Montag, 6. August 2018

Kunst aus China auf der Nordart in Rendsburg

Ausschnitt aus der Website der Nordart 2018
Draußen ist der Rasen verdorrt und drinnen in meinem Kopf herrscht von der ewigen Hitze eine große Leere! Also wundert euch nicht, wenn dieser Post über unser letztes Kunstsurfen etwas unpräzise gerät.

Wir waren auf der Nordart in der Carlshütte in Rendsburg. Für mich ist das seit Jahren schon ein fester Termin im Sommer. Erstens weil die ehemaligen Gießereihallen dort wirklich sehenswert sind mit ihren Resten aus jener Zeit, als dort noch schwer gearbeitet wurde. Zweitens weil die Nordart fast immer viele interessante Kunstwerke enthält, die zum Nachdenken anregen.

Seit langem schon werden in Büdelsdorf Kunstwerke von chinesischen Künstlern gezeigt, die man sonst in Deutschland eher suchen muss. Daneben gibt es inzwischen aber auch einen besonderen Ausstellungsbereich mit einem jährlich wechselnden Länderschwerpunkt. Wir haben uns diesmal fast nur mit Kunstwerken aus China beschäftigt:
Blick in die große Halle mit der Gruppe von XIANG Jing "Are A Hundred Playing You? Or Only One?" aus der Serie "Nackt jenseits der Haut" von 2017; rechts an der Wand die Bilder von  LIU Fei, Frauen & Waffen, links an der Wand die Cyanotypien von ZHANG Dali (Foto Leisner 2018).

So gibt es von LIU Baomin in der Ausstellung mehrere großformatige Gemälde zu sehen. Offenbar nutzt er neuerdings klassische Kunstwerke - wie z.B. die Mona Lisa oder Raffaels Madonna aus Dresden - als Vorbilder. Die sind allerdings im Netz noch nicht zu finden, deshalb schauten wir uns ein früheres Bild an, das auch auf der Nordart hängt:

- LIU Baomin, Magische Jugend Nr.2, 2013
  • Zur Information, bei den meisten der folgenden Links handelt es sich um Pdf-Dateien, die aus dem Katalog der Ausstellung stammen. Um zu den Bildern zu kommen, muss man meistens darin herunter scrollen.
Weitere Bilder von ihm sind hier zu finden. Seine Technik ist immer gleich, fiel uns auf, fragten uns aber, wie er das gemacht hat: Man sieht die Figur wie durch eine Wasserfläche gespiegelt oder durch ein Glas mit Schlieren. Hat es mit unserem Blick auf die Welt zu tun? - Unscharf, ungenau, unwahr.... Kann man ja darüber nachdenken. Aber irgendwie empfanden wir das auf Dauer auch als eine Art Masche, wie man malen und Bilder verkaufen kann.

Schwieriger ist:
- LIU Fei, Frauen & Waffen Nr. 27, 2007

Weitere Bilder von ihm sind hier zu sehen. Wir fanden das Bild der beiden jungen Frauen in ihrer "adretten" Kleidung in sich ungeheuer widersprüchlich. Sie verziehen ihre knallroten Lippen zu einem "strahlenden" Lächeln und dabei hält die eine der anderen die Pistole an den Kopf. Auch der Gegensatz zwischen den "unschuldigen Mädchen in Schuluniform" und der Gewaltszene, in der beide stecken, fiel uns auf, ebenso wie ihre im wahrsten Sinne des Wortes nackten Köpfe.

Von LV Shun war auf der Nordart 2015 eine riesige Bronzeplastik ausgestellt gewesen, die nach Art der christlichen Abendmahls-Szene Schweine um einen langen Tisch versammelt hatte. Dieses Mal ist er wieder mit einer Tiermetapher vertreten:

- LV Shun, Wohin wir gehen, 2011,

Die 2 Meter lange Bronzeplastik ließ uns über die Frage, wohin wir gehen, eine Weile nachdenken. Wird es eine Welt sein, in der Gorillas die Macht übernommen haben und die mörderischen Reste der Menschen abtransportieren?

Auf unsere Welt dagegen macht XIANG Jing aufmerksam, der auf der Nordart gleich mit drei verschiedenen plastischen Gruppen vertreten ist. Zuerst angeschaut haben wir uns

- XIANG Jing, Are A Hundred Playing You? Or Only One?, aus der Serie "Nackt jenseits der Haut" von 2017 (auf der zweiten Seite der .pdf-Datei)

Nicht alle von uns waren von den nackten und kahlköpfigen Frauenfiguren angetan. Und dann haben auch noch alle zusammen ihre Füße in einer Plastikwanne (Achtung Fußpilz! war eine Assoziation). "Spielen Hunderte dich oder nur eine?", fragt die Künstlerin, wenn ich den Titel recht verstehe, aber die Vielen wirken irgendwie zu unterschiedlich um immer nur die "Eine" zu sein. (So nach dem Motto, wer bin ich und, wenn ja, wie viele.) Und zugleich fiel uns auf, dass alle diese nackten kahlköpfigen Frauen anscheinend kaum oder gar nicht miteinander kommunizieren.

