Samstag, 24. August 2019

"2minkunst.de" - ein Digitalprojekt der Kunsthalle Baden-Baden

Der Salon von 1787, Radierung von Pietro Antonio Martini (Quelle: Par Pietro Antonio Martini (1738–1797) Travail personnel, Photo de la reproduction publiée., Domaine public, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=16272553
Marlitt hat uns auf das Baden-Badener Projekt 2minkunst.de aufmerksam gemacht. Sie hat auch an der "digitalen Vernissage" teilgenommen, mit der diese Ausstellung im virtuellen Raum eröffnet wurde. Leider hat sie sich zu spät angemeldet, sonst hätte sie sogar noch ein Piccolo-Fläschchen Sekt zugeschickt bekommen, um mit den Teilnehmerinnen real und virtuell anstoßen zu können...

Bei diesem Digital-Projekt fragen die Macher, "wie man das Smartphone als Bilderrahmen des 21. Jahrhunderts einsetzen kann, um Kunst fernab von Museen oder Galerien zu betrachten". Das ist ja nun eigentlich fast genau unser Thema hier beim Kunstsurfen. 
Screenshot vom Startbildschirm von "2minkunst.de" 

Worum es geht, hat uns eine der Organisatorinnen des Projektes persönlich erklärt. Denn mit der "Herbergsmutter"Anke von Heyl hatten wir sozusagen hohen Besuch bei unserem digitalen Ausstellungsbesuch im Rahmen von Senioren-Lernen-Online: 2018 galt die große Sonderausstellung des Landes Baden-Württemberg dem "Ausstellen des Ausstellens". Es ging und geht um die durchaus spannende Frage, wie Kunstwerke zu welcher Zeit präsentiert worden sind und wie man sie heute mit moderner Technik präsentieren kann. Insofern ist die Übertragung in die Welt der Smartphones, Tablets und Computer folgerichtig. 

Wie funktioniert nun 2 Minuten Kunst? Über den Bildschirm schwimmen elf Smartphone, die durchnummeriert sind. Tippt man eines an öffnet sich eines der elf Kapitel mit Videos von jeweils 2 Minuten. Wen die bunt durchnummerierten schwimmenden Smartphones irritieren (wie mich, die ich die Ordnung von 1-11 oder A-Z liebe), der kann sich an die Seitenleiste mit der Episodenübersicht halten. Und es lohnt sich durchaus, die ganze virtuelle Ausstellung anzusehen. Das haben wir diesmal allerdings nicht geschafft!

Wir hatten uns ja schon einmal mit den Kunst- und Wunderkammern beschäftigt, deshalb haben wir dieses Thema nur gestreift, indem wir das folgende Bild angeschaut haben:  

Adriaen von Stalbent, Las Ciencias y las Artes um 1650

Es gibt viel zu entdecken in diesem Gemälde, das Wissenschaft und Kunst des 17. Jahrhunderts in vielen verschiedenen Aspekten darstellt, nicht nur die Bilder an den Wänden, auch die Figürchen und die Koralle auf dem Kaminsims, die Musikinstrumente und das Bild im Mittelpunkt, in dem die Symbole von Wissenschaft und Kunst von einem Esel und anderen Tieren zerstört werden! 

Auch das nächste Bild zu dem Thema "Ausstellen früher" wirkte auf uns vertraut, schließlich habe ich für unsere Facebook-Seite ein ganz ähnliches Motiv gewählt: Eine Kunstausstellung im 18. Jahrhundert.   

Pietro Antonio Martini, Der Salon von 1787 im Louvre (Stich)

Nicht nur die übereinander gehängten Bilder an den Wänden auch die Gesellschaft fanden wir interessant. Was machen die vielen Menschen in dem Raum mit den vielen Bildern? Ist es eine Vernissage, wollen sie genauso sehen und gesehen werden wie die Besucher einer solchen Veranstaltung heute. Regen sie sich vielleicht sogar über das eine oder andere Bild an der Wand auf?

Und dann haben wir erstmal nachgeschaut, was mit der "Petersburger Hängung" eigentlich gemeint ist, die in dem Video von 2minkunst so genau erklärt wird. Das Bild von 


zeigt ganz schön, wie die Bilder damals in dem Schloss aufgehängt waren: dicht an dicht, fast überlappend! Dazu hat uns Anke noch einen Link zu einem Video geschickt, das der Petersburger Hängung nachgeht.

Was für ein Unterschied zu der Art, wie im Louvre die weltberühmte 

Mona Lisa (auf der Website sind mehrere Bilder dazu!)

den Besuchern präsentiert wird.

