Donnerstag, 5. November 2015

Akseli Gallen-Kallela - Finnlands berühmter Maler

Vorausgeschickt sei, dass Senioren Lernen Online seit langem über Europäische Projekte mit der Volkshochschule in Sastamala (Sastamala Opisto) in Finnland "verbandelt" ist. Wir Senioren nehmen als Muttersprachler auch an einem Deutschkurs der finnischen Volkshochschule teil. Durch die Gespräche mit den Finnen, die ihr Deutsch auffrischen, erfahren wir viel über das Land, seine Geschichte und seine Kultur. Elina hat uns dort den Maler, Architekten und Designer AkseliGallen-Kallela vorgestellt, der besonders wegen seiner Illustrationen zum finnischen Nationalepos Kalevala bekannt geworden ist. Ehrlich! Ich hatte diesen Namen vorher noch nie gehört!

Zuerst haben wir uns sein Haus Kalela in Ruovesi angschaut, ein typisches finnisches Holzhaus mit einem großen Atelierraum

Eines seiner frühen Bilder ist:
Uns fielen besonders die großen, abgearbeiteten Hände, das nackten Füße, die ärmliche Bekleidung und das herbe Gesicht der alten Frau auf, zusammen mit ihrer müden Haltung. Die finnische Landschaft im Hintergrund warf Fragen auf, die zum Glück Karl beantworten konnte, der die Linie von links vorn nach rechts oben als typischen finnischen Zaun erklärte: Es werden jeweils zwei Pfosten gesetzt und zwischen sie werden dünne Baumstämme schräg eingelegt. 

Mit dem Tryptichon 
waren wir dann schon bei der Kalevala
In der Geschichte von Aino wird erzählt, dass ihr Bruder sie Väinämöinen als Frau versprochen hatte. Sie sah, dass er ein uralter Mann war und sprang verzweifelt in einen See. Väinämöinen fing sie mit seinem Zaubernetz, aber die Gewässergöttin verwandelte sie in einen kleinen Fisch, den der Enttäuschte wieder ins Wasser warf. Sie wurde wieder zur Frau und verschwand.
Wenn man die Bilder von links nach rechts betrachtet, sieht man, dass Gallen-Kallela hat offenbar diese Verwandlung ausgelassen hat und anstatt dessen die entflohene Aino am Ufer malt, die auf einen See blickt, auf dem das Wasser unruhig ist und ein Nebel aufsteigt. Vergrößert man das rechte Bild, so könnte man versucht sein in dem Nebel einen Menschen sehen, der von einer Gestalt mit langem Arm ins Wasser gedrückt wird. 

Eine Folge von sehr eindrücklichen Bildern erzählt weitere Geschehnisse aus der Kalevala, darunter die 
Der Sampo ist ein mythischer Gegenstand, der seinem Besitzer Wohlstand zu verschaffen verspricht und heute weiß eigentlich niemand so recht, wie er aussieht. (Karl hat mich daran erinnert, dass wir den Sampo kennen: Finnische Streichhölzer heißen so!) Dafür wird der Kampf um diesen Gegenstand um so deutlicher in dem Bild, das mit seiner Perspektive - der Betrachter blickt von links oben auf das Geschehen - ebenso ungewöhnlich wirkt, wie durch seine holzschnittartigen Gestalten und die schreckliche mythische Figur in Form einer alten Frau mit Vogelfüßen und Flügelarmen, die auf die Männer im Boot zustürzt und sich an ihrem Mast festgekrallt halt

Dargestellt ist die Geschichte von Louhi, der bösartige Herrscherin des Nordlandes Pohjola, die Männern ihre wunderschöne Tochter verspricht, wenn sie fast unlösbare Aufgaben erfüllen. Eine der Aufgaben ist das Schmieden der "Zaubermühle Sampo“. Letztere wird später geraubt, weil sie das Nordland zu reich und mächtig gemacht hat. Auf der Heimfahrt werden die Räuber von Louhi angegriffen. In Gestalt eines Riesenadlers will sie den Sampo zurückerobern, der dabei zerstört wird.

Wir haben uns zwischendurch ein Bild einer früheren Illustration der Kalevala angeschaut:
Ilmatar
von Robert Wilhelm Ekman (1803-1873), der eine Serie von Illustrationen zur Kalevala geschaffen hat. (Vgl. dazu http://www.tadubois.com/varying-course-materials/Kalevala_444-readings/art_article.pdf)
Uns fiel besonders der Gegensatz in der Malweise zwischen den beiden Künstlern auf. Während Gallen-Kallela sich nicht scheut das Häßliche effektvoll in Szene zu setzen, sahen wir bei Ekman trotz der aufgewühlten Wellen und des dunklen Hintergrund die schwebende Jungfrau in zarten Formen und Farben. 