In der Mitte die Installation von XIANG Jing "Der Fluss fließt nach Osten", links an der Wand die Bilder von  LIU Fei aus der Serie "Frauen & Waffen", im Hintergrund das Bild von  XU Sonbo "Luo Yngs Traum" (Foto Leisner 2018)
Ebenso verrätselt ist die große

- Skulptureninstallation aus der Serie "S": Der Fluss fließt nach Osten (2014–2016),

die auf der folgenden Seite derselben Pdf-Datei zu sehen ist. Die vielen leeren im "Wasser" schwimmenden Flaschen fielen sofort ins Auge, auch die Figuren, die zwar zusammen in einem Boot sind, doch wiederum keine Merkmale irgendeiner Kommunikation zeigen, selbst wenn ihr Boot schon voll Wasser läuft und absäuft. Und dazu rudern alle mit leeren Händen. Eine verwirrende Szenerie, die viele ungute Assoziationen zulässt, finde ich.

Ganz anders, aber deswegen nicht weniger fremd gestaltet XU Sonbo seine großformatigen Gemälde

- Luo Yangs Traum, 2014

Das Gemälde ist in der Pdf-Datei leider an beiden Seiten beschnitten, das heißt die Pferde auf der linken Seite sind darauf ganz zu sehen. In der zugehörigen Beschreibung heißt es, dass im Hintergrund seiner Bilder oft die Zentralebene um Luiyang zu sehen ist - Luiyang war eine der vier Hauptstädte des alten China - und dass seine "Panoramen, die Imposanz, Kultiviertheit und Ereignisse der Tang-Dynastie", einer Blütezeit der chinesischen Geschichte schildern. Dabei übe "die Kombination westlicher und östlicher Materialien, Werkzeuge, Techniken und Sprache großen Einfluss auf seinen Stil" aus, so dass seine Arbeiten "an Meisterwerke der europäischen Renaissance, ihr erzählerischer Inhalt an das goldene Zeitalter chinesischer Literatur und Künste" erinnerten.
Hätten wir die folgende Erklärung schon gewusst, hätten wir wahrscheinlich nicht so lange gerätselt, was die große "Gestalt" in der Mitte des Bildes bedeutet: In dem auch heute noch bestehenden Ort Luo Yang steht der erste buddhistische Tempel in China, der Teil des Klosters des weißen Pferdes ist. "Der Gründungsmythos besagt, dass Kaiser Mingdi im Traum einer zwölf Meter großen goldenen Figur mit Sonne und Mond hinter dem Kopf begegnet sein soll. Seine Beamten schlussfolgerten, dass der Kaiser vom Gott des Westens geträumt habe. Anschließend wurden zwei Mönche zur Erkundungstour nach dieser Figur entsandt. Erstes Ziel der Tour war Indien bzw. das damalige Tianzhu. Von dort kamen sie auf weißen Pferden zurückgeritten und brachten dem Kaiser buddhistische Sutren mit. Zu Ehren der beiden Mönche wurde der Tempel errichtet. Im Tempel findet man heutzutage noch zwei Steinpferde und Erdgräber der beiden Mönche." (Diese Erklärung stammt von dem Blog Chinatours)

Und ganz zum Schluss gab es dann noch einen Blick in den Ausstellungsraum der tschechischen Kunst:
Jiri David, Hidden Images /Foto Leisner 2018)

- Jiri David, Hidden Images, 1990er Jahre

Natürlich haben wir uns gefragt, was der Künstler mit den Gesichtern gemacht hat. Es hat ein wenig gedauert, bis klar war, dass wir entweder zwei rechte oder zwei linke Gesichtshälften als Porträt sehen und so die sozusagen versteckten Seiten der Persönlichkeiten näher kennen lernen ...

Was haben diese Bilder mit Victor Vasarely und diesen Zebras und Zebras von 1937 zu tun?

(P.S: Und ich danke der Pressestelle der NordArt, die auf meine Anfrage, ob ich meine eigenen Bilder der Ausstellung veröffentlichen darf, schrieb:  "über die Veröffentlichung zur NordArt freuen wir uns sehr.")