Konfrontiert wird diese frühere Art (und teilweise heute wieder moderne Art, siehe z.B. Pinterest) Kunst zu präsentieren in dem Digitalprojekt mit der Arbeit einer zeitgenössischen Künstlerin, deren leere Schaukästen Besucher dazu einladen, "sich selbst" auszustellen. O.k. nicht direkt sich selbst, sondern, das was sie repräsentiert - die meisten haben ihre Mäntel und Taschen aufgehängt, möglicherweise deshalb, weil es sich um eine Art von durchsichtigem Kleiderschrank handelt? 

Karin Sander, Identities on Display, 2013 (auf der Website, das zweite Bild von oben!)
20 Schaukästen mit Haken, Bügeln und Münzschloss 

Länger diskutiert haben wir über das Werk des zweiten zeitgenössischen Künstlers 


das man im Video in voller Aktion sehen kann. Die Idee dazu stammt übrigens schon von 1998. Ein Foto aus der Ausstellung kann man sich vergrößern, wenn man seitlich auf die Information geht und dann auf das Foto mit dem Reinigungswagen klickt (leider hat es keine eigene Webadresse, deshalb diese mühsame Beschreibung!) Ist es wichtig, das Unsichtbare - also z.B. das Putzen - sichtbar zu machen? Übersehen wir sonst etwas, was für uns aussagekräftig sein könnte, also z.B. die untergeordneten Tätigkeiten, die uns selbstverständlich sind, die wir aber keinesfalls selbst machen wollen? (Naja, ehrlich gesagt, ich putze!)

Zu der Fragestellung warf dann Ursel das Werk von

Duane Hanson, Essende Frau, 1971

ein, das wir deutlicher als den Reinigungswagen und auch künstlerisch interessanter fanden. 

In dem Digitalprojekt geht es dann mit der "Ausstellung im frühen 20. Jahrhundert" weiter. Anstelle der dort vorgegebenen Bilder sahen wir uns den Mittelsaal der 30. Ausstellung der Wiener Secession mit der Skulptur des Hl. Michael von Ferdinand Andri und "Freude am Schönen" von Anton Hanak von 1908 an:

Wiener Secession, Ausstellung 1908

und fühlten uns so wie in einem heutigen Museum! Während das folgende - deutlich spätere - Bild einer Hängung uns demgegenüber fast antiquiert erschien: 

Foto von der Aufstellung der Gemäldegalerie und der Skulpturensammlung im Kaiser-Friedrich-Museum, Berlin, Raum 34, sog. Donatello-Saal mit italienische Ton- und Stuckbildwerken sowie Gemälden des 15. Jh., Foto 1926 - 1933

Tatsächlich war es allerdings ein für die Zeitgenossen sehr moderne Art des Ausstellens - wie im zugehörigen Video erklärt wird. Hier sind erstmals Kunstwerke aus demselben Zeitraum und demselben Land zum Vergleich nebeneinander angeordnet. 

Verglichen haben das mit einer "modernen" Kunstausstellung:

Salon d'Automne, Salle XI, Grand Palais des Champs-Élysées, Paris, November 1912

Zu sehen sind u.a. eine Skulptur von Joseph Csaky (Frauengruppe) und vier Figuren von Amedeo Modigliani auf weißen Sockeln, sowie eine Reihe kubistischer Gemälde

In dem Digitalprojekt ist außerdem die zeitgleiche Ausstellung des Salon-Malers

Léon Comerre (1850 – 1916) zu sehen, von denen es hier ein Beispiel gibt.

Ist es nicht überraschend, welche verschiedenen Strömungen gleichzeitig in der Kunst vorhanden sind?

Eine Stunde war nicht genug Zeit, um das ganze Digitalprojekt gemeinsam anzusehen. So gab es nur noch zum Schluss einen Hinweis auf den Correalismus. Im Video auf 2minkunst, kann man mit einem Objekt dieser Kunstströmung, die nicht sehr weit verbreitet war, spielen und zugleich kann man dieses Objekt sogar heute noch erwerben:

Friedrich Kiesler, Correalistischer Rocker, entworfen 1942

Man kann durchaus empfehlen, die Stationen von 2minkunst hintereinander durchzugehen und die kurzen Videos anzusehen (auch das erheiternde Video, in dem der Aufbau eines Sockels liebevoll und kunsthistorisch minutiös erläutert wird). Ob allerdings das kleine Format des Smartphones (abgebildet ist ein iPhone, wenn ich nicht irre) wirklich ein guter Rahmen zur Bildbetrachtung ist, möchte ich persönlich bezweifeln. Tabletgröße sollte ein Bild schon haben, damit man mitbekommt, wie als Ganzes aussieht. Auch das ständige "Drehen-müssen" des Smartphones wurde als lästig empfunden.