Mittwoch, 19. März 2014

Esprit Montmartre - Die Bohème in Paris um 1900

Théophile-Alexandre Steinlen,
Le chat noir, 1896
Diesen Titel trägt eine Ausstellung in der Frankfurter Schirn, die noch bis zum 1. Juni 2014 zu sehen ist.(Zur Frage der Schirn oder die Schirn haben wir inzwischen auch Aufklärung erhalten, es heißt die Schirn!) Sie widmet sich dem Pariser Stadtviertel, das am Ende des 19. Jahrhundert laut Aussage zeitgenössischer Kritiker "einem riesigen Atelier" ähnelte und bedeutende Künstler wie Edgar Degas, Pablo Picasso, Henri de Toulouse-Lautrec oder Vincent van Gogh beherbergte. 
Die Ausstellung deckt die Zeit ab von Jahr 1886, als Van Gogh nach Paris kam, und bis zum Jahr 1914, als der Erste Weltkrieg begann und Künstler wie Picasso und Van Dongen das Viertel verließen. Gezeigt werden laut Ankündigung "einprägsame Bilder einer Zeit, die schonungslos die Kehrseiten der schillernden Belle Époque vor Augen führte". Denn neben den Künstlern, die sich hier sozusagen zu Außenseitern der bürgerlichen Gesellschaft machten, wohnten die echten Außenseiter, die „kleinen Leute“, Tänzerinnen und Prostituierte, Straßenhändler, Bettler und Diebe.  Der Name "Boheme" stammt übrigens von dem Roman von Henry Murgers „Scènes de la vie de Bohème“ (1847–1849).



Die Bilder haben oft die zahlreichen Cafés und Lokale zum Thema, zeigen soziales Elend und Emotionslosigkeit und das bunte Leben in den zahlreichen Varietés, Cabarets und auch den Bordellen.
Die Kunsthalle Schirn hat - etwas versteckt - eine ganze Reihe von Bildern von dieser Ausstellung selbst im Internet unter  http://www.schirn.de/nc/de/en/Esprit_Montmartre_3.html# veröffentlicht.
Der Ort
Angesehen haben wir uns zuerst den Ort selbst, also den Montmartre wie ihn Van Gogh und Pierre Bonnard gesehen haben.
- Pierre Bonnard, Palissade, les affiches (palissade recouverte d’affiches et les vieux moulins de Montmartre sous la neige), ca. 1900
Natürlich hat uns auch das berühmte Moulin Rouge interessiert. Nicht nur seine Geschichte, sondern auch wie es August Chabaud gesehen hat, der ansonsten als Künstler nicht ganz so berühmt geworden ist, wie die zuerst genannten Kollegen. 
- Auguste Chabaud, Moulin Rouge la nuit, 1907 
Gerade durch dieses Bild entwickelte sich in der Diskussion das Bild dieses Stadtteils den um 1900 offenbar schon elektrisch erleuchteten Windmühlenflügeln, dem gelben Licht, das aus den Fenstern in die Dunkelheit schreit und sich in den Pfützen auf der nassen Straße spiegelt und den schwarzen Männern, die zu Fuß und in ihrer Droschken zum Eingang der Vergnügungsstätte streben.  
Wie klein und elend diese Vergnügungsstätten in Wirklichkeit waren, sieht man ganz gut auf den historischen Fotos vom Montmatre:
Und dazu gehören auch so berühmte Lokale wie der Lapin agile oder Le chat noir, das Théophile-Alexandre Steinlen mit seinem Plakat von 1896 berühmt gemacht hat. Dieses Plakat erinnerte Ursel dann gleich an die Videos und das Buch von "Henri le chat noir", bei dem schnell klar war, dass sich der Künstler das Werk von Steinlen kopiert hat (Plagiat oder künstlerische Freiheit kann man hier fragen und sich lange über Originalität, Serialität und Kopie unterhalten).

Die Frauen
Frauen spielten auf dem Montmartre eine wichtige Rolle, aber es blieb uns nicht viel Zeit, so dass wir nur zwei Bilder miteinander verglichen. Frauen standen den Künstlern Modell, tanzten in den Cabarets Cancan, arbeiteten als Prostituierte in den Bordellen, wenn sie es nicht vorzugen als Näherinnen oder Wäscherinnen mit ebenso harter Arbeit ein eher kärgliches Brot zu verdienen. 
- 1901 malte Pablo Picasso das Bild Nu aux bas rouges (Das Bild stammt von der Seite: http://www.mba-lyon.fr/mba/sections/fr/expositions-musee/picasso-matisse-du/parcours-dans-l_expo/, wenn man dort auf das Bild klickt, erscheint es groß in einem neuen Fenster)
Wir verglichen es mit dem Bild der Malerin
- Suzanne Valadon, Nu au canapé rouge, 1920
Und auch wenn wir in der Malweise, in der Farbgebung und in der Sinnlichkeit deutliche Unterschiede erkennen konnten, so konnten wir doch die Frage, ob man an den beiden Bildern den weiblichen und den männlichen Blick auf den weiblichen Körper unterscheiden könnte, für uns nicht zu beantworten. 
Leben und Werk dieser Malerin sind im Übrigen sehr interessant und sicher zeittypisch. Sie war die Mutter des Malers Maurice Utrillo und gab nie über seinen Vater Auskunft. Ihre Persönlichkeit lernt man durch eine Reihe von Selbstporträts kennen.