Samstag, 18. Mai 2019

100 Jahre Bauhaus

Siedhof-Buscher, Schiffsbauspiel, 1923, Ausschnitt aus
Foto von chinnian - DSCF2582, CC BY-SA 2.0,
Das letzte Kunstsurfen war eine echte Gemeinschaftsaktion: Nicht nur waren wir Senioren wie immer über Skype verbunden, sondern wir hatten dazu Besuch einer 12-jährigen Enkelin und ihrer Freundin, die bei ihrer Oma Ferientage verlebten. Das hat allen Spaß gemacht und zwischendurch neue Ideen in unsere Betrachtungen hineingebracht!

Besucht haben wir das neue Bauhausmuseum in Weimar. Hingewiesen sei darauf, dass in diesem Jubiläumsjahr auch anderswo Ausstellungen zum Thema Bauhaus stattfinden und, dass in Weimar ein großes Jubiläumsprogramm läuft. Außerdem kann man sich die App Bauhaus+ herunterladen und die Werke aus dieser ungewöhnlichen Kunstschule virtuell kennen lernen (so man denn über ein neues Smartphone verfügt, auf älteren Betriebssystemen läuft die App nicht :-((.)



Aber bevor wir zu der Frage gekommen sind, was denn so ungewöhnlich an den Ideen des Bauhauses war, haben wir uns einen Salon aus dem 19. Jahrhundert angesehen und dabei gefragt, wie die Menschen vor dem Ersten Weltkrieg gewohnt haben. Gab es schon elektrisches Licht? Auf dem Tisch scheint eine Petroleumlampe zu stehen. Was für Möbel sind das? Die Stuhlbeine und die Tischbeine sehen gedrechselt aus. Dieser Spiegel ist fast ein wenig, als ob er aus dem Rokoko käme und solche Doppeltüren hat man heute auch nicht mehr....  Ein anders Wohnzimmer und, wenn man herunterscrollt auch die Küche, ist dann auf dieser Seite zu sehen. Den beiden Mädchen kam das auf jeden Fall sehr fremd vor, hatte ich den Eindruck. Auch das Weimarer Wohnhaus von Henry van de Velde, das Haus Hohe Pappeln, beschäftigte uns noch eine Weile. Es ist schon viel heller und weitläufiger, aber doch noch fremdartig für unsere Augen, auch wenn wir die geschwungene Treppe und die weißen Möbel sehr elegant fanden.

Dann kamen wir zu dem Haus am Horn, das die Künstler des Bauhauses 1923/24 in Weimar entworfen und eingerichtet haben. Überlegt haben wir zuerst, wie der Aufbau über dem Flachdach zu deuten sei. Bis wir dann festgestellt haben, dass es sich um die Hochfenster des mittleren Wohnraumes handelt, der von oben belichtet ist. Das ist doch ganz ähnlich wie das Haus von unserer Tante, erinnerten sich Oma und Enkelin. Da war sie also die Moderne, die noch in unsere Gegenwart hineinwirkt und das seit 100 Jahren!

Und dieser Stuhl von

- Marcel Breuer, Lattenstuhl, 1924

könnte er auch noch bei uns in der Wohnung stehen? Da waren wir uns nicht ganz so sicher. Aber das Prinzip, dass er aus gleichgroßen Holzbrettern gefertigt ist, imponierte dann doch. Wir haben uns die Stühle und das Wohnzimmer dann noch einmal in einem historischen Foto angeschaut und festgestellt, wie stark die Möbel aufeinander abgestimmt und gleichzeitig fast seriell gestaltet sind. Ist das nicht das Prinzip unserer heutigen Möbel von Ikea?

Und wie sah die Küche aus? Auch so wie heute? Eigentlich schon oder? (Und als Einschub hier: Die berühmte "Frankfurter Küche", die als Vorbild unserer Küchenzeilen gilt, wurde erst ein paar Jahre später entworfen.)

Ja, und die Gefäße für Mehl, Erbsen, Essig und Ingwer usw. kann man noch heute nach demselben Entwurf bei der Firma Manufaktum erstehen! Und dabei haben wir uns dann auch erinnert, wie man früher einkaufte und, dass nicht alles eingeschweißt und verpackt war, sondern im Laden in Tüten und Gefäße gefüllt wurde, die man dann in der Küche in solche "Garnituren" umfüllte.

- Theodor Bogner, Küchengarnitur für das „Haus am Horn“ (5 Teile), 1923

Als wir dann auch noch den Stuhl von

- Erich Dieckmann, Küchenstuhl, 1924

dazu stellten, kam auch der Hinweis, dass solche Möbel eigentlich erst möglich wurden, weil neue Materialien auf den Markt gekommen waren. Da musste dann erstmal erklärt werden, was Sperrholz eigentlich ist und warum es als Material interessanter war als normale Holzbretter (billiger, biegsamer, leichter).

Beim nächsten Werk stellte sich dann die Frage: Was ist das ? Denn die Kunstsurfer sahen zuerst nur das Werk und nicht die folgende Beschriftung:

- Peter Keler, Wiege, 1922

Wenn man sehen will, wie die Wiege funktioniert, dann ist dieses Video hilfreich! Peter Kehler war damals erst 20 Jahre alt und stand unter dem Einfluss seines Lehrers Wassily Kandinsky. Deshalb sieht man die Grundfarben Gelb, Rot und Blau und die ihnen von Kandinsky zugeordneten Formen Dreieck, Quadrat und Kreis. Es kamen die Fragen auf, wo eigentlich der Schwerpunkt der Wiege ist und, ob die Kreise aus Holz sind. Nein sie sind aus Metall und der Schwerpunkt muss unten in der Spitze des Wiegenkörpers liegen, sonst würde sie sicher umkippen!

Dann war noch Zeit für das

- Siedhof-Buscher, Schiffsbauspiel, 1923

Das ist ein genial einfaches und gleichzeitig die Fantasie anregendes Spiel, fanden wir! Auch diesen Entwurf einer Bauhauskünstlerin kann man noch heute erwerben. Womit Kinder vor dem Ersten Weltkrieg gespielt haben, kann man übrigens auf diesem und diesem Foto sehen. Siedhof-Buschers Spiel entstand für das Kinderzimmer, das sie gemeinsam mit Erich Brendel für das Versuchshaus am Horn in Weimar gestaltete. Schon ein Jahr nach ihrem Eintritt in die Weimarer Schule war Siedhoff-Buscher – eine der wenigen Frauen, die sich in dieser Schule jenseits der Weberei beweisen durften – durch dieses Projekt international bekannt.

Ganz zum Schluss dann haben wir noch diesen Entwurf angesehen:

- Marcel Breuer, Vier Satztische, 1925

Die Tischchen kamen uns irgendwie ganz bekannt vor, weil das Prinzip der Unterstelltische ja noch heute gültig und praktischerweise sehr platzsparend ist, auch wenn die typische Farbigkeit der Bauhäusler heute nicht mehr so oft verwendet wird.

Das war eine Stunde Kunstsurfen, die die Augen dafür geöffnet hat, dass unsere moderne Wohnkultur eigentlich schon ziemlich alt ist!