Zu Ilmatar ist in Wikipedia ist zu lesen, dass ihr Name von dem finnischen Wort "ilma" Luft abstammt. Sie war der jungfräuliche weibliche Geist der Lüfte, der die Welt erschuf. Sie sehnte sich nach einem Sohn, aber sie war allein auf der Welt. Eines Tages wurde sie mit Väinämöinen - den Bruder von Aino! - schwanger, dem Kind des Windes. Aber selbst nach 700 Jahren kam das Kind nicht auf die Welt und Ilmatar verlor die Hoffnung. Sie begab sich ins Urmeer, wo sie zur Wassermutter wurde. Dort bot sie ihr Knie einer Ente an, die keinen Brutplatz fand, da es noch kein Land gab. Diese legte sieben Eier. Weil Ilmatar während des Brütens zu ungeduldig war, fielen die Eier von ihrem Knie und zerbrachen. Aus ihnen entstanden Himmel und Erde. Aus dem Eigelb wurde die Sonne, aus dem Eiweiß der Mond. Schließlich nach 730 Jahren gebar Ilmatar ihren uralten Sohn Väinamöinen, den Sänger, der das Leben auf der Erde erschuf.

Gallen-Kallela hat auch in dem Bild 
seine holzschnittartige Malweise und seine ungewöhnliche Perspektive weiter entwickelt.

Dazu habe ich folgende Erklärung gefunden: 
In der Kalevala, ist Lemminkäinen ein Abenteurer und Frauenheld, der die schönen Jungfrauen von Pohjola verfolgt. Louhi, die Herrin des Nordens, stellt auch ihm Aufgaben. Seine letzte Aufgabe ist es, den Schwan von Tuonela - das ist der Fluss des Todes - zu schießen. Der Abenteurer scheitert und wird in die schwarzen Wasser des Flusses gezogen. Aber seiner Mutter gelingt es ihren Sohn zu retten.

Das Gemälde zeigt die Szene, in der die Mutter vor seinen Körper auf dem felsigen Ufer sitzt und in die Lichtstrahlen starrt, die von oben kommen. Vor den Strahlen fliegt eine kleine Biene. Sie soll den himmlischen Honig zu bringen, der Lemminkäinen wieder zu beleben soll. Blumen des Todes wachsen zwischen den Knochen und Schädeln, die am Ufer liegen. Die Felsblöcke, die den Fluss begrenzen. sind in blutrot Moos bewachsen und der Schwan von Tuonela schwimmt im Hintergrund des schwarzen Wassers.

Der Autor dieser Beschreibung vergleicht dabei Szene mit dem christlichen Bild der Pietà. Zur gleichen Zeit hallt in Lemminkäinen Schicksal der alte Mythos des Osiris nach. Aber es heißt auch, dass das Gemälde die Mutterliebe darstellt, die den Tod überwindet. 

Gallen-Kallela hat in vielen mythologischen Bildern seine eigenen Angehörigen zum Vorbild genommen. So hat er hier seine Mutter, Matilda Gallen, dargestellt und gesagt, dass das Gemäle eine Ode an sie sei. (Zitiert nach: http://www.ateneum.fi/en/akseli-gallen-kallela-and-kalevala)

Zwei ganz andere Bilder standen am Schluss unserer Betrachtung 

Laut eigener Aussage des Künstlers, beschreibt das Werk die Auferstehung und ist von dem Bild der Kreuzigung Christi beeinflusst. Die rotes Licht refletierenden Wolken am unteren Rand gehören noch zur Erde. Das Leben der Zukunft ist von dem Licht hinten angestrahlt. Die Haare bilden gleichzeitig einen Strahlenkranz und zeigen, dass das Gesetz der Erdanziehung in diesem Bereich keine Wirkungskraft mehr hat. Der Titel "Ad Astra" stammt von dem lateinischen Sprichwort "per aspera ad astra" - "Durch Mühen zu den Sternen". 

Dagegen ist das Plakat 
von der zeitgenössischen Plakatkunst geprägt und enthält zugleich für Gallen-Kallela typische Merkmale, wie z.B. die diagonale Anordnung des Autos im Bild. Sehr modern und zeitlich weit vorausweisend wirkt die Verbindung der beiden Sujets der nackten jungen Frau, die von einem "Monster" entführt wird, mit dem auf Höllenflammen dahinrasenden knallroten Auto in einem dunklen Sternenhimmel. Dabei weist das Autodesign schon auf die Windschnittigkeit der Nachkriegsära hin. Tatsächlich war der Künstler vorher in einem solchen Auto zu einer wilden Fahrt durch Helsinki mitgenommen worden. Und es scheint, als ob er die Kalevala hier in ein modernes Gewand gekleidet hat: Lemminkäinen ist zum Autofahrer mit Schutzhaube geworden, der Kyllikki raubt und in seinem roten Auto davonrast. Vergleicht man ein typisches Plakat für eine Autoveranstaltung von 1905 mit dem Bild von Gallen-Kallela dann wird deutlich, um wieviel dynamischer und aussagekräftiger er seine Werbung für das neue und noch sehr luxuriöse Verkehrsmittel gestaltet hat.