Montag, 4. September 2017

Sonne, Sand und Meer - Badende in der Kunst

In den letzten Augusttagen fand ich eine kleine Ausstellung zum Thema Sonne und Meer, die das Rijksmuseum in Amsterdam ins Netz gestellt hatte. Das war der Anlass um mich einmal für Wasser, Strand, Sonne und das Baden in der Kunst zu interessieren.

Das Kunstsurfen im August startete deshalb mit einem ganz besonderen Bad aus einer Zeit, in der das Baden noch kein Sommervergnügen der besseren Gesellschaft war. Immerhin aber ging es dabei schon um das Thema "Anti-aging" :-)). Auf dem Bild von

Lukas Cranach dem Älteren, Jungbrunnen, 1546

Datei:Lucas Cranach - Der Jungbrunnen (Gemäldegalerie Berlin).jpg
Lukas Cranach d. Ä, Der Jungbrunnen (Bildquelle Wikipedia)
ist eine ganze Menge zu sehen: Da gibt es das rechteckige Badebecken, zu dem von links die Alten und kranken Frauen kommen bzw. teilweise hin getragen werden müssen; dann die Badenden Frauen im Wasser - und ja da baden nur Frauen, die Männer haben es nicht nötig (wo habe ich gelesen, dass man damals glaubte, die Männer würden sich durch den Beischlaf mit jungen Frauen von selbst verjüngen?); dann die jungen Frauen, die aus dem Wasser steigen und sich im Zelt ankleiden; und über dem Zelt die tafelnden und tanzenden Paare, von denen eines gerade im Gebüsch verschwindet! Und ja die beiden Figuren auf dem Brunnenpfeiler sind Amor und Venus, die Götter der Liebe....  


Wie war das überhaupt mit der Badekultur im ausgehenden Mittelalter, fragten wir uns nach diesem Bild. Deshalb wurde noch eine Handschriftenillustration aus Wikipedia (Valerius Maximus, Ausgabe unbekannt) in die Betrachtung eingefügt


wo man badende Paare in Zubern sitzen und tafeln sieht. Links kann man dann auch einen Blick ins Schlafzimmer wagen. Das Baden in Zubern gibt es übrigens noch auf Gotland erzählte Uta und ich konnte beisteuern, dass man Zelte mit Holzwannen auch heute noch auf Mittelaltermärkten antrifft, z.B. hier. Über die Geschichte der Badekultur kann man sich dann natürlich wie immer auf Wikipedia genauer informieren. 
  
Einen ganz anderen Blick auf Wasser und Sand wirft 

Jan van Goyen (? 1596 – 1656), Dünenlandschaft, 1640er Jahre Höhe 31,5 cm; Breite 40,9 cm

oder auch  

JaquesCallot (1592-1635), Auster mit Perle, Stich (zum Vergrößern auf das Bild klicken)

Denn vorrangig ging es den Menschen in dieser Zeit natürlich nicht um Badekultur, sondern um das tägliche Leben bzw. um ferne Welten, in denen Kaufleute Riesenmuscheln mit Perlen am Strand finden.

Wikipedia informiert auch darüber, dass es die ersten Seebäder - für Adlige und Reiche - im 18. Jahrhundert in England gab. Wichtig für die Badekultur war dort der Mediziner Richard Russell (1687–1759), der Meerwasser als gesundheitsfördernd propagierte und Bade- und Trinkkuren mit Meerwasser bei Hautkrankheiten verordnete. Er gründete auch das spätere Seebad Brighton, damals noch ein kleines Fischerdorf, das erst ab 1782 berühmt wurde, als dort der Prinz von Wales und spätere britische König Georg IV. zur Kur weilte. Reisende berichteten in ihrer Heimat von dieser Entwicklung und auch in Deutschland setzten sich Ärzte (z.B. Christoph Wilhelm Hufeland) für die Einrichtung von Kurbädern am Meer ein. Das erste deutsche Seebad wurde 1793 in Heiligendamm bei Bad Doberan an der Ostsee eröffnet, 1797 folgte Norderney, 1801 Travemünde und Cuxhaven erhielt 1816 sogar drei Anlagen, die den Badebetrieb ermöglichten: das Warm-Badehaus an der Alten Liebe, das Karrenbad in Döse und das Bassinbad an der Spülschleuse im Alten Hafen. Wie man dort mit Badekarren ins Meer gezogen wurde, zeigt, der 


Dagegen geht es bei den Kindern auf dem Bild von 


wiederum nicht vorrangig um das Baden. Sie scheinen mit einem kleinen Schiffchen zu spielen. Doch das Rijksmuseum schreibt dazu: "Diese bezaubernde Szene enthält eine Nachricht. Die Kinder eines Fischers mit ihren zerfetzten Lumpen und armseligen Spielsachen bieten uns einen Einblick in ihre Zukunft. Der älteste Junge trägt das Gewicht der Familie auf den Schultern und das kleine Boot steht für die Strenge des Lebens auf See. Jozef Israëls malte dieses Thema im Jahre 1863. Es wurde enorm populär und der Künstler wiederholte es oft."

