Freitag, 13. Dezember 2019

Tiepolo - Der beste Maler Venedigs

Apollo und Daphne (By Giovanni Battista Tiepolo - Web
Gallery of Art: Image Info about artwork, Public Domain,
https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=15398392)
Johannes hat mich auf die Ausstellung über Tiepolo in der Staatsgalerie Stuttgart hingewiesen, die bis zum 2. Februar 2020 läuft. Das Thema passt hervorragend zu der Barockausstellung im Museum Barberini, über die wir im vorigen Monat gesprochen hatten. Die Bilder dieses Malers, die zeitlich später entstanden sind als die in der Berliner Ausstellung, haben sozusagen unseren Blick auf den Barock bis ins Rokoko erweitert.

Die Lebensgeschichte von Giovanni Battista Tiepolo kann man natürlich wieder bei Wikipedia nachlesen. Er wurde 1696 in Venedig geboren, ging bei einem Bruder seiner Mutter in die Malerlehre und machte sich schon als 18jähriger erfolgreich selbstständig. 1750 ging er mit seinen beiden Söhnen nach Würzburg, wo er die Decke des Treppenhauses und den Gartensaal in der Residenz des Fürstbischofs ausmalte. Er starb 1770 in Madrid.


Als erstes haben wir ein frühes Werk, das Deckenbild im Sala Grande des Palazzo Sandi-Porto, in Venedig angeschaut:

- Die Macht der Beredsamkeit, 1724/25 (Das Bild lässt sich mit Daraufklicken vergrößern und dann mit Strg und + noch einmal größer machen)

Ich hatte das Bild eigentlich nur als Einstieg angesehen, aber dann kamen wir doch ins Rätseln, was darauf eigentlich zu sehen ist. Inzwischen habe ich gefunden, dass das Thema den Beruf der Auftrag gebenden Advokaten Sandi verherrlicht.

Wir erkannten links unten den Mann mit der Lyra als Apollon, den Gott der Musik und der Dichtkunst. Rechts daneben explodiert gerade eine Mauer und die am Boden lagernden Figuren verweisen mit Schrecken darauf. Dachten wir!

Tatsächlich ist die Geschichte aber genau umgekehrt! Es ist nämlich Amphion, der die Musik liebte und deswegen verspottet wurde. Beim Bau der Stadtmauer von Theben fügen sich bei seinem Lyraspiel die Mauern von selbst zusammen. (So kann man sich irren...)

Darüber sieht man im rosa-orangen Wolkenwirbel - diese etwas süßliche Farbigkeit wurde durchaus angemerkt! - drei Gestalten, davon eine mit Merkurstab und Flügelhaube, also Hermes/Merkur, den Götterboten. Für die anderen Seiten des Bildes fand ich folgende Erklärungen:
- Linke Seite: Bellerophon besiegt die Chimäre (und ich dachte an den Heiligen Georg, der den Drachen besiegt),
- obere Seite:  Orpheus und Eurydike besiegen Cerberus.
-  rechte Seite: Herkules hält einen Vortrag und zieht mit goldenen Ketten, die aus seinem Mund hervorgehen, die Zuhörer in seinen Bann

Also zu diesen Geschichten kann man noch unendlich forschen. Ich weiß immer noch nicht genau, wo sie herkommen, fand aber, dass Tiepolo in dem Werk von Vincenzo Cartari, le imangini de i dei de gli antichi seine Vorbilder gefunden haben könnte. Es wurde übersetzt von Joachim von Sandrart, Iconologia Deorum und da hab ich lieber aufgehört weiter zu forschen.)  Aber Johannes hat ein schönes Gedicht von von Gottfried Ephraim Lessing zu dem Thema Beredsamkeit gefunden, das Joseph Haydn vertont (der Link führt zu Youtube) hat:

Freunde, Wasser machet stumm,
lernet dieses an den Fischen,
doch beim Weine kehrt sich's um
dieses lernt an unsern Tischen.

Was für Redner sind wir nicht,
wenn der Rheinwein aus uns spricht
Wir ermahnen, streiten, lehren,
keiner will den andern hören.
Freunde, Wasser machet stumm,

So nun aber zurück zum Kunstsurfen (oder war ich gar nicht weg?). Das nächste Bild war

- Raub der Europa, um 1720

Wie war das noch mit Europa? Also nach der griechischen Mythologie war sie eine phönizische Königstochter, die Zeus in Gestalt eines weißen Stiers nach Kreta entführte und dort verführte. Dass diese junge Frau nicht so wirklich reizvoll aussieht, wie sie da auf dem am Boden liegenden Stier hockt, ist uns schon aufgefallen, auch wenn wir den Stier erst einmal suchen mussten (sein Kopf ist neben ihrem rechten Bein). Und dann ist da noch dieser Putto oben über ihr in den Wolken, der pieselt ja!

