Montag, 11. November 2019

Wege des Barock im Museum Barberini

Ausschnitt aus Pietro da Cortona, Der Triumph der göttlichen Vorsehung,1632–1639  (Quelle CC BY-SA 4.0)
Die Ausstellung "Wege des Barock" ist schon wieder abgebaut. Also ist dieser Post definitiv zu spät für die Presseabteilung des Museums. Aber andererseits muss ich mit diesem Blog zum Glück ja nicht aktuell sein und außerdem ist das Internet immer aktuell oder?

Ausgestellt waren in Potsdam "54 Meisterwerke aus dem Palazzo Barberini und der Galleria Corsini". Nachgezeichnet werden sollte damit die von Caravaggio ausgehende Entstehung der römischen Barockmalerei und ihre Ausstrahlung nach Europa. Hier in diesem Blog ging es schon einmal um das neue Ausstellungsgebäude in Potsdam, wie sich Ursel sofort erinnerte. Allerdings standen damals die Impressionisten im Mittelpunkt.

So haben wir uns nun als erstes das Vorbild des Potsdamer Gebäudes in Rom angesehen:

- Palazzo Barberini, Stich des 18. Jahrhunderts

und sein Abbild kurz mit dem neuen Gebäude verglichen. Der römische Palast wurde 1627–1638 im Stil des Barock erbaut. Auftraggeber waren die beiden Neffen von Papst Urban VIII., Taddeo Barberini, der Fürst von Palestrina, und sein Bruder, der Kardinalnepot Francesco Barberini. Als Architekt war zuerst Carlo Maderno tätig, nach dessen Tod 1629 übernahm Gian Lorenzo Bernini die Bauleitung. Dieser Palast besitzt eine der wichtigsten Sammlungen römischer Barockmalerei weltweit.

Dort befindet sich auch das Deckengemälde, das im Eingangsraum der Potsdamer Ausstellung mit Beamern an die - etwas kleinere - Decke eines abgedunkelten Raumes geworfen wurde:
- Pietro da Cortona, Der Triumph der göttlichen Vorsehung,1632–1639



Gleich zu Anfang fielen uns die Bienen auf - und ja, sie sind die Wappentiere von Papst Urban VIII, und sollen Arbeit, Sparsamkeit und Süße symbolisieren! Und was trägt die von unten gesehene schwebende Gestalt über den Bienen in den Händen? Wir konnten uns auf eine Tiara, die Papstkrone, einigen, die von unten gesehen wird. Dann sind da auch noch die großen Schlüssel, das Symbol des Hl. Petrus und eine weitere schwebende Gestalt mit zwei gekreuzten Lorbeerzweigen, Symbol der besonderen Ehre. Schon haben wir das Ergebnis der "göttlichen Vorsehung": Urban wurde am 6. August 1623 zum Papst gewählt! Die göttliche Vorsehung selbst sitzt unter diesen schwebenden Gestalten als junge Frau in gelb leuchtendem Gewand und zeigt hinauf zu ihnen. Aber was ist unter ihr los? Da sitzt ein geflügelter nackter Mann mit einer Sense, der ein kleines Kind zu fressen scheint. Chronos, die Personifikation der Zeit wird mit diesem Symbol dargestellt und zugleich mit Kronos, dem Vater des Zeus verbunden, der seine Kinder fraß. Trotz aller göttlichen Vorsehung also auch eine Mahnung sich der Vergänglichkeit zu erinnern. Das könnte auch mit den drei Frauen rechts neben Chronos gemeint sein: die Vordere spinnt einen Faden, von die Mittlere hält eine Schere, die Hintere scheint den Faden zu messen: Damit spielt der Maler auf die drei Schicksalsgöttinnen an, die den Lebensfaden spinnen, messen und abschneiden. Wer sich das Deckenbild noch genauer ansehen will, sei noch auf diese Seite des Museums verwiesen, sie braucht ein wenig Zeit zum Aufbau und man kann dann zum Deckenbild herunter scrollen!