Während das Meer für die Fischer harte und gefährliche Arbeit bedeutete, hatten Künstler und Bohemiens im 19. Jahrhundert Zeit sich am und im Wasser zu vergnügen. Allerdings gehörte Paul Cezanne, der eines der berühmtesten Bilder mit Badenden gemalt hat, nicht dazu:

Paul Cezanne, Badende 1874-5 

Wir haben gerätselt, was das Kreuz in diesem Bild bedeutet, das rechts aus einer hohen Zypresse gebildet wird, über die der grüne "Kreuzbalken" unvermittelt herüberragt. Auch das weiße "Laken" im Hintergrund der linken Badenden flattert ohne festen Bezug im Wind. Und warum heben die beiden einander gegenüberstehenden Frauen ihre Arme fast synchron? Das Metropolitan Museum of Art schreibt dazu unter dem Bild, dass Cézannes, obwohl er von der nackten menschlichen Figur fasziniert war, langsam arbeitete und, da er weibliche Modelle nicht mochte, solche Szenen aus der Phantasie und aus seinem reichen Wissen klassischer Kunst malte. Dabei wiederholten sich die "rhythmischen Posen der Frauen, die ihren Körper aus verschiedenen Blickwinkeln zeigen" mit Variationen in seinen späteren Bildern. 

Der Däne Peter Severin Kroyer dagegen gibt in seinen Bildern seine Eindrücke vom Leben am Strand wirklichkeitsnah wieder. Offenbar hat er direkt am Strand gemalt, denn es finden sich Sandkörner auf dem Bild:

        (Achtung auf dieser Seite muss man unter dem Bild des Künstler auf den Tab "Liste der Werke" und dort auf "ausgesuchte Werke (10)" gehen, dann ist es das dritte Bild von links! In klein ist es auch hier zu sehen.) 

Die dänische Sammlung Hirschsprung, der das Bild gehört, schreibt dazu, dass es das erste monumentale Werk des Malers ist, auf dem Strand und badende Kinder das Hauptmotiv bilden. Er hat den Horizont weit oben platziert und dadurch die Sicht auf die Szene drastisch geneigt. Durch den Meeressaum, der sich diagonal über das Bild zieht, ist der Vordergrund in die weite Wasserfläche und den Sandstrand aufgeteilt. Die badenden Jungen in der Mitte erscheinen wie ein Fries, der in dem am Ufer stehenden Mädchen endet. Natürlich ist uns dabei als erstes aufgefallen: Sie darf nicht mit ins Wasser und schaut traurig zu, wie diese herumtollen und ihren Spaß haben! Wir haben uns aber auch gefragt, woher das Licht in diesem Bild kommt und auch, ob es sich bei dem Meer um die Ostsee oder die Nordsee handelt. Dieser Maler hat, wie man auf der o.g. Website von Wikiart sieht, noch oft am Meer gemalt. 

Wahrscheinlich hat auch Raoul Dufy am Strand gestanden, als er sein Bild


schuf. Doch hier ist der Himmel düster. Wir hatten den Eindruck, dass die Menschen am Strand sitzen und, da sie alle dicht beisammen sind, gemeinsam den Sonnenuntergang genießen wollen, denn das Licht kommt aus der Ferne vom Meer her und wirft lange Schatten. Aber es ist eine schwarze Gewitterwolke heraufgezogen, die die heitere Szene verdunkelt. So stehen die Besucher auf der hohen Brücke nur noch zum Teil im Licht und blicken auf jene hinunter, die noch von der Sonne angeleuchtet werden. So fehlt diesem Bild die Heiterkeit und Leichtigkeit, die bei Kroyer beeindruckt.

Sturmwind, der die Wellen aufpeitscht, sahen wir dann bei 


wobei wir uns die Frage stellen, ob es damals in Holland (Nordwijk wurde ab 1819 zum exklusiven Badeort für die Oberschicht) auch Strandkörbe gegeben haben könnte. Auch das Meer auf der linken Seite des Bildes wurde nicht sofort als solches identifiziert, sondern zuerst für Dünen gehalten. Deutlich wurde, dass es dem Künstler um den momentanen Eindruck gegangen ist und nicht darum, die Szenerie so genau zu schildern, wie z.B. der o.e. Peter Severin Kroyer.

Die Exklusivität des Strandes kommt in dem folgenden Bild desselben Malers stärker zum Tragen, das übrigens aus der Sammlung Gurlitt stammt, die wegen möglicher Raubkunst im Licht der Öffentlichkeit stand.  


Die folgende Lithografie ist nur dreizehn Jahre später entstanden, zeigt aber wie schnell sich die Sichtweise der Maler in dieser Zeit verändert hat.

Otto Mueller, Badeszene mit vier Figuren, Haus und Boot, um 1914

hat uns durch die Bewegung beeindruckt, die mit knappen Strichen im Mittelgrund der Szene durch die Badenden und das Boot skizziert ist, und die sich selbst auf die beiden auf den Boden lagernden Gestalten im Vordergrund überträgt.

Zwanzig Jahre später hat dann der schon genannte Raoul Dufy die 

Regatta in Cowes, 1934 

gemalt: eine heitere Szene von bunten Schiffen auf dem tiefblauen Meer, in der es nicht mehr darum geht, genau das wiederzugeben, was man sieht. In der Realität haben wir festgestellt, hinge der Mast im Vordergrund mit seinem Flaggenalphabeth haltlos in der Luft. Doch das interessiert den Maler nicht. Ihm geht es offensichtlich um das Gewirr von Farben und Formen, von Booten, Masten und bunten Fahnen, mit dem er das Gefühl eines fröhlichen Sommertags auf dem Wasser hervorruft.

Und mit diesem Bild wünsche ich allen Lesern noch ein paar warme Tage, bevor der Herbst kommt!