Auch das Bild von

-Apollo und Daphne, ca. 1743/45

hat uns noch einmal in die antike Mythologie geführt. Die Geschichte geht so: Daphne (griechisch  Lorbeer) ist die Tochter des Flussgottes Peneios. Apollo verspottet Amor (oder Eros), den Liebesgott, dass er nicht schießen kann. Der rächt sich und schießt einen Liebespfeil auf den Spötter und einen mit bleierner Spitze auf Daphne. Darauf verliebt sich Apollo in Daphne, während diese durch Armors Pfeil für jene Liebschaft unempfänglich geworden. Sie flieht vor dem Verliebten und auf ihr Flehen hin verwandelt ihr Vater sie in einen Lorbeerbaum.

Auf dem Bild werden ihre Finger gerade zu Lorbeerzweigen, während Apollo - er hat einen Bogen in seiner Rechten - sie noch zu "erhaschen" versucht. Auf der anderen Seite stützt Armor die sich Verwandelnde. Und vorn in Rückenansicht sitzt der Vater mit seinem Ruderblatt an einem Fluss.

Das Porträt des

- Antonio Riccobono, um 1745

stiftete am Anfang Verwirrung, weil es wie ein Tondo wirkt, tatsächlich aber auf eine rechteckige Fläche gemalt ist. Dass es sich um einen Gelehrten handelte, ließ sich an dem offenen Buch, der Schreibfeder und dem geschlossenen Buch erkennen. Tiepolo hat Riccobono allerdings nicht gekannt, sondern lässt jemand anderen an seiner Stelle leicht provozierend den Betrachter anschauen.

Am meisten zu sehen aber gibt es auf dem

- Deckenfresko des Treppenhauses der Würzburger Residenz, 1752-1753

das Tiepolo mit seinem Sohn Domenico mit Allegorien der vier Erdteile ausgemalt hat. In der einen Ecke haben sich beide selbst gemalt:

- Giovanni Battista und Domenico Tiepolo

Das ganze Bild ist so groß und unübersichtlich, dass man besser nur Ausschnitte ansieht. Wir brauchten für den besseren Überblick außerdem erst einmal ein Bild des opulenten Treppenhauses von Balthasar Neumann, das für sich schon eine großartige Architektur ist und zu seiner Zeit durch die weite von keiner Stütze gehaltene Decke für Aufsehen sorgte. (So leer wie auf diesem Bild ist das Treppenhaus nur außerhalb der Besuchszeiten!) Dann sind wir bei der Darstellung

- Amerikas

hängen geblieben und waren überrascht, mit dass Tiepolo dafür das Krokodil als Reittier der weiblichen Personifikation des Erdteils gewählt hat, die dazu noch nackt einen Federschmuck trägt, wie er bei den Indianern nur von Männern getragen wurde. Man wusste offenbar noch sehr wenig über diesen Kontinent, obwohl die ersten Städte von Europäern an der Ostküste Nordamerikas schon im 17. Jh. gegründet worden waren. Wer mehr über das Deckengemälde und die Würzburger Residenz erfahren möchte, sei auf den Film aus der Reihe "Schätze der Welt" des SWR hingewiesen, der einen guten Überblick ermöglicht.

Wir haben zum Schluss noch eines der letzten Bilder Tiepolos angesehen

- Ruhe auf der Flucht nach Ägypten, um 1762/70

Noch ohne die Erklärungen von der Website des ZDF, die ich hier verlinkt habe, erkannten wir die Düsternis dieses Bildes. Ein Vergleich mit einem älteren Bild dessselben Themas, das noch schnell herausgesucht wurde,

- Albrecht Dürer, Flucht nach Ägypten, um 1494-1497

sollte auch klar machen, wie das eigentliche Thema - nämlich das Elternpaar mit dem heiligen Jesuskind und dem Esel - in diesem Bild ganz in eine Ecke gerückt ist und gegenüber der wilden und bedrohlichen Natur kaum noch eine Rolle spielt.