Es gibt noch viel zu sehen auf diesem Bild, aber wir wandten uns dem berühmtesten Gemälde der Ausstellung zu:

- CaravaggioNarziss 1597–1599

Die Geschichte des Narziss war schnell wieder ins Gedächtnis geholt. Das war doch der, der sich in sein Spiegelbild verliebte. Ach ja, fiel da unserem Gast noch ein: Da gibt es doch diese Karikatur von Trump zu diesem Thema, die zeigt, was passiert, wenn man sich zu sehr selbst liebt! Wir bewunderten natürlich die Schönheit des Jünglings und die Malweise von Caravaggio mit seiner Konzentration auf den Moment, in dem sich der Knabe selbst sieht, seinen Hell-Dunkel-Effekten und der Delikatesse, mit der z.B. der gemusterte Stoff seines Hemdes und das weiße Leinen der Ärmel gemalt sind.

Den Hell-Dunkel-Effekt nimmt auch das Gemälde von

Orazio Gentileschi, Der heilige Franziskus, von einem Engel gehalten, um 1612

auf. Der Heilige sinkt getroffen in sich zusammen und der Engel hinter ihm kann ihn gerade noch vor dem Fall retten. Was für eine Dramatik! Ist es gerade der Moment, in dem der Heilige die Wundmale Christi empfängt? Wie wurde diese Szene früher dargestellt? Wir schauten nach einem Vergleich und fanden auf die Schnelle

- Giotto di Bondone, Stigmatisation des Heiligen Franziskus, um 1320, in der Franziskanerkirche S. Croce in Florenz

(Giotto hat diese Szene mehrfach mit leichten Unterschieden gemalt!) In diesem mittelalterlichen Bild wird der Focus noch nicht auf das menschliche Leiden gelegt. Franziskus scheint eher überrascht und erschrocken und der Maler schildert ausführlich den ganzen Vorgang: Der Gekreuzigte mit Engelflügeln sendet seine Wundmale mit Lichtstrahlen auf den Heiligen.

Ein weiteres Bild mit Engeln folgte, aber hier geht es um ein ganz anderes Thema:

Giovanni Baglione, Irdische und himmlische Liebe (1602–1603)

und auch wenn der Maler die Hell-Dunkel-Effekte voll auskostet, so schwelgt er doch eigentlich in der Darstellung eines schönen Jünglings und eines nackten Knaben, verbrämt durch eine symbolischen Darstellung, mit der die Macht der himmlischen Liebe gezeigt werden soll! Was hat der geflügelte Jüngling an der Schulter? Wenn man das Bild mehrfach vergrößert, erkennt man eine Pfeilspitze und dann auch den Licht-Pfeil, der von von der erhobenen rechten Hand ausgeht und auf den Knaben gerichtet ist. Der Knabe liegt schon am Boden, in seiner linken Hand sieht man zerbrochene Pfeile. Und die dunkle Gestalt links unten, die sich zum Betrachter umdreht, symbolisiert sie die irdische Lust in Gestalt des Teufels?

Dann hatten wir nur noch Zeit für ein letztes Bild:

- Carlo Saraceni, Madonna und Kind mit der Hl. Anna, 1610 (Achtung auf der Seite zum drittletzten Bild herunter scrollen, das kann man dann vergrößern)

eine Darstellung, die allgemein als "Anna selbdritt" bekannt ist. Wir haben zum Vergleich eine mittelalterliche Darstellung aufgerufen

- Anna selbdritt, westdeutsch 16 Jh.

Von der statischen Darstellung des letzten Bildes unterscheidet sich Saracenis Darstellung deutlich. Die anzubetenden Frauen und das Christuskind sind szenisch miteinander verbunden; Nimmt die alte Frau dem Kind gerade eine Taube aus der Hand, die noch lebendig flattert? Versucht die Mutter es zu trösten? Wir konnten dem nicht mehr auf den Grund gehen, doch den Unterschied zwischen den beiden Bildern und die neue Vitalität der Barockmalerei konnten wir deutlich erkennen.