke neben dem Bild vorhanden sind. Doch muss man genau hinsehen um zu verstehen, dass die Frau an der rechten Seite neben dem Tisch steht und dass sich das Muster auf der Tischdecke gegenüber dem auf der Wand ganz leicht in die Waagerechte verschoben ist.

Im Saal Gauguin

haben wir auf das Bild
Eh quoi, tu es jaloux? (No te aha ’oe fe’i’i?), 1892

geschaut und gesehen, wie viel flächiger und plakativer Matisse seine Farben eingesetzt hat.

Auch Gauguins späte

Sonnenblumen, 1901

hat der Sammler gekauft. Wir haben sie verglichen mit jenen Sonnenblumen die

Van Gogh, Sonnenblumen, 1888/89

in Erwartung seines Malerkollegens Gauguin gemalt hat, mit dem er einige Zeit im gelben Haus in Arles lebte. Deutlich wurde wie unterschiedlich beide Künstler ihr Sujet aufgefasst haben. Bei Van Gogh leuchtendes helles Gelb und Sonnenblumen in schönster Pracht. Bei Gauguin bräunliche Töne, Sonnenblumen, die schon verwelken, und im Hintergrund eine fast geisterhafte Blüte, deren Mittelpunkt wie ein Auge auf den Betrachter blickt.

Es blieb kaum noch Zeit den Saal Picasso näher zu besichtigen. Doch als Gesamteindruck blieb ein großartiger Überblick über die avantgardistische Kunst des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts, deren Bilder heute zu den Meisterwerken ihrer Zeit gerechnet werden.